2.800 Meter über Null: Forscher entdecken riesige Meeressaurier in den Alpen

Paläontologen haben die Fossilien von riesigen Ichthyosauriern in den Schweizer Alpen entdeckt. Die walgroßen Fischsaurier gehören zu den größten Lebewesen, die jemals in den Ozeanen der Erde geschwommen sind.
Titelbild
„Porträt“ eines fossilen Ichthyosaurus.Foto: iStock
Von 7. Mai 2022

Bereits vor mehr als 30 Jahren entdeckten Forscher der Universität Zürich in den Hochalpen der Ostschweiz fossile Wirbel, Rippen und einen Zahn. Aufgrund der typischen Form mussten diese von einem großen Fischsaurier stammen. Eine genauere Einordnung war jedoch lange Zeit nicht möglich, da entsprechendes Vergleichsmaterial fehlte. Eine neue Studie unter Federführung der Universität Bonn erlaubte nun einen Blick auf „größere“ Zusammenhänge.

Demnach gehören die Fossilien zu drei riesigen Fischsauriern, die eine Länge von 15 bis 20 Metern erreichten. Besonders außergewöhnlich sei jedoch der Zahn des Urzeit-Riesen, denn mit einem Wurzeldurchmesser von sechs Zentimetern ist er doppelt so groß wie der bislang größte gefundene Fischsaurier-Zahn.

Zahnwurzel von einem Fischsaurier

Die Wurzel des gefundenen Zahns hat einen Durchmesser von 60 Millimetern: Der dickste bislang entdeckte Fischsaurier-Zahn. Foto: Rosi Roth/Universität Zürich

Die ersten Fischsaurier (sogenannte Ichthyosaurier) schwammen in der frühen Trias vor rund 250 Millionen Jahren durch die Ur-Ozeane. Mit ihren langgestreckten Körpern und den relativ kleinen Köpfen erinnern sie an heutige Delphine. Kurz bevor die meisten von ihnen vor gut 200 Millionen Jahren ausstarben, entwickelten sie jedoch gigantische Formen. Mit einem geschätzten Gewicht von 80 Tonnen und einer Länge von mehr als 20 Metern hätten diese Urzeitriesen einem Pottwal Konkurrenz gemacht. Allerdings hinterließen sie kaum fossile Reste. „Warum, ist bis heute ein großes Rätsel“, betont Prof. Dr. Martin Sander, Paläontologe der Universität Bonn.

Wie es die Fischsaurier auf die heutigen Alpen schafften

Die jetzt untersuchten Funde stammen aus dem Kanton Graubünden. Ein Kollege Sanders hatte diese zusammen mit Studenten zwischen 1976 und 1990 bei geologischen Kartierungen in der Kössen-Formation gefunden. Vor mehr als 200 Millionen Jahren waren diese Steinschichten noch Meeresböden und mit jeder Menge Wasser bedeckt. Mit der Auffaltung der Alpen waren sie jedoch in 2.800 Meter Höhe gelangt. „Vielleicht schlummern unter den Gletschern noch weitere Reste der riesigen Meeresbewohner“, hofft Sander.

Der Paläontologe hat die versteinerten Knochen schon vor drei Jahrzehnten zum ersten Mal in den Händen gehalten. Doch dann gerieten die Fossilien in Vergessenheit. „In letzter Zeit sind aber weitere Reste riesiger Ichthyosaurier aufgetaucht“, erklärt der Wissenschaftler. „Daher erschien es uns lohnend, auch die Schweizer Funde noch einmal genauer zu analysieren.“

Martin Sander und sein Kollege in den Alpen

Martin Sander und sein Kollege bei Feldarbeiten an der Grenze zwischen Graubünden und Vorarlberg. Foto: Jelle Heijne/Universität Bonn

Die Fossilien stammen von drei unterschiedlichen Tieren, die vor etwa 205 Millionen Jahren gelebt haben. Von einem der Ichthyosaurier ist ein Wirbel zusammen mit zehn Rippen-Fragmenten erhalten. Ihre Größen lassen darauf schließen, dass das Reptil vermutlich eine Länge von 20 Metern hatte. Von einem zweiten Fischsaurier blieben dagegen nur eine Reihe von Wirbeln erhalten. Der Vergleich zu besser erhaltenen Skelettfunden lässt auf eine Länge von etwa 15 Metern schließen.

„Besonders spannend ist aus unserer Sicht jedoch der Zahn“, erklärt Sander. „Denn er ist für Fischsaurier-Verhältnisse riesig. Seine Wurzel hatte einen Durchmesser von 60 Millimeter – das bislang größte noch in einem vollständigen Schädel steckende Exemplar lag bei 20 Millimeter und stammt von einem Ichthyosaurier, der fast 18 Meter lang war.“

Martin Sander mit Rippe des Fischsaurier

Martin Sander mit einer Rippe des größeren Ichthyosaurier-Exemplars. Foto: Laurent Garbay/Universität Bonn

Größere Räuber als ein Pottwal sind eigentlich kaum möglich

Dass vor 205 Millionen Jahre noch weit längere Tiere die Ur-Ozeane bevölkerten als man bislang annahm, sei jedoch unwahrscheinlich. „Aus dem Zahndurchmesser lässt sich nicht direkt auf die Länge seines Besitzers schließen“, betont der Bonner Paläontologe Martin Sander. „Dennoch wirft der Fund natürlich Fragen auf.“

Bisher geht die Forschung davon aus, dass sich extremer Riesenwuchs und eine räuberische Lebensweise (die Zähne erfordert) nicht miteinander vereinbaren lassen. Nicht umsonst ist das größte Tier der heutigen Zeit zahnlos: der bis zu 30 Meter lange und 150 Tonnen schwere Blauwal. Neben ihm wirke der zahntragende Pottwal (20 Meter und 50 Tonnen) wie ein halbwüchsiges Kind.

Während der Blauwal Kleinstlebewesen aus dem Wasser filtert, ist der Pottwal ein versierter Jäger. Er benötigt also einen größeren Teil der aufgenommenen Kalorien, um seine Muskulatur zu befeuern. „Viel größer als ein Pottwal können Meeres-Raubtiere daher vermutlich gar nicht werden“, sagt Sander. Möglicherweise stamme der Zahn also nicht von einem besonders gigantischen Fischsaurier – sondern von einem Fischsaurier mit besonders gigantischen Zähnen.

Ebenfalls aus den Alpen stammen die Fossilien von VW-Käfer-großen, krokodilähnlichen Phytosauriern. Diese entdeckten Paläontologen zufällig vor fast 50 Jahren in dem „toten Gebirge“ in den österreichischen Alpen. Die vier entdeckten Exemplare waren noch nicht ausgewachsen und erreichten bereits eine Länge von vier Metern. Wie heutige Krokodile lebten die Urzeit-Reptilien einst an Land und im Wasser.

Fischsaurier "Mystriosuchus steinbergeri"

Die neu entdeckte Art „Mystriosuchus steinbergeri“ war ein krokodilähnliches Meereslebewesen, das einst in der Trias lebte. Foto: Illustration mit freundlicher Genehmigung: Mark Witton

Ein riesiger Kontinent und der Aufstieg der Dinosaurier

Mit dem Beginn der Trias vor rund 250 Millionen Jahren begann auch die Zeit der Dinosaurier. Damals besaß unser Planet nur einen einzigen Kontinent namens Pangäa, mit einem nördlichen (Laurasia) und einem südlichen Teil (Gondwana). Dazwischen befand sich der riesige Meeresgolf der Tethys, das von Fischsauriern, Schnecken, Fischen und Fröschen bewohnt wurde.

Auf dem Kontinent herrschte warmes und trockenes Klima, die Landschaft war von vielen Wüsten und wenigen Binnengewässern geprägt. Durch sie wanderten bis zu sechs Meter lange und 2,5 Meter hohe pflanzen- und fleischfressende Dinosaurier sowie Krokodile, Schildkröten und erste kleine Säugetiere.

Erde in der Trias

Die Erde in der Trias mit ihrem Superkontinent Pangäa. Foto: iStock

Am Ende der Trias nahm die biologische Vielfalt jedoch ein jähes Ende. Schätzungen zufolge verschwanden dreiviertel aller Tierarten durch ein globales Massenaussterben, dessen Ursache bis heute nicht eindeutig nachgewiesen ist.

Wissenschaftler vermuten heute, dass intensive vulkanische Aktivitäten und der damit verbundene Ausstoß von Gasen den Anstoß für das Massenaussterben am Ende der Trias gab. So schlug eine Forschergruppe um Alex Kasprak in ihrer Studie vor, dass aufgrund der veränderten Umweltbedingungen der Sauerstoffgehalt in den Ozeanen stark abnahm und schließlich Ökosysteme zusammenbrachen. Die Geologen um Manfredo Capriolo vermuten dagegen, dass ein enormer Kohlenstoffdioxid-Anstieg zu starker Erderwärmung und der Versauerung von Ozeanen führte.

Fauna der Trias

Künstlerische Darstellung der Trias-zeitlichen Tierwelt. Foto: Jeannette Rüegg/Heinz Furrer, Universität Zürich

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 43, vom 7. Mai 2022.



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