Kaufen, wenn die Kanonen donnern? Politischer Drang zur Rüstung belebt die Börse

In Zeiten geopolitischer Unsicherheit erleben Aktien und ETFs, die mit Rüstung in Verbindung stehen, einen Höhenflug. Manche sehen darin einen vermeintlichen Beweis dafür, wie „unmoralisch“ der Kapitalismus sei. Tatsächlich ist die Sache komplexer.
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Profiteur der Kriegsstimmung: Rüstungskonzern Rheinmetall.Foto: David Hecker/Getty Images
Von 13. März 2024

Bis dato galten Investitionen in Rüstung zumindest in hiesigen Breiten für viele Anleger als tabu. Dies galt nicht nur bezüglich individueller Präferenzen – auch institutionelle Anleger schlossen Investitionen in diesen Bereich in vielen Fonds aus. Das galt nicht nur für lange etablierte Ethikfonds oder die meisten sogenannten Nachhaltigkeitsfonds, die ihre Ausschlusskriterien mehr oder minder weit fassten.

Auch viele Standardfondsprodukte großer Banken haben in ihren Anlageprodukten Anteile an Unternehmen, die sich mit Kriegswirtschaft in Verbindung bringen lassen, zunehmend minimiert. Verantwortlich dafür waren häufig kritische Berichte von Watchdog-Organisationen oder NGOs, die das Gebaren der Investmentabteilungen genau unter die Lupe nahmen. Nur wenige wollten schlechte Berichterstattung riskieren.

Lange Zeit ein Ladenhüter mit schlechtem Image

Dies hatte auch mit lange Zeit durchwachsenen Aussichten zu tun. Wer in den 1990er-Jahren für umgerechnet 1.000 Euro Aktien vom US-Rüstungsriesen Lockheed Martin gekauft hätte, hätte heute einen Gegenwert von 732.000 Euro im Portfolio. Voraussetzung dafür wäre jedoch gewesen, eine Durststrecke bis Ende 2012 in Kauf zu nehmen. So lange entwickelte sich der Titel nämlich seitwärts, ehe er wie viele andere von einer geopolitisch unsichereren Welt profitierte.

Mittlerweile ist die „Zeitenwende“ ausgerufen, und unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges sind Kriegsrhetorik und Militarismus wieder en vogue. Es ist am Kaffeetisch, auf der Party oder in der Arbeitspause nicht mehr verpönt, sich zum Kauf von Rheinmetall-Aktien oder einem Index oder ETF im Bereich Rüstung zu bekennen. Mittlerweile haben sich sogar mehrere ETFs auf Branchenindizes herausgebildet, die erst in den vergangenen Jahren entstanden waren.

Die Entwicklung der Titel in den vergangenen Jahren lässt Investments dieser Art auf den ersten Blick auch als vernünftige Entscheidung erscheinen. Und das unabhängig davon, ob und inwieweit man das etablierte Narrativ zum Ukraine-Krieg teilt.

Trump um Frieden bemüht – Rüstungsindustrie profitierte dennoch

Ähnlich wie bei der Lockheed-Martin-Einzelaktie sieht es auch auf breiterer Ebene in dem Segment aus. Der Höhenflug des AMEX SPADE Defense Index setzte im Verlauf des Jahres 2013 ein. Damals lag ein möglicher Krieg mit westlicher Beteiligung in Syrien in der Luft. Im späteren Verlaufe des Jahres setzten die euro-nationalistischen Unruhen auf dem Maidan in Kiew den Auftakt für spätere kriegerische Eskalationen.

Bis heute hat der Index einen Verlauf genommen, der deutlich nach oben geht. Einen gröberen Absturz gab es – der allgemeinen Marktentwicklung entsprechend – nur in der Anfangsphase von Corona. Die Trump-Präsidentschaft gab dem Index einen Rückenwind, als der Präsident ein Modernisierungspaket für das Militär im Umfang von 738 Milliarden US-Dollar beschlossen hatte.

Kleinere temporäre Rückschläge gab es, als Ende 2018 die Demokraten das Repräsentantenhaus zurückholten, was schwierige Haushaltsgespräche erwarten ließ, und die Spannungen mit China sich verschärften. Außerdem schlug sich die allgemeine schlechte Stimmung infolge von hohen Energiepreisen, Inflation und höheren Zinsen im Herbst 2022 in einer kurzfristigen Abwärtsbewegung nieder.

Auftragssummen werden vorerst nicht sinken

Tendenziell sieht „Forbes“ den Rüstungssektor als einen Bereich an, in dem man als Anleger auch in unsicheren Zeiten wie den gegenwärtigen nicht viel falsch machen kann. Der Ukraine-Krieg ist immer noch im Gang, die Spannungen mit Chinas KP-Regime und dessen aggressives Verhalten im Südchinesischen Meer haben sich verschärft.

Während es der Hamas gelungen ist, durch das Massaker vom 7. Oktober Israel in einen gefährlichen Antiterrorkrieg zu zwingen, wittern auch der Iran und seine Verbündeten in der Region Morgenluft. Dazu kommt das Kriegsgeschrei in Europa, wo man angesichts sinkender Bereitschaft der USA, militärische Blankoschecks auszustellen, sein eigenes Waffenarsenal massiv ausbauen will.

Zur Rüstungsindustrie im weiteren Sinne gehören nicht nur Hersteller von Waffen, Panzern oder Flugzeugen selbst. Sogar IT- und Datenunternehmen wie Palantir werden mittlerweile dazugerechnet. Dazu kommen Unternehmen, die Management- und Administrativsysteme entwickeln, die sich für Verteidigungszwecke nutzen lassen.

Rüstung bleibt unsicheres Geschäft – auch für Konzerne selbst

Doch auch wenn damit zu rechnen sein wird, dass noch auf Jahre hinweg Staaten ihre Rüstungsbestände für hohe Summen aufstocken werden, ist nicht jeder Titel in diesem Bereich ein Selbstläufer.

Vor allem bezüglich des Erwerbs und des Haltens von Einzelaktien diverser Konzerne ist zu beachten, dass die Risiken für die Unternehmen selbst außerordentlich hoch sein können. Die Produktionskosten bleiben hoch, die Lieferketten sind nicht immer sicher. Dazu kommen Risiken, wie sie auch Medikamentenhersteller kennen: Man forscht lange und mit hohem Aufwand, um eine Innovation zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.

Am Ende erhält dennoch ein Konkurrent den Auftrag, weil er mit einem etwas weniger ausgereiften Produkt schneller auf dem Markt ist. Diese Erfahrungen mussten zuletzt häufig deutsche Unternehmen machen, die darauf gesetzt hatten, bei der Modernisierung der Bundeswehr oder der Aufrüstung europäischer Nachbarn wie Polen zum Zug zu kommen. Am Ende machten oft US-Unternehmen das Rennen.

Börsenpsychologie ist andere als die von Politik und Medien

Aus diesem Grund kommen auch Anleger, die meinen, auf den Rüstungszug aufspringen zu wollen, an einer seriösen Fundamentalanalyse nicht vorbei. Neben den Aussichten für die Unternehmen selbst gilt es auch abzuwägen, welche staatlichen Versprechungen hinsichtlich der Finanzierung von Rüstungsaufträgen realistisch sind.

Dass Rüstungstitel in Europa zuletzt einen steileren Kursanstieg zu verzeichnen hatten als amerikanische, wie es die „Welt“ analysierte, muss dabei nicht zwingend für die Ersteren sprechen. Wie viel von der europäischen Kriegsbegeisterung übrig bleiben wird, wenn sich in der Ukraine ein russischer Sieg abzeichnet, ist dabei nur eine Frage, die sich stellen wird.

Es hängt auch vieles davon ab, wie hoch Staaten bereits jetzt verschuldet sind – und wo sie das Geld einsparen wollen, das künftig in die Rüstung fließen soll. Nicht immer ist das Meinungsbild in der Politik oder in den Medien deckungsgleich mit jenem in der breiten Bevölkerung.

Rüstung lebt nicht vom Kapitalismus – sondern vom Staat

Manche Anleger empfinden auch unabhängig von den Gewinnaussichten Skrupel beim Gedanken, in Rüstungstitel zu investieren. Sie halten die Aussicht, dass man sich selbst an der Steigerung der Gefahr beteiligen kann, dass Kriege entstehen und Menschen sterben, für einen Beweis der Unmoral des Kapitalismus.

Zweifellos wird es Stimmungsinvestoren geben, die aus patriotischer Wallung oder emotionaler Reaktion auf den Ukraine-Krieg in Rüstungstitel investieren wollen, oder auch solche, die das schnelle Geld wittern.

Tatsächlich lebt die Rüstungsindustrie aber nicht vom Kapitalismus, sondern vom institutionalisierten Versuch, diesen zu bändigen – dem Staat. Er ist es auch, der Kriege führt, provoziert oder die entsprechenden Stimmungen schürt, während er die Lebensqualität der Menschen verringert. Für manche ist ein Investment in Rüstung, das Kursgewinne oder Dividenden verspricht, auch nur ein Versuch, sich etwas von der weggenommenen Lebensqualität zurückzuholen.

„Patriotismus“ und „Werte“ sind keine guten Anlageberater

Ob und inwieweit es gelingt, ist ungewiss. Nicht immer sind es rein verstandesmäßige Entscheidungen, die an der Börse zum Erfolg führen. Denn auch der nüchtern analysierende Anleger, der Geschäftsberichte liest oder Fundamentaldaten durchleuchtet, kann entscheidende Faktoren übersehen. Gleichzeitig kann auch ein bloßes Bauchgefühl zu langfristig richtigen Börsenentscheidungen führen.

Regelmäßig erleiden hingegen Anleger an der Börse Schiffbruch, die Anlageentscheidungen nach Stimmungen, Moden oder Hypes ausrichten. Konformität ist auf dem Aktienmarkt Gift – allein schon deshalb, weil sie auf etwas Gegenwärtiges ausgerichtet ist.

Wer Aktien kauft, weil es „Patriotismus“, die „Werte“, „Solidarität“ oder die Aussicht auf Sozialprestige gebieten, oder auch nur, weil intensive Werbung betrieben wird, verlässt sich auf die Masse auf Kosten des eigenen Urteilsvermögens. Wozu das führen kann, mussten Anfang der 2000er Hunderttausende „Volksaktien“-Besitzer der Telekom erfahren.

Qube setzt auf Absturz von Rheinmetall

Möglicherweise ist der Kapitalismus entsprechend nicht nur immer so moralisch oder unmoralisch wie die Menschen, die sich seiner Mechanismen bedienen. Oft ist er allein schon dadurch moralisch, dass er schlechte und sozial schädliche Verhaltensweisen bestraft – neben Gier auch noch Konformismus und Fanatismus. Dann nämlich, wenn er emotionsgetriebene Anleger in Blasen verbleiben lässt, die rationale und realistische längst rechtzeitig vor deren Platzen verlassen haben.

Der Hedgefonds Qube ist davon überzeugt, dass rund um den Rheinmetall-Konzern bereits eine solche im Entstehen begriffen sein könnte. Zwar hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu dessen Gunsten eine langfristige Abnahmegarantie angeregt – und CEO Armin Papperger hofft auf neue Sondervermögen.

Allerdings spricht einiges dafür, dass der Höhenflug der Aktie eine Kriegsstimmung bereits eingepreist hat, die in immer mehr Teilen der Bevölkerung nicht mehr vorhanden ist – vor allem nicht, wenn für die Rüstung an Sozialem eingespart würde. Zum anderen sind auch unter den Rüstungstiteln selbst die amerikanischen möglicherweise zwar langsamer, aber substanzieller gewachsen. Die Folge ist, dass Qube bei diesem eine Short-Position von 0,94 Prozent der Unternehmensanteile gesetzt hat.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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