Kein Staatsgeld für NPD-Nachfolgepartei: Was bedeutet die Entscheidung für die AfD?

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, die rechtsextreme NPD, die sich nun Die Heimat nennt, von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Das Urteil ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. In der Politik werden Forderungen laut, nun auch der AfD den Geldhahn zuzudrehen. Welche Chancen hat so eine Forderung?
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Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Doris Koenig, verkündet das Urteil zur Parteienfinanzierung der rechtsextremen Partei Die Heimat in Karlsruhe, 23. Januar 2024.Foto: Uwe Anspach/Pool/AFP via Getty Images
Von 23. Januar 2024

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, die rechtsextreme NPD, die sich inzwischen Die Heimat nennt, von der Parteienfinanzierung auszuschließen. Mindestens die kommenden sechs Jahre wird die Partei damit keine staatlichen Gelder mehr erhalten. Für Spender bedeutet die heutige Entscheidung in Karlsruhe, dass sie Spenden an die Partei nun nicht mehr steuerlich geltend machen können.

Verfassungsfeindliche Ziele attestiert

Mit der heutigen Entscheidung ist das Verfahren nach fünf Jahren abgeschlossen. Schon 2019 hatten Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung den Antrag zum Streichen der öffentlichen Mittel für die Partei gestellt. Die Möglichkeit dazu hatte der Bundestag und der Bundesrat 2017 beschlossen – nachdem das Verbotsverfahren gegen die NPD zum zweiten Mal gescheitert war. Die Karlsruher Richter hatten damals in ihrem Urteil festgestellt, dass die Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgen würden. Ihr politisches Konzept missachte die Menschenwürde und sei mit dem Demokratieprinzip unvereinbar.

Auch arbeite die Partei „planvoll und mit hinreichender Intensität“ auf ihre verfassungsfeindlichen Ziele zu. Allerdings sah das Gericht damals keine Anhaltspunkte dafür, dass das Handeln der Partei zum Erfolg führen würde. Deshalb wies es die Verbotsanträge zurück. Gleichzeitig deutete das Gericht in der Urteilsbegründung an, dass der Entzug der Parteienfinanzierung ein Weg sein könnte.

Erstmals Ausschluss aus Parteienfinanzierung

Eigentlich könnte man das heutige Urteil als überholt bezeichnen. Aufgrund der Wahlniederlagen der letzten Jahre bekommt „Die Heimat“ aktuell keine öffentlichen Gelder. Direkte Zuschüsse erhält eine Partei nur dann, wenn sie bei Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent oder bei Landtagswahlen mindestens ein Prozent der Stimmen erhält. Davon ist „Die Heimat“ inzwischen weit entfernt. Zuletzt erhielt die Partei im Jahr 2020 etwa 370.600 Euro.

Dem Urteil kommt trotzdem eine grundsätzliche Bedeutung zu. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik hat das Bundesverfassungsgericht gegen eine Partei einen Ausschluss aus der Parteienfinanzierung verhängt. Das wird nun als Blaupause gesehen.

Erste Stimmen fordern Ausschluss der AfD

In den vergangenen Tagen kamen aus den Reihen der SPD, den Grünen, aber auch der CSU, Forderungen, nun auch einen Ausschluss der AfD aus der Parteienfinanzierung zu prüfen.

Das würde die AfD hart treffen. 2022 erhielt sie mehr als zehn Millionen Euro aus der staatlichen Finanzierung. Schaut man auf die bevorstehenden Landtagswahlen in diesem Jahr, dann wird dieser Betrag vermutlich noch steigen.

Die Parteien sehen in der finanziellen Sanktionierung der AfD eine Möglichkeit, ein Parteiverbot umgehen zu können. So sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, dem „Handelsblatt“, das im Grundgesetz verankerte Verfahren zum Ausschluss der Parteienfinanzierung sei „ein wichtiges Element des wehrhaften Staates, verfassungsfeindlichen Parteien staatliche Mittel deutlich zu kürzen“.

Begrüßt wurde die Option des Streichens von Geldern auch von der Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic. Doch diese Maßnahme sei „sehr voraussetzungsvoll“. Mihalic weiter: „Genau wie bei einem Parteienverbot sind die Verfassungsorgane gefordert, unter Berücksichtigung der Einschätzung der Sicherheitsbehörden rechtliche Schritte sorgfältig abzuwägen.“

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte sich sehr offen gegenüber der Streichung der Finanzmittel für die AfD. In einem Interview vom letzten Montag, 22. Januar, im „Handelsblatt“ sagte Söder mit Blick auf das erwartete Urteil aus Karlsruhe: „Es wäre eine Blaupause für die AfD.“

Deutlich skeptisch gibt sich allerdings seine Schwesterpartei. Der Entzug staatlicher Mittel setze die Einstufung der Partei als verfassungsfeindlich voraus, sagte der erste parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU). Das Bundesverfassungsgericht hätte daher den gleichen Prüfaufwand wie bei einem Verbotsverfahren.

Erfolg mehr als fraglich

Tatsächlich hatte sich das Bundesverfassungsgericht im Vorfeld der Urteilsverkündung unabhängig von seiner Entscheidung aus dem Jahr 2017 noch einmal sehr intensiv mit den Voraussetzungen für den Ausschluss aus der Finanzierung befasst. Hierbei stand primär die Frage im Raum, ob Die Heimat die freiheitlich-demokratische Grundordnung missachtet und „nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet“ ist. Das bejahte das Verfassungsgericht heute. Eine ähnliche Entscheidung hat es bei der AfD bisher nicht gegeben. Auch liegt im Moment beim Bundesverfassungsgericht kein Antrag auf ein Verbot der AfD vor.

Anders als bei der NPD, die ein Verbot wegen Bedeutungslosigkeit umgehen konnte, räumen Staatsrechtler einem Verbotsverfahren gegen die AfD wenig Chancen ein. „Das wird vor dem Bundesverfassungsgericht mit allergrößter Wahrscheinlichkeit scheitern“, schätzte gerade erst der emeritierte Professor für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg, Dietrich Murswiek, gegenüber der Epoch Times ein. Murswiek gilt als juristische Koryphäe auf seinem Gebiet. Der Jurist weiter:

Solange der Verfassungsschutz die AfD nur als Verdachtsfall führt, sind die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Verbotsverfahren auch aus der Sicht des Verfassungsschutzes nicht gegeben.“

Die Düsseldorfer Staatsrechtlerin Sophie Schönberger räumt auch den Parteiforderungen nach Ausschluss der AfD aus der Finanzierung wenig Chancen ein. Gegenüber „ZDFheute“ schätzte sie in der vergangenen Woche ein:

Die Erfolgsaussichten wären genauso fraglich wie bei einem Verbotsverfahren, denn die Voraussetzungen, die beim Verbot für die AfD problematisch sind, die müssen auch für einen Finanzierungsausschluss erfüllt sein – es sei denn, das Bundesverfassungsgericht interpretiert die neue Grundgesetzvorschrift überraschend anders.“

Ohne höchstrichterliche Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit kein Ausschluss

Genau das hat das Bundesverfassungsgericht heute nicht getan. Im Gegenteil. Ausdrücklich stellte es in seiner Urteilsbegründung fest:

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausschlusses einer Partei von staatlicher Finanzierung gemäß Art. 21 Abs. 3 GG sind durch den weitgehenden Gleichlauf mit den materiellen Voraussetzungen des Parteiverbots gemäß Art. 21 Abs. 2 GG geprägt.“

Das heißt, dass für ein Parteiverbot die gleichen Anforderungen gelten wie für ein Ausschlussverfahren aus der Parteienfinanzierung. Schönberger weist im „Handelsblatt“ deshalb darauf hin, dass das „Finanzierungsausschlussverfahren“ eigentlich eingeführt wurde, um eine Partei zu sanktionieren, die zwar im Grundsatz verfassungswidrig sei, aber zu klein und unbedeutend, um sie verbieten zu können. „Das scheint mir bei der AfD dezidiert nicht der Fall zu sein“, so Schönberger.



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