Einkorn, Emmer, Dinkel: Studie findet große Unterschiede bei Proteinen in Getreide

Eine umfangreiche Studie zur Gesamtheit der Proteine in fünf Weizenarten zeigt starke Unterschiede, auch innerhalb eines Getreides. Die Autoren sehen darin die Grundlage für weitere Forschung und gezielte Züchtung.
Einkorn (Triticum monococcum) auf einem Feld bei Göttingen.
Einkorn (Triticum monococcum) auf einem Feld bei Göttingen. Das Getreide ist eine der frühesten kultivierten Weizenformen.Foto: iStock
Epoch Times20. Juni 2023

Die fünf Weizenarten Einkorn, Emmer, Dinkel sowie Hart- und Weichweizen und ihre Sorten unterscheiden sich deutlich in der Zusammensetzung ihrer Proteine. Dies ist das Ergebnis einer groß angelegten Studie der Universität Hohenheim (Stuttgart) und der Universitätsmedizin Mainz. Insgesamt identifizierten die Forscher fast 3.000 verschiedene Proteine.

Neben dem Anbauort spielt laut den Autoren vor allem die jeweilige Sorte eine Rolle. Das wiederum könnte genutzt werden: Proteine, deren Vorkommen vorwiegend von der Sorte abhängt, könnten durch zielgerichtete Züchtung beeinflusst werden – für eine bessere Backqualität, für bessere Erträge, aber auch für eine bessere Verträglichkeit.

Verwandt und doch verschieden

Der Weizen ist ein wichtiges und in der Regel gesundes Grundnahrungsmittel für die menschliche und tierische Ernährung. Zusammen mit Ballaststoffen, Mineralien und Vitaminen liefert er bei einem Verzehr von 100 bis 150 g Weizenmehl rund 20 Prozent der täglich benötigten Menge an Eiweiß.

Gleichzeitig sind die Proteine im Weizenmehl wichtig für seine Backqualität. Deshalb ist die Kenntnis über die Gesamtheit aller im Getreide gebildeten Proteine, das sogenannte Proteom, von großer Bedeutung. – Das gilt sowohl für die Wahl der richtigen Sorte als auch für die weitere zielgerichtete Züchtungsforschung.

Weizen ist jedoch nicht gleich Weizen. Auch wenn sie botanisch eng miteinander verwandt sind, unterscheiden sich die Inhaltsstoffe von Brot- oder Weichweizen (Triticum aestivum aestivum) und Hartweizen (Triticum turgidum durum) sowie von Dinkel (Triticum aestivum spelta), Emmer (Triticum turgidum dicoccum) und Einkorn (Triticum monococcum monococcum). Bislang gab es für einen direkten Vergleich jedoch nur wenige aussagekräftige Daten.

Vor diesem Hintergrund analysierten Forscher der Universitäten Hohenheim und Mainz die Gesamtheit aller im Vollkornmehl enthaltenen Proteine dieser fünf verschiedenen Weizenarten. Von jeder Art untersuchten sie je zehn Sorten. Um auch den Einfluss von Umweltfaktoren zu erfassen, wurden diese jeweils an drei verschiedenen Standorten angebaut.

Insgesamt konnten sie in 150 Mehlproben 2.896 verschiedene Proteine identifizieren – in jeder einzelnen Art über 2.500. Dabei unterschied sich bei den einzelnen Arten rund die Hälfte aller Proteine. „Nach unserem Wissen ist das eine der umfangreichsten Proteom-Studien bei Getreide, die es bisher gab. Sie setzt einen Meilenstein für eine zukünftig deutlich zielgerichtetere Proteinforschung bei Weizen“, ist Prof. Dr. Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt an der Universität Hohenheim überzeugt.

Abhängig von Standort und Sorte

Für ihre Analysen glichen die Forschenden die gefundenen Proteine beziehungsweise Teilbereiche von ihnen mit verschiedenen Datenbanken ab – sofern möglich. Allerdings wurde ein Großteil bisher noch nicht genauer untersucht. „Viele der bekannten Proteine spielen eine Rolle für die Produktqualität, etwa bei der Bildung von Getreidestärke oder bei der Stressregulierung der Pflanzen, aber auch bei allergischen Reaktionen beim Menschen“, erklärt der Weizenfachmann.

Ein nennenswerter Anteil der Proteine werde dabei infolge von Umwelteinflüssen gebildet. Anderseits träten viele Proteine verstärkt in bestimmten Sorten auf. In Einkorn fanden die Forscher insgesamt 2.540 Proteine, wovon 1.940 an allen drei Standorten in mindestens einer Sorte gebildet werden.

„Da hierfür in erster Linie genetische Faktoren verantwortlich sind, ist dies ein guter Ansatzpunkt, um bessere Weizensorten auszuwählen und zu züchten“, so Longin weiter.

Deutlich weniger allergene Proteine in Einkorn

Longins Co-Autor Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan von der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ergänzte: „Bis zu zehn Prozent der Menschen, die mit Weizenmehl hergestellte Produkte essen, klagen hinterher über Beschwerden.“

Doch auch hier ist eine Unterscheidung angebracht. So können die im Weizen enthaltenen Proteine zur sogenannten Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität (NCWS) führen, die bisher weniger gut definiert war. Weitere Beschwerden können Zöliakie, eine durch Glutenproteine im Weizen hervorgerufene entzündliche Dünndarmerkrankung, oder eine klassische Weizenallergie mit „Sofortwirkung“ sein. „Daneben gibt es aber auch eine viel häufigere Weizenallergie vom verzögerten Typ, insbesondere bei Patienten mit der Diagnose Reizdarm“, so Schuppan weiter.

Ebenso verschieden sind die untersuchten Weizenarten hinsichtlich der potenziell allergenen Proteine. So weisen Weichweizen und Dinkel in etwa die gleiche Gesamthäufigkeit an Allergenen auf. Im Vergleich dazu enthalten Hartweizen und Emmer nur etwa die Hälfte davon. Beim Einkorn sind sie sogar um das 5,4-Fache reduziert. Eine Erklärung für dieses Phänomen haben die Forscher bislang nicht.

Vor allem die Menge an sogenannten ATIs (Alpha-Amylase/Trypsin-Inhibitoren) unterscheide sich erheblich. „Sie stehen im Verdacht, für Entzündungsreaktionen verantwortlich zu sein“, erläutert Prof. Dr. Stefan Tenzer vom Institut für Immunologie der Universitätsmedizin Mainz. „Im Vergleich zu den anderen Weizenarten weist Einkorn eine deutlich geringere Menge an ATIs auf.“

Potenzial von Einkorn weitgehend unbekannt

Die Forscher weisen jedoch darauf hin, dass sie das allergene Potenzial ausschließlich durch Abgleich mit Datenbanken, die auch mögliche allergene Proteine auflisten, abgeschätzt haben. Ob diese Ergebnisse auch klinisch relevant sind, müssten gezielte Studien zeigen. „Vor dem Hintergrund unserer Ergebnisse wäre eine klinische Studie mit Einkorn im Vergleich zu modernem Weizen besonders interessant“, so Schuppan. Dabei kann die umfassende Kartierung beispielsweise helfen, repräsentative Testnahrungen zu entwerfen.

„Um verträglichere Produkte insbesondere für Menschen mit weizenbedingten Erkrankungen zu finden, müssen wir zudem auch untersuchen, welchen Einfluss verschiedene Verfahren bei der Mehl- und Brotherstellung wie beispielsweise eine lange Sauerteiggärung auf die Allergene haben“, betont Longin.

Neben der geringeren Menge an potenziellen Allergenen enthält Einkorn im Vergleich zu Weichweizen mehr Eiweiß und deutlich höhere Mengen an sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen. Auch aus landwirtschaftlicher Sicht sei Einkorn interessant: „Es besitzt eine fast vollständige Resistenz gegen Pilze. Außerdem kann es wahlweise vor oder nach dem Winter ausgesät werden, was bei anderen Getreidearten nicht der Fall ist“, sagte Longin.

Allerdings liefert Einkorn auch unter guten Bodenbedingungen einen sehr viel geringeren Ertrag als Weichweizen. „In Grenzertragslagen jedoch, wie sandigen Böden, höheren Lagen in Gebirgsregionen oder dort, wo der Einsatz von Stickstoffdünger nicht möglich ist, werden mit Einkorn gute Ergebnisse erzielt, während die Produktivität von Weichweizen sinkt“, beschreibt der Wissenschaftler ein mögliches Einsatzgebiet. (agrar-PR/ts)



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