Importabhängig: Zeitenwende für Deutschlands Stromversorgung

Die Abschaltung der Kernkraftwerke markierte eine Zeitenwende in der deutschen Stromversorgung: Aus einem Industrieland mit gesicherter Stromversorgung ist ein importabhängiges Hochpreisland geworden, dessen energieabhängige Industrie das Land verlässt. Eine Bestandsaufnahme.
Stromversorgung
Wind- und Solaranlagen – so sieht die deutsche Energiewende aus. Günstiger wurde der Strom durch diese Energieversorgung bisher nicht.Foto: iStock
Von 27. September 2023

Die Bundesregierung benutzt gerne große Worte für ihre Vorhaben: „Doppelwumms“, „Zeitenwende“ oder „Wachstum wie zu Zeiten des Wirtschaftswunders“. Erfolgt ist das Gegenteil – Deutschland ist in der Rezession angekommen. Die Deindustrialisierung des Landes nimmt Fahrt auf und Wachstum sieht man nur bei den Staatsausgaben.

Einer der wesentlichen Gründe hierfür ist die Energiepolitik und diese hat in diesem Jahr einen markanten „Kipppunkt“ passiert – verursacht durch die international mit fassungslosem Unverständnis quittierte Abschaltung der Kernkraftwerke.

Stromversorgung von Importen abhängig geworden

Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung des deutschen Stromhandels mit seinen Nachbarländern. Deutlich sichtbar: Mit der Abschaltung der Kernkraftwerke zum April 2023 kehrten sich die Vorzeichen um – Deutschland wird zum importabhängigen Land:

Entwicklung des Stromaußenhandelssaldos Deutschlands. Foto: Christoph Canne; Daten: energy-charts.de.

Diese Importabhängigkeit tritt auf, obwohl die Monate April bis September jahreszeitlich bedingt die höchsten Ausbeuten an Solarstrom liefern, aber insbesondere in den windstillen Nächten fehlt die preisgünstige Stromerzeugung durch die Kernkraftwerke schmerzlich.

Dann hat Deutschland nur noch zwei Optionen: Entweder wird der fehlende Strom durch Kohle- oder Gaskraftwerke erzeugt, die jedoch durch die gestiegenen Rohstoffpreise, aber auch durch die CO₂-Bepreisung teuer geworden sind. Oder Deutschland importiert eben Strom aus dem Ausland: Kernkraft aus Frankreich oder Wasserkraft aus den Alpen beziehungsweise den skandinavischen Ländern.

Im Winter könnte es indes kritisch werden. Dann steht im Vergleich zu den Sommermonaten nur ein Bruchteil der Solarerzeugung zur Verfügung, während in Frankreich aufgrund der dort üblichen Elektroheizungen die Stromexportfähigkeit abnimmt.

Dann wird der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wieder sämtliche verfügbaren Kohlekraftwerke anwerfen oder vielleicht auch – wie er schon einmal in die Diskussion eingebracht hat – schwimmende Ölkraftwerke aus Entwicklungsländern zu uns schicken.

In einem besonders strengen Winter droht doppeltes Ungemach: Gasknappheit nach Aufbrauchen der Speichervorräte und Stromengpässe in den sogenannten Dunkelflauten ohne Solar- und Windstrom. Es wäre das bittere Ankommen in der Realität der Energiewende, nachdem der letzte Winter mild ausgefallen war.

Zu Negativpreisen exportieren – zu Höchstpreisen importieren

Die neue Importabhängigkeit ist aber nicht nur ein Mengenproblem, sondern auch ein Preisproblem. Denn unsere Nachbarländer wissen um die zunehmende Abhängigkeit von Deutschlands wetterabhängiger Stromerzeugung.

Der Strompreis ergibt sich wie bei anderen Produkten aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Insbesondere an Sommertagen schwankt die Erzeugung aus Wind und Solar im Tagesverlauf erheblich und die Börsenstrompreise folgen diesem Verlauf mehr oder weniger ausgeprägt:

Tagsüber wird der Bedarf durch die Produktion aus Wind und Solar übertroffen. Das hatte zur Folge, dass Deutschland den Strom im Ausland loswerden musste, und zwar zu Spitzenpreisen von bis zu 500 Euro pro Megawattstunde. Anders formuliert: Der Käufer erhielt zusätzlich zum Strom noch ein Zubrot von 50 Cent pro kWh.

Börsenstrompreise (oben) und Residuallast (Differenz zwischen Stromverbrauch und Erzeugung aus Wind und Solar, unten), an vier Sonntagen im Juli. Foto: Rolf Schuster, Vernunftkraft; Daten: Entso-e

Eine solche Situation ist nur denkbar, weil Wind- und Solarproduzenten trotz Negativpreisen weiter ungebremst einspeisen. Dank der Förderung für erneuerbare Energien (EEG) müssen nicht sie die Negativpreise tragen, sondern der Stromkunde.

In den darauffolgenden Nächten – ohne die Solareinspeisung – dann das gegenteilige Bild: Eine große Stromlücke musste durch Stromimporte gedeckt werden, die dann mit 0,10 Euro pro kWh und mehr bezahlt wurden. Der bisherige Spitzenwert wurde am 11. September um 19 Uhr mit 0,524 Euro pro kWh erreicht.

Der deutsche Stromkunde zahlt – immer

Unsere Nachbarn stellen sich geschickt auf die „dümmste Energiepolitik der Welt“ ein: Die französische EDF fährt ihre Kernkraftwerke an solchen Tagen tagsüber herunter, importiert lieber mit Zubrot den deutschen Strom und verkauft den Deutschen schon in der Folgenacht Kernkraftstrom zu ebensolchen Preisen.

Ähnlich machen dies Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen: Sie beziehen tagsüber deutschen Strom, pumpen damit Wasser in die höher gelegenen Speicherseen und nachts wird dann wieder Strom produziert, weil man die gleiche Strommenge den Deutschen zu hohen Preisen wieder verkaufen kann.

Es nimmt folglich nicht nur der Importbedarf zu, sondern auch die Differenz zwischen Import- und Exportpreisen. In dem Zeitraum zwischen dem 16. April, der Abschaltung der letzten Kernkraftwerke, und dem 15. September betrug das Defizit im Stromhandel nach Berechnungen des Portals „stromdaten.info“ bereits 2,4 Milliarden Euro. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres wurde noch ein geringes Plus von 57 Millionen Euro erwirtschaftet.

Bezahlen darf diese Rechnung der deutsche Stromkunde und je mehr Erneuerbare die Bundesregierung an den Start bringt, ohne deren Überschüsse speichern zu können, desto höher werden die Rechnungen ausfallen.

Warum gehen wir diesen Weg ungebremst weiter?

Die vorstehend geschilderten Sachverhalte sind nur ein Aspekt von vielen, wie die sogenannte Energiewende dem Standort Deutschland schadet. Es ist schon seltsam, dass trotz der sichtbar werdenden volkswirtschaftlichen Schäden die Regierung ihren Kurs weiterverfolgt. Es ist genauso seltsam, dass niemand die Frage stellt, warum nach 20 Jahren immer noch kein anderes Land unseren Weg kopiert.

So erklärte der indische Energieminister R. K. Singh auf einer Industriekonferenz, dass sein Land weiter die Stromversorgung durch thermische Kraftwerke ausbauen wird, bis erneuerbare Erzeuger den Anforderungen der wachsenden indischen Wirtschaft gerecht werden können. Gegenwärtig sei dies nicht der Fall. Darüber hinaus baut Indien derzeit acht Kernkraftwerke – zusätzlich zu den 19 bestehenden.

In der aktuellen IWF-Wachstumsprognose für 2023 ist Indien mit einem Zuwachs von 6,1 Prozent der Spitzenreiter unter den großen Industrieländern, Deutschland mit einem Rückgang von 0,3 Prozent das Schlusslicht. Ein schlechte Wirtschafts- und Energiepolitik bleibt eben nicht ohne Folgen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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