Heiligkeit als Schwäche? Sandra Hüller überrascht mit DLF-Statement

Für die preisgekrönte Schauspielerin Sandra Hüller ist das Wort „heilig“ keineswegs positiv konnotiert. Es stehe für etwas, auf das man nicht verzichten könne. Das erwecke bei ihr eher Assoziationen von Schwäche, Unfreiheit und Gewalt.
Schauspielerin Sandra Hüller mit dem Europäischen Filmpreis. Es könnten weitere Trophäen folgen.
Schauspielerin Sandra Hüller gewann Mitte Dezember 2023 für "Anatomie eines Falls" den Europäischen Filmpreis.Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 27. Dezember 2023

Gerade ist er vorbei, der „Heiligabend“. Doch ginge es nach der deutschen Schauspielerin Sandra Hüller („Toni Erdmann“, „Anatomie eines Falls“), dann könnte der Eintrag „heilig“ im Duden wegfallen.

„Es gibt bestimmt Dinge in meinem Leben, die mir wichtig sind, und Menschen auch, und Wesen undsoweiter“, sagte Hüller bereits eine knappe Woche vor dem Weihnachtsfest im Gespräch mit dem „Deutschlandfunk Kultur“ (DLF), „aber der Begriff ‚heilig‘ kommt tatsächlich in meinem Wortschatz nicht vor“. „Apollo News“ hatte das Thema als erstes Medium aufgegriffen, nachdem der öffentlich-rechtliche Radiosender in seinen Social-Media-Kanälen darüber berichtet hatte.

Das ist ein so großes und eben ausschließliches Wort. Darin liegt eben auch eine gewisse Gewalt. Das ist mein Gefühl dazu.“ (Sandra Hüller)

Bei dem beinahe fünf Minuten langen Audiobeitrag, in dem allein Hüller zu Wort kam, handelte es sich um seinen Teil der langjährigen DLF-Adventsserie „Was mir heilig ist“. Hüller outete sich als „Pazifistin“, ohne jedoch näher auf die aktuellen Konflikte im Gazastreifen oder in der Ukraine einzugehen (Audio bei „Deutschlandfunkkultur.de“).

„Da hab‘ ich als Pazifistin irgendwie Schwierigkeiten damit“

Sie habe gewisse Schwierigkeiten mit dem Begriff „heilig“, sagte Hüller, denn der habe aus ihrer Sicht „so etwas Ausschließliches“. Das Wort sei immerhin benutzt worden, um „bestimmte Arten“ von „relativ brutaler Abgrenzung auch zu rechtfertigen oder so“. „Wenn etwas heilig ist, bedeutet das auch immer, das man es beschützt, gegen Feinde vielleicht oder Menschen, die einem das wegnehmen wollen“, erklärte Hüller, „und da hab‘ ich als Pazifistin irgendwie Schwierigkeiten damit“. Der Mensch sei schließlich so „gemacht“, dass er „auf alles verzichten“ könne, wenn es sein müsse.

Sie selbst würde beispielsweise nie sagen, dass ihr ihr Morgenkaffee „heilig“ sei. Sie würde eher darüber nachdenken, ob Menschen, die so etwas äußerten, das Wort vielleicht benutzten, „um diese Sucht zu verschleiern oder diese Unverzichtbarkeit“. „Eigentlich komm‘ ich dann immer darauf, wenn einem was heilig ist, dann ist es irgendwie ’ne Schwäche“. Denn sie glaube, dass der Mensch „auf alles verzichten“ könne und auch „auf alles verzichten können“ müsse. „Weil man ansonsten einfach nicht frei ist“, so Hüller im DLF.

„All-Einigkeit oder Verbundenheit“

Ihr sei „vielleicht das Gefühl, was man damit verbindet“ und „’ne Art von All-Einigkeit oder Verbundenheit“ durchaus bekannt, räumte Hüller ein. „Das ist aber nicht an irgendetwas gebunden, sondern das überfällt mich von Zeit zu Zeit“, schilderte die derzeit womöglich angesagteste deutsche Actrice ihre Gedanken. „Und dann freu‘ ich mich darüber. Das ist aber nichts, was herstellbar wäre oder festzuhalten wäre oder sonst etwas“. Sie stelle das Gefühl zuweilen beispielsweise im Theater, „auf einer Wiese“, bei einem Film oder in dem Moment fest, in dem sie „einen geliebten Menschen“ beobachte.

Manchmal könne aber auch ein „großer Verlust“ oder ein „schreckliches“ Geschehen der Auslöser sein oder auch jener Augenblick, in dem sie sich daran erinnere, „wie klein“ beziehungsweise „wie unbedeutend“ der Mensch eigentlich“ sei. Ihr komme es dann so vor, als sei das Bewusstsein weniger gedanklich als körperlich.

„Heilig“ – was bedeutet das eigentlich?

Nach Angaben des Duden kann der Begriff „heilig“ in drei grundsätzlichen Bedeutungsvarianten erscheinen: erstens meint das Wort „göttlich vollkommen und daher verehrungswürdig“, „von göttlichem Geist erfüllt; göttliches Heil spendend“ oder „von sittlicher Reinheit zeugend, sehr fromm“, zweitens „Ehrfurcht einflößend; unantastbar“. Zum Dritten kann „heilig“ auch „groß, entsetzlich“ bedeuten, wenn das Wort umgangssprachlich im Kontext mit etwas Unangenehmen verwendet wird.

Die Herkunft des Begriffs liegt nach Informationen von „Apollo News“ im Althochdeutschen, das in diesem Fall auf das Altnordische zurückgehen könnte. Letzteres sei mit einer Konnotation verbunden, die auf die Bedeutung „eigen“ oder „Eigentum“ hinwiesen. Das Althochdeutsche beinhalte dagegen Assoziationen wie „Zauber“, „Günstiges Vorzeichen“ oder „Glück“, in einer zweiten Bedeutungsebene „heil“, „gesund“, „unversehrt“ oder „gerettet“.

Zur Person: Sandra Hüller

Die gebürtige Thüringerin Sandra Hüller, Jahrgang 1978, absolvierte ihre Ausbildung nach Angaben des „Filmportals“ in den späten Neunziger Jahren an der renommierten Ernst Busch-Hochschule für Schauspielkunst in Berlin. 2003 wurde sie vom Branchenblatt „Theater Heute“ als beste Nachwuchsschauspielerin des Jahres ausgezeichnet. Der Durchbruch gelang ihr 2006 mit ihrer Rolle als Exorzismusopfer in Hans-Christian Schmids Drama „Requiem“. Für ihre Leistung erhielt sie damals den Bayerischen Filmpreis als beste Nachwuchsdarstellerin, den Silbernen Bären der Berlinale und die Auszeichnung als „Beste Darstellerin“ beim Deutschen Filmpreis. Seither reißen die Ehrungen nicht mehr ab.

Es folgten weitere Publikums- und Kritikererfolge wie „Madonnen“ (D/B/CH 2007, Regie: Maria Speth), „Über uns das All“ (D 2011, Regie: Jan Schomburg) und schließlich Maren Ades internationaler Überraschungserfolg „Toni Erdmann“ (D/Ö/Mon 2016, Regie: Maren Ade), in dem Hüller an der Seite von Peter Simonischek (+ 29. Mai 2023) eine junge Unternehmensberaterin verkörperte. Sowohl für die Tragikomödie als auch für Hauptdarstellerin Hüller hagelte es abermals Auszeichnungen wie den Bayerischen Filmpreis, den Preis der deutschen Filmkritik, den Kritikerpreis beim Toronto International Film Festival, den Europäischen Filmpreis und den Deutschen Filmpreis 2017. Auch für den „Academy Award“ war „Toni Erdmann“ nominiert.

Zuletzt glänzte Hüller als Schriftstellerin unter Mordverdacht in „Anatomie eines Falls“ (F 2023, Regie: Justine Triet). Hüller gewann dafür nach Angaben des DLF bereits den Europäischen Filmpreis und den Kritikerpreis der „Los Angeles Film Critics Association“, das Justizdrama selbst gewann die Goldene Palme von Cannes.

Laut DLF wurde Hüller für „Anatomie“ auch für das Rennen um die „Golden Globes“ und die „Critics Choice Awards“ 2024 aufgestellt. Ebenfalls Chancen auf einen Preis verspricht Jonathan Glazers „The Zone of Interest“ (USA/GB/PL 2023), in dem Hüller die Ehefrau des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höss spielt. Nach Angaben des DLF treten beide Filme in der Kategorie „Bester nicht-englischsprachiger Film“ des amerikanischen Kritikerverbands „Critics Choice Association“ 2024 an.



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