Acura Kliniken: Pflegebranche stirbt gerade — jedoch nicht an Hitze

Anstatt mehr gegen den Pflegenotstand in Deutschland zu tun, verschwendet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seine Energie für das „Ablenkungsmanöver“ Hitzeschutz, meinen die Acura Kliniken Baden-Baden. Die Heil- und Pflegekette hat ihre Wut über eine verfehlte Gesundheitspolitik deutlich gemacht.
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Symbolbild: Pflegeheime in Deutschland geraten finanziell immer mehr unter Druck.Foto: iStock
Von 2. August 2023

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Die Acura Kliniken Baden-Baden (AKBB) haben Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) mit schweren Vorwürfen und abfälligen Bemerkungen überzogen. In einem Facebook-Post warf die Heil- und Pflegekette Lauterbach vor, mit seinem Hitzeschutzplan „durch Pseudotote“ vor „echten Problemen“ ablenken zu wollen: Die Pflegebranche sterbe gerade, aber „nicht an der Hitze“.

Die Wut scheint groß zu sein in Baden-Baden: Lauterbach „phantasiere“  über den Hitzeschutz und belehre dabei auch noch „erfahrene Pflegekräfte über Wasser in deutschen Pflegeheimen“. Zur Begründung verwiesen die AKBB auf die stark gestiegenen Beiträge für Pflegeheimbewohner, die Insolvenzwelle in der gesamten Pflegeheimbranche und die schwindenden Plätze für Heimbewohner.

All das habe Lauterbach bei seiner jüngsten „Pflegereform“ außer Acht gelassen. Der studierte Mediziner habe lediglich „die Beiträge zur Pflegeversicherung für alle Unternehmen und Arbeitnehmer“ erhöht. Die Beitragssenkungen für „kinderreiche Arbeitnehmer“ habe er dann einfach durch eine nochmalige Erhöhung der Beiträge von „kinderlosen Arbeitnehmern“ kompensiert. „Danach hatte er schnell wieder Zeit für die Plakate gegen den Hitzetod“, spottete die unzufriedene Heil- und Pflegekette.

Karl Lauterbach (SPD) hat sich zu Modellvorhaben "Drug-Checking" geäußert.

Die Pflegereform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (Archivbild) kommt nicht bei allen gut an. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Hohe Kosten

Die Ursachen für die Krise der Pflegeheimbranche sehen die Acura Kliniken Baden-Baden unter anderem im allgemein gestiegenen Preisniveau. Die Häuser müssten sich mit der „hohen Inflation“, den „weltweit höchsten Energiepreisen“ und mit „exorbitante[n] Gehaltssteigerungen“ auseinandersetzen.

Das wirke sich auch auf die „Pachten“ der Heime aus: Die Pflegehäuser seien gezwungen, die höheren Kosten über „Eigenanteile“ an ihre Bewohner weiter zu reichen. Der Monatsbeitrag für ein Pflegeheim sei im ersten Halbjahr 2023 um 15,8 Prozent gegenüber dem Jahr 2022 aufgeschlagen: Durchschnittlich seien 2.548 Euro verlangt worden. Das wiederum könnten „sich viele Bewohner nicht mehr leisten“ und verließen die Heime beziehungsweise zögen gar nicht erst ein. „Also bleiben wiederum Plätze unbesetzt und die Heime geraten in weitere finanzielle Schieflage“, beschreiben die AKBB den Teufelskreis.

Zu wenig Fachkräfte

Dazu komme noch der Mitarbeitermangel. Auch dieser verhindere, dass mehr Heimplätze angeboten werden könnten. Das bedeute einen weiteren Einnahmeverlust für die Pflegeheimbranche.

Im Januar 2023 fehlten nach Berechnungen des Pflegedienstleisters „My Care Friend“ „mehr als 35.000 Pflegekräfte“. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts könnte die Lücke „in der stationären Versorgung bis zum Jahr 2035 [auf] rund 307.000 Pflegekräfte“ anwachsen. Im gesamten Pflegebereich würden dann sogar eine halbe Millionen Pfleger fehlen.

Wie die Epoch Times berichtete, hatte es im Kalenderjahr 2022 einen Rekord der Krankschreibungen unter den Pflegekräften gegeben. „Gesundheitsarbeiter“ hatten fast 60 Prozent mehr Fehltage als der Durchschnittsarbeitnehmer. Die Ampelkoalition versucht, Lücken durch ausländische Fachkräfte zu schließen.

Knapp 19.000 Plätze allein bei den Branchenriesen betroffen

Die mit all dem einhergehende Insolvenzwelle habe allein bei den großen Pflegeplatzanbietern in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres beinahe 19.000 Plätze betroffen, schreibt die AKBB unter Berufung auf das Onlineportal „Pflegemarkt.com“.

Das hatte in seinem „Insolvenzradar“ bereits Anfang Mai von Insolvenzverfahren bei den Ketten „DOREA GmbH“ (unterhält allein 76 Pflegeheime), „Convivo Holding GmbH“ (62 Pflegeheime), „Curata Care“ (36 Pflegeheime). „Hansa Pflege & Residenzen GmbH“ (24 Pflegeheime) und „Novent Pflege & Betreuung“ (16 Pflegeheime) berichtet. Zahlen zu den kleineren Pflegeheimbetreibern mit unter 1.000 Plätzen hatte das Portal dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Klar sei allerdings, dass die laufenden Insolvenzverfahren „Auswirkungen auf die betroffenen Mitarbeiter, die Pflegebedürftigen und ihre Familien“ hätten, die „oft verheerend“ seien, wie die AKBB im Einklang mit dem „Pflegemarkt.com“-Artikel zu bedenken gibt.

Nach Informationen des „Pflegemarkts“ sieht die Situation Stand 2. August in den genannten Ketten derzeit wie folgt aus:

„Dass die stark steigenden Kosten in allen Bereichen durch COVID, Inflation und nicht zuletzt das neue Tariftreuegesetz zu Problemen führen werden, haben unsere Analysen bereits im letzten Jahr gezeigt“, heißt es auf „Pflegemarkt.com“.

70 Prozent der Pflegehäuser klagen über „Existenznöte“

Wie der „Westdeutsche Rundfunk“ (WDR) bereits im Juni 2023 berichtete, hatte es allein in Nordrhein-Westfalen zwischen Januar und März 27 Insolvenzen von Pflegeheimanbietern gegeben – zwei mehr als im gesamten Jahr 2022.

„Bundesweit“ hätten 70 Prozent der Einrichtungen über „Existenznöte“ geklagt, so der WDR unter Berufung auf eine wenige Wochen alte Umfrage des „Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste“ (bpa), bei der 2.500 Häuser befragt worden waren.

Dabei wird der Bedarf an Pflegeplätzen aufgrund der demografischen Situation in Deutschland keineswegs geringer: Der „Pflegemarkt“ sagt unter Verweis auf das Statistische Bundesamt voraus, dass „die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland bis 2055 um insgesamt 37% ansteigen“ werde. Dann würden rund „6,8 Mio. Pflegebedürftige“ zu betreuen sein. „Bereits für das Jahr 2035 wird ein Zuwachs von 14% auf etwa 5,6 Mio. Pflegebedürftige erwartet“, schreibt der „Pflegemarkt“. Ende 2021 hätten hierzulande allerdings nur 793.000 stationäre und 1.047.000 ambulante Pflegeplätze existiert. 3,11 Millionen Menschen seien Ende 2021 von Angehörigen versorgt worden. Pflegemarkt-Autor Sebastian Meißner dazu:

Es lässt sich ableiten, dass die fehlenden Plätze in der stationären Pflege trotz des starken Wachstums in der ambulanten Pflege nicht kompensiert werden können und dadurch die Pflege im privaten Umfeld durch Angehörige weiterhin stark zunehmen wird. Die Versorgungssituation könnte sich in Zukunft weiterhin verschärfen, da die letzten Jahre gezeigt haben, wie viel Einfluss Krisen auf Neubauprojekte im stationären Bereich haben können. Steigende Energiekosten, steigende Rohstoffpreise und Fachkräftemangel führen zu weniger Attraktivität im Neubau und im Extremfall zu einem Rückgang an verfügbaren stationären Plätzen.“

„Jedem ist klar, dass dieses System zusammenbrechen wird“

Der Sozialdezernent der Städteregion Aachen, Michael Ziemons, kommentierte die düsteren Aussichten im WDR mit den Worten: „Jedem ist klar, der in diesem Feld unterwegs ist, dass dieses System auf jeden Fall zusammenbrechen wird in der Zukunft“. Das Gesundheitsministerium NRW aber lehnt nach Informationen des WDR höhere „finanzielle Hilfen“ und „einen Stabilitätspakt“ ab.

Im Internet unterhält das bevölkerungsreichste Bundesland aber immerhin einen „Pflegewegweiser“ als erste Anlaufstelle. Der Suchbegriff „Pflegenotstand“ führt auf den Internetseiten des „Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales“ NRW allerdings zu null Treffern. Anders beim Bundesgesundheitsministerium: Hier finden sich im Pressebereich seit dem 2. Juni 2022 immerhin sechs Reden zum Thema Pflege aus dem Munde von Karl Lauterbach. Das Wort „Pflegenotstand“ fiel dabei einmal.



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