Der Geist eines geheimnisvollen Volkes

Warum Tibet einfach anders ist...
Titelbild
(Bergman/Bundesregierung via Getty Images)
Von 8. April 2008

Der tibetische Buddhismus bildete sich aus einer Mischung von indischer buddhistischer Tradition mit der in Tibet vormals verbreiteten „Bön“-Religion. Diese wies schamanistische Züge auf und beinhaltete bereits das besondere Naturverständnis der Tibeter. Erst im 7. nachchristlichen Jahrhundert kristallisierte sich die für Tibet charakteristische Ausprägung des Buddhismus heraus.

Ein Grund für die starke Verknüpfung von Glaubenswelt und Lebensalltag des Landes ist zweifellos die klimatische und geographische Lage Tibets: Auf dem Hochplateau, umgeben von Gebirgszügen und im Süden durch den Himalaya abgeschirmt, sind auf durchschnittlich 4.500 Metern Höhe die Lebensbedingungen denkbar härter als andernorts. Bei Temperaturen, die tags weit über 20 Grad und nachts auf Minus 10 Grad sinken, gedeihen nur wenige Planzen und die Möglichkeiten zum Anbau von Getreide sind sehr eingeschränkt. Dafür spielen Nutztiere wie Schafe und Yaks eine umso wichtigere Rolle als Nahrungslieferanten.

Die Menschen Tibets haben über Jahrtausende gelernt, im Einklang mit der Natur zu leben – um zu überleben. Das Wissen um die Wichtigkeit des Zusammenhalts zwischen den Menschen und die Wertschätzung der wenigen Geschenke der Natur prägten ihren Charakter. Auf vielen tibetischen Gebetsfahnen, die sogar in den verlassensten Gebirgs-Gegenden im Wind flattern, finden sich Wünsche wie: „Mögen alle fühlenden Wesen von der Ursache ihres Leidens erlöst werden.“ Nach tibetischem Glauben werden diese Gebete mit jedem Windhauch in den Himmel getragen. „Der Mensch kann nicht glücklicher sein, als alle um ihn herum es sind“, sagt der Dalai Lama – und mit diesen Worten lässt sich das tibetische Weltverständnis sehr gut charakterisieren.

Trotz ihrer harten Lebensumgebung haben sich die Tibeter eine Ausdauer und Offenherzigkeit bewahrt, die uns, die wir in der an   Egomanie grenzenden westliche Zivilisation leben, nur erstaunen lassen kann. Kein Wunder, dass immer mehr Touristen sich auf ihrer inneren Sinnsuche nach Tibet begeben und der Dalai Lama mit seiner heiteren Gelassenheit im Westen zur Ikone dieser merkwürdig anderen Lebenseinstellung avanciert.

Blickt man auf Tradition und Geschichte des Landes, bemerkt man, dass die vielen Debatten, die aktuell in öffentlichen Medien und auf Internetseiten geführt werden, niemals der kulturellen Einzigartigkeit dieses Landes und seiner Bewohner gerecht werden können.

Worin besteht eigentlich diese tibetische Kultur, deren Verlust einige erklärte Tibetfreunde beklagen, von der andere (einschließlich der KPCh) wiederum behaupten, sie wäre eine rückständige Lebensform, da sie sich seit tausend Jahren nicht verändert hätte?

Woran soll der Erfolg einer Kultur gemessen werden? Man kann natürlich den wirtschaftlichen und technischen Maßstab zugrunde legen. Dann sind die Tibeter von Grund auf ein rückständiges und skurriles Völkchen, da sie bis zu Beginn der fünfziger Jahre das Rad als Transportmittel abgelehnt haben – weil es als heilig galt. Statt Fahrzeugen benutzten sie lieber Lasttiere. Aber vielleicht ist gerade ihre unerschütterliche Ruhe und Geduld, die sie nicht zuletzt aus ihrer buddhistischen Tradition schöpfen, ihr Weg, um gewalttätiger Unterdrückung oder subtiler Vereinnahmung die Stirn zu bieten.

Eine alte tibetische Fabel erzählt von einer Schar Affen, die ins Wasser fallen, als sie versuchen, den Mond aus einem Brunnen zu holen. Sie sehen die Spiegelung des Mondes auf der Wasseroberfläche, bilden eine Kette und hangeln sich am Ast eines Baumes bis zur Stelle vor, an der sie den Mond vermuten. Dabei bricht der Ast unter ihrem Gewicht ab, und der Mond zerstiebt in tausend Tropfen, als sie ins Wasser stürzen. „So werden die Narren dem Untergang entgegen gehen, wenn sie einen närrischen Anführer haben“, fasst eine Gottheit der Erzählung nach die Moral der Geschichte zusammen.

Wenn Tibet es schafft, seine Jahrtausende alte innere Stärke zu bewahren, wird es damit auch die Essenz seiner Kultur erhalten können, egal welche Maßnahmen „närrische Eindringlinge“ auch anstrengen mögen.

(Bergman/Bundesregierung via Getty Images)
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