„Politik kann das Schlimmste in uns zum Vorschein bringen“

Nicht nur Kunst liegt im Auge des Betrachters, Moral offenbar auch. Zu diesem Ergebnis kommen US-amerikanische Wissenschaftler. Demnach drücken Menschen eher ein Auge zu, wenn Handlungen anderer ins eigene Weltbild passen – auch dann, wenn sie dieselben Taten in einem anderen Kontext ablehnen.
Politik beeinflusst die Moral
Die Politik bringt Menschen dazu, Dinge zu tun, die sie normalerweise nicht tun würden oder Verhalten zu tolerieren, das sie eigentlich nicht gut finden.Foto: iStock
Von 13. Februar 2024

Viele Menschen sind dazu bereit, ihre Moralvorstellungen zu ändern – oder sich sogar unethisch zu verhalten – wenn sie sich im politischen Bereich engagieren. Dies geht aus einer aktuellen Umfragestudie aus den USA hervor.

Laut der Studie stellt die Feindseligkeit gegenüber anderen Gruppen, wie etwa der gegnerischen Partei, den treibenden Faktor für den moralischen Zwiespalt dar. Dies zeige sich besonders, wenn die Befragten vom persönlichen zum politischen Standpunkt wechselten. Die beteiligten Forscher um Kyle Hull und Kevin Smith von der University of Nebraska-Lincoln ziehen den Schluss, dass es nicht nur eine „schuldige“ Partei gibt.

„Menschen, unabhängig von Alter oder Ideologie, waren eher bereit, sich unmoralisch zu verhalten und zu urteilen, wenn das Verhalten im politischen Bereich stattfand“, sagt Hull, Assistenzprofessor für Politikwissenschaft. „Und ein großer Teil davon wurde durch eine starke innere Abneigung gegen die ‚andere‘ Seite angetrieben.“

Favorit wird bevorzugt

Um den Einfluss zwischen Politik und moralischem Handeln näher zu untersuchen, entwickelten die Forscher eine spezielle Umfrage. In vier verschiedene Stichproben befragten die Politikwissenschaftler schließlich insgesamt 2.472 Erwachsene. Die Umfrage umfasste Skalen für unpolitisch und politisch moralisches Verhalten sowie Skalen für politische und unpolitische moralische Toleranz.

„Im Grunde genommen nahmen wir dieselbe Person und stellten ihr praktisch dieselben Fragen“, erklärt Kevin Smith, Professor für Politikwissenschaft. „Der einzige Unterschied in den Fragen besteht darin, dass wir ‚Person‘ durch ‚Politiker‘ ersetzt haben. Und das reichte aus, um das moralische Urteil der Menschen zu verändern. Es verändert sich auf eine Weise, die zu mehr Flexibilität in unseren moralischen Bewertungen führt.“

Das gilt auch für die Bewertung des schlechten Verhaltens von Politikern. So fanden die Studienautoren heraus, dass Menschen ihre favorisierten Politiker moralisch toleranter beurteilen – ähnlich, wie sie es bei einem Freund tun würden. Das heißt: Erzählte beispielsweise ihr Lieblingspolitiker oder Freund eine Lüge, war dies nicht so schlimm, wie wenn ein unbeliebter Politiker oder Feind dieselbe Lüge erzählte.

Medien schüren Zwietracht

In einem zunehmend polarisierten und oft giftigen politischen Umfeld unterstreichen die Ergebnisse den Schaden der Empörungspolitik, so die Forscher.

„Ich denke, es gibt Grund zur Besorgnis“, sagte Hull. „Solange es eine verinnerlichte Abneigung gegen die andere Gruppe gibt, besteht ein erhöhtes Risiko für schlechte Verhaltensweisen und einige Menschen sind bereit, weniger moralisch zu handeln. Die Politik bringt uns dazu, Dinge zu tun, die wir normalerweise nicht tun würden oder Dinge zu tolerieren, die wir normalerweise nicht gut finden würden. Politik kann das Schlimmste in uns zum Vorschein bringen.“

Hinzu komme, dass gewissen Interessengruppen aufgrund ihrer Handlungen oder nicht neutralen Äußerungen die Zwietracht weiter säen. „Die Art und Weise, wie manche Politiker und Medien über die andere Gruppe sprechen, schürt dieses Feuer. Je mehr wir uns darauf einlassen, die eine oder die andere Partei als die Bösen darzustellen, und je mehr wir uns so fühlen, desto eher sind wir bereit, unsere Moral beiseitezuschieben.“

Bereits früher untersuchte Kevin Smith, wie politisches Engagement und Ideologie moralische Werte und Entscheidungen beeinflusst – und nicht andersherum.

„Es schien zunächst, dass die Menschen in ihrem persönlichen Leben andere Maßstäbe für moralisches Verhalten oder moralische Entscheidungen anlegten als in der politischen Welt“, so Smith. „Genau das scheint sich bestätigt zu haben. Egal, ob Linke oder Rechte, Junge oder Alte, Reiche oder Arme: Die Politik scheint uns alle zu schlechteren Menschen zu machen.“

Die Studie erschien am 10. Januar 2024 im Fachmagazin „Political Psychology“.



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