Allein an den Feiertagen? Initiative hilft bei Einsamkeit auf die Sprünge

Flackernde Kerzen, leuchtende Kinderaugen, raschelndes Geschenkpapier. Es ist Weihnachten. Was für die einen besinnliche Stunden im Kreise ihrer Lieben bedeutet, ist für andere eine Horrorvorstellung – weil sie einsam sind.
Titelbild
Viele Menschen verbringen das Jahresende in Einsamkeit. Das muss nicht sein.Foto: iStock
Von 24. Dezember 2023

Keine Frage, man kann es sich an Weihnachten und Silvester auch allein zu Hause gemütlich machen. Aber für all jene, die unfreiwillig die Festtage in Einsamkeit verbringen, sind die bevorstehenden Tage ein Graus. Christian Fein kennt solche Weihnachten. Er hat Heiligabend 2016 allein in seiner Wohnung in Ludwigshafen verbracht, wie der „Stern“ berichtet.

Als er frierend auf dem Balkon eine Zigarette rauchte und die leer gefegten Straßen betrachtete, stellte er sich vor, wie in anderen Wohnungen Freude und Besinnlichkeit einzog, Menschen gemeinsam lachten und Geschenke auspackten. Sieben Jahre hatte er Weihnachten mit seiner Frau unter dem Tannenbaum gesessen – doch jetzt feierte sie mit ihrer Familie, zu der er nicht mehr gehörte.

„In diesem Moment wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich nicht allein sein wollte“, schildert er. So zückte er am Heiligabend sein Mobiltelefon und twitterte: „Ich finde ja, wer zu Heiligabend alleine ist, sollte unter #KeinerTwittertAllein heute Gesellschaft finden. Verbreitet die Kunde!“

Und wie sich diese Kunde verbreitete! Ständig trudelten neue Kommentare ein. Zwar äußerten manche, „an so nem nervigen Pflicht-Familien-Event“ wie Weihnachten gern allein zu sein, andere aber zeigten sich äußerst dankbar für diesen Hoffnungsschimmer, der ihnen soziale Verbundenheit vermittelte.

Im Folgejahr ging es für Fein bergauf. Er lernte eine neue Partnerin kennen und zog mit ihr zusammen. Doch trotz dieser trauten Zweisamkeit beschlich ihn vor Weihnachten wieder ein bekanntes Gefühl. Erneut kamen ihm die vielen Menschen in den Sinn, die das Fest der Liebe in Einsamkeit verbringen würden.

Da bin ich auf diese völlig naive Idee gekommen: Was wäre, wenn ich diese Leute einfach zusammenbringe?“, so Fein.

Also twitterte er erneut. Von rund 2.700 Menschen konnte er einige hundert miteinander vernetzen.

Freundschaften fürs Leben

Seither ist sein Projekt „#KeinerBleibtAllein“ auf über 150.000 Teilnehmern in den sozialen Netzwerken Facebook, X, Instagram und Mastodon gewachsen. Ein Datingportal, also Partnervermittlung, biete er jedoch nicht an, machte Fein in einem ZDF-Interview klar. Bei ihm gehe es einfach um ein Miteinander. Allerdings gebe es unter den Teilnehmern inzwischen auch solche, die geheiratet haben.

Über 12.000 Menschen hat Fein bereits ein gemeinsames Weihnachtsfest verschafft. Einer von ihnen ist der 31-jährige Patrick. Als er das erste Mal von #KeinerBleibtAllein hörte, dachte er: „Da gehört bestimmt viel Mut dazu, mein Weihnachten mit meiner kleinen Familie zu teilen.“ Dann gab er jedoch seinem Herzen einen Stoß und meldete sich als Gastgeber. Ein paar Tage später wurde ihm Marco als Kontakt vorgestellt. „Wir quatschten, wir trafen uns und hatten einen tollen Abend“, erinnert sich Patrick. Auch jetzt treffen sich die beiden Männer noch regelmäßig.

„Für das Jahr 2023 geht ein lange gehegter Wunsch vieler von Einsamkeit Betroffenen in Erfüllung: Die Initiative weitet das Angebot der ehrenamtlichen digitalen Vermittlung zum Jahresende, zu einer Informationsplattform gegen Einsamkeit und Alleinsein bei jungen Erwachsenen und Menschen mittleren Alters aus“, freut sich der Projektleiter.

So werden nicht nur zu Weihnachten, sondern auch für Silvester ehrenamtlich Kontakte vermittelt, damit keiner allein ins neue Jahr rutschen muss. Genutzt werden dafür ausschließlich die Nachrichtensysteme von Facebook und Instagram. Auf TikTok wird lediglich auf die Vermittlungsmöglichkeiten hingewiesen, eine Kontaktvermittlung gibt es dort nicht.

Silbernetz-Hotline für Senioren

Eine spezielle Hotline in Berlin bietet auch über die Feiertage ein offenes Ohr für einsame Senioren. Ab dem 24. Dezember bis Neujahr ist das „Silbernetz“ deutschlandweit erreichbar, wie eine Sprecherin des Berliner Vereins mitteilte.

Im Vorjahreszeitraum klingelte das Telefon ganze 5.628-mal. Die meisten der Anrufer wollen laut Verein „einfach mal reden“ (84 Prozent). 58 Prozent sprechen demnach über Einsamkeit und 68 Prozent über körperliche Beschwerden.

„Es macht mich gleichzeitig froh und traurig, wie Silbernetz sich entwickelt, wie dringend es gebraucht wird – jedes Jahr rund 20 Prozent mehr Anrufe mit all den Themen, die Ältere in ihrer so einzigartigen Vielfalt beschäftigen“, sagte Silbernetz-Initiatorin Elke Schilling in einer Mitteilung.

Bis Mitte Dezember verzeichnete das Silbernetz in diesem Jahr bereits 148.000 Anrufe. Pro Woche waren das im Schnitt 1900 Anrufe. 20 Prozent der Anrufenden waren Männer, 80 Prozent Frauen. Die meisten Anrufe kamen aus Berlin, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.

Von Heiligabend um 8 Uhr bis Neujahr um 22 Uhr ist das Silbertelefon unter +49 800 4 70 80 90 rund um die Uhr erreichbar.

Telefonseelsorge

Kostenlose Hilfe für psychisch angespannte oder erkrankte Menschen gibt es auch auf anderen Plattformen wie der Telefonseelsorge.

+49 800 1110111 oder 800 1110222: Die Telefonseelsorge ist kostenlos, anonym und rund um die Uhr erreichbar. Das Angebot der christlichen Kirchen berät auch Menschen ohne Konfession. Wem es schwerfällt, über seine Probleme zu sprechen, kann auch schriftlich einen Kontakt zum Berater herstellen. Notwendig dafür ist ein Onlinezugang.

(Mit Material von dpa)

 



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