Wie Kunst traumatisierten Veteranen hilft

Der Maler Tim Gagnon gibt Veteranen mittels Kunst die Möglichkeit, wieder in das alltägliche Leben zurückzufinden und Kriegserlebnisse zu verarbeiten – denn der ehemalige Soldat ist sich sicher: Ein Bild kann manchmal mehr wert sein als tausend Worte.
Mit Kunst will Tim Gagnon Veteranen helfen
Tim Gagnon malt vor einem Live-Publikum.Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Tim Gagnon, Zuschnitt Epoch Times

Veteranen, die aus dem Krieg nach Hause kommen, tragen oft schreckliche, tief in ihre Erinnerungen eingebrannte Bilder mit sich. Das Erlebte zu verarbeiten und wieder ein normales Leben zu führen, fällt vielen von ihnen schwer.

Genau dabei möchte der US-amerikanische Künstler Tim Gagnon den ehemaligen Soldaten helfen. So versucht er die schrecklichen Bilder durch etwas zu ersetzen, das den Veteranen Frieden bringen wird: ihre eigene Kunst.

Vom Steuer zum Pinsel

Tim Gagnon war als Soldat bei der Air Force im Einsatz. Heute ist er jedoch als „Feuermaler“ tätig – ein trefflicher Name, denn manchmal setzt er seine Pinsel in Flammen. Zusammen mit der gemeinnützigen Organisation Patriot Art Foundation bringt er Veteranen die einfache Freude an Kunst bei. Es soll sie von dem lösen, was sie im Krieg erlebt haben, und sie dazu bringen, etwas mit ihren Händen zu schaffen.

Viele Veteranen sprechen nicht gerne über ihre Erlebnisse im Krieg, da ihre eigenen Worte die Situation manchmal noch verschlimmern können. Indem sie sich auf Kreativität statt auf schmerzhafte Erinnerungen konzentrieren, kann ihre Seele heilen.

Ein Feuermaler bringt Veteranen das Malen bei

Tim Gagnon ist als „Feuermaler“ für seine einzigartigen Malvorführungen bekannt. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Tim Gagnon

Gagnon trat im Alter von 19 Jahren als Grafikspezialist in die Air Force ein. Bereits in seiner Schulzeit war der ehemalige Soldat für sein malerisches Talent bekannt. So gestaltete Gagnon ein Comicbuch, das an alle Schulkinder in seinem Heimatstaat New Hampshire verteilt wurde.

„Ich wurde als Künstler geboren und werde auch als Künstler sterben“, sagte Gagnon gegenüber The Epoch Times.

Friedliche Erinnerungen für Veteranen schaffen

Nachdem er vier Jahre beim Militär gedient hatte, ebnete ihm sein Talent schließlich einen anderen Weg. Jener führte zu Mary Whyte, einer renommierten Künstlerin, die die Patriot Art Foundation gegründet hatte. Gemeinsam mit ihrer Organisation hilft sie Veteranen bei der Heilung, indem sie ihnen das Malen und Zeichnen beibringt. Whyte motivierte Tim Gagnon dazu, seine künstlerischen Fähigkeiten weiterzugeben – und inzwischen gibt er achtwöchige Onlinezeichenkurse für Veteranen in Krankenhäusern.

Gagnon machte dabei die Erfahrung, dass das Erlernen der „Kraft der visuellen Kunst“ für traumatisierte Veteranen manchmal effektiver sein kann, als über ihre schmerzhaften Erinnerungen zu sprechen.

„Es gibt Erlebnisse, die unsere Veteranen durchgemacht haben, für die es absolut keine Worte gibt. Nichts könnte dies ausdrücken, ohne dass sie noch traumatisierter würden. Darüber zu sprechen, kann für sie manchmal alles noch verschlimmern“, erklärt Gagnon.

Zeichnung eines Veteranen

Bei dieser Übung malten Veteranen geometrische Figuren und übten dabei das Zeichnen von Formen und Schattierung. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Tim Gagnon

Er kennt selbst Veteranen, die von ihren Erlebnissen und Gefühlen überrollt werden, wenn sie über ihre Dienstzeit sprechen. In der Kunst können sie mit einem Stift oder Pinsel neue, friedlichere Erfahrungen kreieren und so ihre Gefühle beruhigen.

„Es gibt einfach bestimmte Emotionen, bei denen Worte manchmal mehr schaden als nützen. Wenn wir einer Person beibringen, wie man zeichnet oder malt, bringen wir ihr bei, wie sie ihre Gefühle auf nonverbale Weise verarbeiten kann“, so Gagnon.

Mit einem Skizzenblock „bewaffnet“

Künstler und Schriftsteller kennen die Situation, in der sie nur eine leere Leinwand oder ein leeres Blatt Papier vor sich haben, so Gagnon. Und genau diese Erfahrung kann auch einem Veteranen helfen – denn „wenn man zeichnet und malt, schaltet man den Planeten Erde sozusagen aus“. Die Welt um einen herum verschwindet, die Zeit bleibt stehen, und man konzentriert sich auf das, was man erschafft.

Als Erweiterung der eigenen Persönlichkeit aus dem Nichts etwas zu machen, kann für die ehemaligen Soldaten eine heilsame Erfahrung sein, erklärt Gagnon. Außerdem ermöglicht dies ihnen, sich auszudrücken, wenn Worte allein nicht ausreichen.

Er erzählt das Beispiel eines Veteranen aus einer seiner Klassen, den die Kunst völlig in Bann zieht.

„Jetzt trägt er überall einen Skizzenblock mit sich herum. Er hat sein Ding gefunden. Er kommt wirklich aus sich heraus – er drückt sich selbst viel besser aus. Und er hat viel mehr Ruhe gefunden und freut sich wieder auf den Tag. Früher bereitete ihm das Aufwachen nicht gerade Vergnügen“, so Gagnon.

Veteranen lernen Theorie der Kunst

Die Schüler von Tim Gagnon lernen künstlerische Prinzipien wie Farbwerte. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Tim Gagnon

Kostenlose Selbstheilung

Neben den einfachen Soldaten hat Tim Gagnon auch bereits mit Veteranen von Elitetruppen des Militärs zusammengearbeitet. Er vergleicht ihre Situation mit jener des berühmten Marvel-Superhelden „Captain America“.

Sie alle waren in einer Schock-Situation, nachdem sie ihren Dienst bei Spezialeinheiten aufgaben und dann nicht mehr wussten, was sie mit ihrer nun freien Zeit oder ihren Gefühlen anfangen sollten. „Wenn man beim Militär ist, weiß man, wer man ist. Man hat eine Identität. Wenn man rauskommt, gerät man oft in eine Krise“, erklärt Gagnon.

Die Kurse werden über Zoom abgehalten, wobei die Therapeuten in den Krankenhäusern anwesend sind. Der Unterricht und das Kunstmaterial sind für die Veteranen kostenlos. Gagnon versucht den Unterricht locker zu gestalten, indem er sich nur auf die Kunst konzentriert und nicht über die militärischen Erfahrungen spricht. Am Ende des achtwöchigen Kurses werden die Veteranen in der Lage sein, das Porträt einer ihnen gegenübersitzenden Person zu zeichnen – und hoffentlich das Gelernte nutzen, um einen friedvollen und zufriedenstellenden Lebensentwurf zu gestalten.

Am Ende können die Veteranen ein Portrait malen

Am Ende des Kurses setzen die Schüler das Gelernte in die Praxis um, indem sie ein Porträt zeichnen. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Tim Gagnon

Ein Kreuz aus 66 Bibelbildern

Gagnons eigene Zeit beim Militär führte ihn zu seinem jüngsten Werk, das Buch „The Illuminated Messiah“. Hierin sind 66 farbenfrohe Bilder von Jesus zusammen mit Bibelversen abgedruckt. Setzt man diese Bilder auf eine bestimmte Weise zusammen, ergeben sie ein 3,65 Meter großes Kreuz mit dem gekreuzigten Jesus. Doch woher nahm der Künstler seine Inspiration?

Sein befehlshabender Offizier war ein gläubiger Christ. Er bat ihn, religiöse Bilder für seine Sonntagsschulklasse zu malen. Er bestand darauf, dass die Bilder biblisch korrekt waren und wollte, dass Gagnon die zum Thema gehörenden Bibelstellen studierte.

„Er lehrte mich auch, dass Gott einen Plan für meine Kunst hat. Wenn man sagt, dass ich ein gottgegebenes Talent habe, dann hat Gott mir das aus einem bestimmten Grund gegeben. Und deshalb erschaffe ich heute erzählende Bibelbilder“, sagte Gagnon.

Der Künstler nimmt seine Tafeln mit in Kirchen und verwandelt sie für ein Wochenende in Kunstmuseen. Außerdem stellt er das Kreuz auf und malt oft während eines Gottesdienstes neue Bilder.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Gagnon ist stolz darauf, mit seinem Unterricht für Veteranen etwas zu bewirken. In seinem Fall ist eine leere Leinwand ein mächtiges Werkzeug, um den Soldaten zu helfen, ihr Leben nach dem Militärdienst in Frieden zu leben.

„Durch die Kunst können sie ihre Emotionen ausleben, aber auf eine positive Art und Weise. Es gibt nichts Vergleichbares zu dem Akt, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen“, sagt er. In diesem Fall ist ein Bild vielleicht mehr wert als tausend Worte, die möglicherweise unausgesprochen bleiben müssen.

Das Beispiel von Tim Gagnon zeigt, dass auch alternative, künstlerische Methoden bei der Bewältigung von Traumata hilfreich sein können. In Deutschland wird dagegen überwiegend die konventionelle psychologische Therapie praktiziert.

Veteranen in Deutschland

Eine Behandlung traumatisierter und noch aktiver Soldaten findet überwiegend innerhalb der Bundeswehr statt. Neben Gesprächen wird vor allem auf Bewegungstherapien, Entspannungsverfahren und Imaginationsverfahren gesetzt. Zusätzlich werden oft Medikamente wie Antidepressiva oder Beruhigungsmittel verschrieben, die zwar Symptome lindern, aber deren Ursache nicht bekämpfen. Wahre Ausreißer sind dagegen Projekte wie Diving for all, die den Soldaten mit Tauchgängen bei der Bewältigung von Traumata helfen sollen.

Wesentlich schwieriger haben es dagegen Veteranen, da für sie der Anspruch auf Hilfe seitens der Bundeswehr mit dem Dienstende versiegt – und um genau diese Menschen kümmern sich Vereine und Organisationen wie der Bund Deutscher EinsatzVeteranen e.V. Neben Sport kommen dann auch Begleithunde oder Therapien mit Pferden zum Einsatz.

Mit dem hierzulande erstmals am 15. Juni gefeierten Nationalen Veteranentag erhalten die ehemaligen deutschen Soldaten künftig vielleicht vermehrt Aufmerksamkeit, sodass sie mehr Unterstützung bei der Bewältigung ihrer traumatischen Erlebnisse erhalten und ebenfalls wieder ein Leben in Ruhe und Frieden führen können.



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