Linkskurs in den Untergang: SPD „ignoriert Aufstiegswillen unterer Mittelschicht“

Anders als in früheren Jahren will die SPD nicht mehr auf Distanz zu einem möglichen Regierungsbündnis unter Einschluss der Linkspartei gehen. Die aktuellen Pläne zur Vermögenssteuer stellen vielmehr bereits eine Vorleistung auf allfällige Bündnisgespräche dar. „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt zweifelt jedoch an den Erfolgsaussichten dieser Ambitionen.
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„Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt glaubt nicht, dass ein Wetteifern am äußersten linken Rand der SPD einen zweiten Wind verschaffen kann. In einem Kommentar sieht er die SPD am Ende und meint, ihr absehbares Verschwinden würde auch kaum jemand betrauern.Foto: iStock
Von 27. August 2019

Als die Post-Schröder-SPD auf Bundesebene noch stabile Ergebnisse jenseits der 30 Prozent einfahren konnte, stand sie vor dem Dilemma, sich einerseits gegen eine selbst nach links gerückte Merkel-CDU mit Kanzlerbonus behaupten zu müssen – andererseits aber nicht den Eindruck zu erwecken, eine eigene Mehrheit gemeinsamen mit Grünen und der Linkspartei anzustreben.

Obwohl die inhaltlichen und ideologischen Unterschiede zwischen den beiden Linksaußenparteien nicht tiefgreifend waren, wollten schon die Milieus, die dahinterstanden, nicht so recht miteinander harmonisieren: hier die hippe Lifestylepartei wohlhabender westdeutscher Bildungsbürger, da die Partei der Ost-Rentner und Hartz-IV-Bezieher mit nach wie vor starkem DDR-Stallgeruch.

Vor allem aber scheute die SPD vor einer öffentlichen Ansprache der rot-rot-grünen Option auf Bundesebene zurück, weil es in der eigenen Stammwählerschaft eine starke Aversion gegen eine solche gab. Jedenfalls erwies sich eine Warnung vor einem Linksbündnis im Bund – zumindest bis zum Entstehen der AfD – regelmäßig als ein höchst wirksames Instrument, Wähler zur Stimmabgabe für CDU und FDP zu mobilisieren. Selbst bewusst bürgerlich auftretende Spitzenkandidaten wie Frank-Walter Steinmeier oder Peer Steinbrück vermochten diesen Effekt nicht zu neutralisieren.

Nach links aufhübschen

Heute ist die SPD in bundesweiten Umfragen deutlich hinter die Grünen zurückgefallen, die sich bis auf Weiteres als führende Partei der Linken stabilisiert haben. Sie sind damit nun in der Rolle, die zuvor die SPD selbst ausgefüllt hatte. Diese jedoch hat, zumal als Koalitionspartner in einer rot-schwarzen Koalition, nur begrenzte Möglichkeiten, sich inhaltlich zu profilieren. Immerhin kann sie Ziele und Pläne verkünden, wie es ihr beliebt – was sie tatsächlich davon umsetzen kann, hängt von der aufrechten Koalitionsvereinbarung ab, der die SPD nur durch deren Bruch zu entkommen vermag.

In dieser Situation versucht die Partei offenbar aus der Not eine Tugend zu machen und sich zumindest so weit für ein Linksbündnis aufzuhübschen, dass dieses, sollte die dafür erforderliche Mehrheit doch zustande kommen, zumindest als Option zur Verfügung stünde.

Olaf Scholz, der mit seiner moderaten und seriösen Ausstrahlung nahtlos an jene zuletzt gescheiterter SPD-Kanzlerkandidaten anknüpfen würde, hat sich jüngst gegenüber Zeitungen der Funke-Gruppe offen gezeigt gegenüber einer solchen Option. Deutschland sei immerhin „bunt geworden“. Lediglich im Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik bedürfe es in der Linkspartei gewisser Frontbegradigungen. Darunter ist offenbar vor ein Bekenntnis zur NATO gemeint sowie etwas weniger Distanzlosigkeit gegenüber ideologisch nahestehenden, antiwestlichen Autokratien.

Das von Interims-Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel jüngst vorgestellte, von Scholz mitentworfene Konzept einer Vermögenssteuer wirkt vor dem Hintergrund dieser Annäherung wie eine Morgengabe für die Linke, die sich prompt zufrieden mit dem Vorstoß zeigte. Immerhin war ein erster Anlauf dazu 1997 am Bundesverfassungsgericht gescheitert und seither blieb die Idee ein Ladenhüter.

Vermögenssteuer berührt „einen substanziellen Teil unseres Profils“

Dass das Konzept bewusst wenige Tage vor den bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg vorgestellt wurde, stellte Schäfer-Gümbel gar nicht erst in Abrede. Die Vermögenssteuer, so zitiert die „Welt“ den kommissarischen Bundesvorsitzenden, berühre „einen substanziellen Teil unseres Profils“.

Der bisweilen auftauchende Einwand, wonach Deutschland ohnehin nicht als Niedrigsteuerland gelte und in Zeiten einer drohenden Rezession zusätzliche Steuern nicht unbedingt als Konjunkturlokomotive gelten, wischt Schäfer-Gümbel mit der Zusicherung vom Tisch, es sollen doch nur „besonders reiche Teile der Bevölkerung“ stärker in die Pflicht genommen werden. Sie sollten künftig ein Prozent Vermögenssteuer zahlen, bei besonders großen Vermögen seien auch „1,5 Prozent“ denkbar. Außerdem versucht der SPD-Interimschef, durch den Verweis auf „hohe Freibeträge“ und „Verschonungsregeln im Krisenfall“ den Eindruck zu vermitteln, für den Fall einer drohenden Katastrophe für die Wirtschaft auch einen potenziellen Ausweg für Helden zu wissen.

Jedenfalls soll die Steuer, so Schäfer-Gümbel, dem Staat jährlich zehn Milliarden Euro einbringen. Und treffen soll sie vor allem die „45 reichsten Familien in Deutschland“, die so viel besäßen wie die Hälfte der Bevölkerung. Dass dieses Projekt, wie Schäfer-Gümbel ebenfalls in der „Welt“ zitiert wird, „nicht auf den aktuellen Koalitionsvertrag gerichtet“ sei, lässt ebenso aufhorchen. Offenbar wird für die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl auch mit möglichen Alternativszenarien gerechnet.

Lässt sich die Linke noch links überholen?

Dass die SPD durch einen massiven Linksruck versucht, Profil zu gewinnen, mag dem Umstand geschuldet sein, dass man in der Mitte kein Konzept gegen die Kanzler-CDU gefunden hat und Traditionswähler aus der Arbeiterschaft hartnäckig bei der AfD verharren.

Ob die Strategie langfristig aufgehen wird, ist jedoch ungewiss. Ähnlich wie die Umarmungsstrategie einer CDU, die über Jahre hinweg den Grünen von der „Energiewende“ über Kohle- und Atomausstieg bis hin zur Willkommenspolitik jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat, am Ende nur zu deren weiterer Stärkung geführt hat, würde ein Wettlauf mit der Linkspartei auch die SPD an ihre Grenzen führen.

Radikale Parteien mit einer stark ideologisierten Wählerschaft können es sich regelmäßig leisten, auf ein Entgegenkommen aus der Mitte damit zu reagieren, dass sie noch eine weitere Schippe drauflegen. Im Moment fordert die Linkspartei ein Vermögenssteuerkonzept, das jährliche Investitionen von 120 Milliarden Euro in öffentliche Daseinsvorsorge und Infrastruktur sowie 20 Milliarden in den „Klimaschutz“ ermöglichen soll.

Wie Parteichefin Katja Kipping im Interview mit der „Welt“ erkennen lässt, ist die Linkspartei aber insbesondere in der Wohnungspolitik entschlossen, weitere Radikalisierungsschritte zu vollziehen. Kipping spricht von „Lohnraub“, dem die Bürger im Land ausgesetzt wären – womit sie allerdings steigende Mieten meint und nicht Steuern und Lohnnebenkosten, die eine Politik ihnen abpresst, die mit ihren bürokratischen und dirigistischen Maßnahmen die Schaffung von Wohnraum erst unattraktiv macht.

„Dieser Entwicklung müssen wir etwas entgegensetzen. Dazu gehört der Mietendeckel, dazu gehört eine Reduzierung der Bestandsmieten, und dazu gehören Enteignungen von Immobilienfonds wie Deutsche Wohnen und Co“, legt Kipping dar.

„SPD mobilisiert Erfolgsarme gegen Erfolgreiche“

Einwänden, wonach die Außerkraftsetzung der Marktwirtschaft erst recht zum Fehlen von Wohnraum führt, kontert sie primär mit Klassenkampfrhetorik: „Wir stehen an der Seite der Mieter, nicht der Immobilienhaie.“ Und auch die SPD müsse sich „überlegen, auf wessen Seite sie steht“.

„Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt glaubt nicht, dass ein Wetteifern am äußersten linken Rand der SPD einen zweiten Wind verschaffen kann. In einem Kommentar sieht er die SPD am Ende und meint, ihr absehbares Verschwinden würde auch kaum jemand betrauern.

„Bis zu den Realos um Olaf Scholz“ habe sich die Partei „einem Linkspopulismus ergeben, dessen Umverteilungsneigung jede Woche weiter eskaliert“. Sie ignoriere den Aufstiegswillen der unteren Mittelschicht und entmutige und frustriere jene, die dieses Land vorangebracht hätten: „vom fleißigen Facharbeiter in Weissach und Ingolstadt über den sparsamen Immobilienrentier bis hin zu jenen Familienunternehmern, die Zigtausende von Jobs geschaffen haben und garantieren. Letztere müssen sich nun in SPD-Karikaturen als Schmarotzer denunzieren lassen. Und das mit einer satten Rezession vor der Tür.“

Die SPD gehe den Weg des geringsten Widerstands und mobilisiere die Erfolgsarmen gegen die Erfolgreichen. Sie habe ihren Kompass über Bord geworfen und koaliere in Berlin mit einer „radikalisierten Spießer-Linken, die wohnungspolitisch längst den Boden der sozialen Marktwirtschaft verlassen hat und eine autoritäre Staatswirtschaft konzipiert, mit weitreichender Enteignung und Demotivation jener, die erwirtschaften“.

Auch auf globale Herausforderungen der Ökonomie von AI oder Digitalisierung bis hin zum Klima habe die Partei keine Antworten. Poschardts ernüchtertes Fazit:

Die SPD ist blank. Sie hat sich verloren.“

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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