„Sound of Hope“: Ein Radiosender, den Chinas „Große Firewall“ nicht aufhalten kann

Mit 120 Sendeanlagen rund um China verfügt „Sound of Hope“ über eines der größten Kurzwellensendernetzwerke weltweit. Es erreicht 80 Prozent der Chinesen – darum ist der Sender dem kommunistischen Regime ein Dorn im Auge.
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Foto: Illustration von The Epoch Times, Chien-Min Chung/AP Photo, Courtesy of Allen Zeng, Minghui, Getty Images
Von 15. Februar 2024

Drei Jahre lang versteckte der blinde Anwalt Chen Guancheng seinen wertvollsten Besitz vor den Wachen im chinesischen Gefängnis in einer Einwegmilchpackung: ein Kurzwellenradio im Taschenformat. Jeden Tag freute er sich auf die Stunden nach der nächtlichen Sperrstunde.

Dann lag er still da. Die Decke über den Kopf gezogen. Das vibrierende Gerät fest an sein Ohr gepresst. Die Antenne dicht neben seinem Körper. Das Radio gab ihm Hoffnung. Es war die einzige Möglichkeit für ihn, mit der Welt außerhalb der Gefängnismauern in Kontakt zu treten.

Er erfuhr von mutigen Demonstranten, grausamen Menschenrechtsverletzungen und von zahlreichen Chinesen, die sich im Laufe der Jahre von der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) lossagten. In diesem Moment war er frei.

Chen ist nur einer von Millionen Chinesen, die wegen ihres Einsatzes für die Menschen- und Bürgerrechte vom Regime verfolgt werden.

In den über zehn Jahren, seit Chen in die USA geflohen ist, sind die westlichen Radiosender in China für informationshungrige Chinesen wie ihn immer weniger geworden. Die großen Rundfunkanstalten – BBC, „Deutsche Welle“, „Voice of America“ – haben ihre Programme entweder reduziert oder sind nur online abrufbar.

Gleichzeitig hat die KPC den mächtigen Zensurapparat des Regimes weiter ausgebaut. Die „Große Firewall“ soll China digital vom Rest der Welt isolieren, damit keine ungefilterten Nachrichten frei ins Landesinnere dringen.

Gegen diesen Trend stemmt sich ein größtenteils von Freiwilligen betriebener Radiosender namens „Sound of Hope“ (Stimme der Hoffnung). Seine Spätabend- und Mitternachtssendungen hielten den Dissidenten Chen während seiner Gefängnisjahre über das aktuelle Geschehen in China auf dem Laufenden.

Das Medienunternehmen verfügt heute mit etwa 120 Sendeanlagen rund um China über eines der größten Kurzwellensendernetzwerke überhaupt.

Eine Stimme, der man vertrauen kann

Allen Zeng sieht im Kurzwellenfunk die Antwort auf Pekings Zensur. Er ist Mitbegründer und Geschäftsführer von „Sound of Hope“.

„Sie können das Internet abschalten, jemanden töten, das Blut wegwischen und dann das Internet wieder einschalten“, sagte er. Ein Muster, das das Regime im Iran während landesweiter Proteste genutzt hat.

Kurzwellenfunk „können sie jedoch nirgendwo abschalten“, so Zeng. „Es ist wie Regen, der vom Himmel fällt. Den kann man auch nicht aufhalten.“

Allen Zeng, Mitbegründer und Geschäftsführer von „Sound of Hope“. Foto: Jennifer Zeng/The Epoch Times

Das Jahr 2004 war für den damaligen Ingenieur im Silicon Valley ein Wendepunkt in seinem Leben. In China war eine massive landesweite Verfolgungskampagne im Gange, die praktisch jeden 13. Chinesen betraf.

Opfer waren Praktizierende der Glaubensgemeinschaft Falun Gong, die nach den Prinzipien Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht leben. Die Verfolgung dauert bis zum heutigen Tage an.

Willkürliche Inhaftierung, Zwangsarbeit, das Verabreichen von Psychopharmaka und sexuelle Gewalt – die Berichte, die aus China durchsickerten, waren so abscheulich, dass Zeng und eine Gruppe gleichgesinnter Chinesen in Amerika nicht länger zusehen konnten.

„Wir mussten etwas dagegen tun. Wir mussten das Töten stoppen“, sagte er.

Das Erste, was ihm in den Sinn kam, war das Kurzwellenradio. Dieses Gerät war in China seit der Zeit des Kalten Krieges fester Bestandteil in jedem Haushalt. Als Student nutzten es Zeng und seine Kommilitonen während des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989, um an unabhängige Informationen zu kommen.

„Weil man sonst niemandem trauen konnte“, sagte er.

Mit geringem Budget und Know-how fing das Team klein an: Es mietete eine Stunde Sendezeit beim staatlichen taiwanischen Sender „Radio Taiwan International“.

Zu dieser Zeit waren gerade die „Neun Kommentare über die Kommunistische Partei“ der Epoch Times veröffentlicht worden, die die Geschichte der Kommunistischen Partei und ihre Gräueltaten analysierten. „Sound of Hope“ sendete die Artikelreihe als Hörbuch.

Sie war ein solcher Erfolg, dass in Peking monatelang Kurzwellenradios ausverkauft waren.

Diese Resonanz und die ermutigenden Worte einiger Zuhörer, die es schafften, die chinesische Internetzensur zu umgehen, motivierten Zengs Team, weiterzumachen.

Dissidenten steuerten Beiträge bei, die Programme wurden vielfältiger. Bald war „Sound of Hope“ der größte Kunde von „Radio Taiwan International“.

Wegen der undurchsichtigen Datenlage in China ist es schwierig, die Größe der Hörerschaft des Senders zu bestimmen.

Aber „Sound of Hope“ wurde so einflussreich, dass Peking auf ihn aufmerksam wurde. Das chinesische Regime begann, Druck auf den taiwanischen Partner auszuüben. Und schließlich kündigte er die Zusammenarbeit mit „Sound of Hope“.

Neubeginn

Zeng und sein Team standen also wieder am Anfang. Doch Aufgeben kam nicht infrage.

Als die Partnerschaft mit Taiwan ins Wanken geriet, versuchten die Ingenieure, eigene Lösungen zu entwickeln. Sie ließen sich von Sendeanlagen auf Fischerbooten inspirieren und bauten eigene Funkmasten.

Das Ergebnis war ein kleiner Sendeturm in Taiwan mit nach oben gerichteten Antennen, die sich wie Flügel ausbreiteten. Sie gaben ihm den Spitznamen „Möwe“.

Das Team setzte seine Ziele niedrig an. Die erste „Möwe“ hatte eine Leistung von 100 Watt – ein Tausendstel des kleinsten Funkdienstes, den sie von der taiwanischen Rundfunkanstalt gepachtet hatten.

„Mehr konnten wir uns nicht leisten“, erinnerte sich Zeng.

Der Erfolg der ersten „Möwe“ war nur von kurzer Dauer, den vielen Nachfolgern erging es ebenso. Die chinesischen Behörden konnten ihre Signale einfach stören. Doch für das Team war es eine wichtige Entdeckung: Auch nur mit einem Signal von 100 Watt konnten sie schon Menschen erreichen.

Ein „Möwen“-Funkmast. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Allen Zeng

Ein „Sound of Hope“-Funkmast in der Nähe von China in den Jahren 2014 und 2015. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Allen Zeng

Viele Standorte der Funkmasten befanden sich in der Wildnis. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Allen Zeng

Sie experimentierten und verbesserten weiter mit jeder neuen Anlage.

„Wir tappten förmlich im Dunkeln und wussten nicht, wann am Ende des Tunnels wieder Licht erscheint“, sagte Zeng.

Schließlich, beim 16. Versuch, gelang der Durchbruch. Das Signal durchbrach die chinesische Blockade und blieb stabil.

„Wir waren ihnen ziemlich überlegen“, sagte er. „Sie konnten sich nicht so schnell bewegen wie wir.“

Wachstum

Abgesehen von den technischen Herausforderungen war es auch sonst kein leichtes Unterfangen, die Anlagen am Laufen zu halten.

Die Wildnis eignete sich am besten, um ein ununterbrochenes Signal zu senden. Allerdings ist sie auch ein Paradies für Gifttiere wie Skorpione und Schlangen.

Ein Helfer namens Hsieh Shih-mu trat einmal auf eine Schlange, als er einige der ersten „Möwen“ an Taiwans Südspitze aufbaute, und sichtete viele weitere.

Mit seinem Motorrad fuhr er nachts auf einer dunklen Bergstraße nach Hause. Der Weg war schmal und schlammig und war nach Regenfällen doppelt tückisch. Wenn er zu Hause ankam, war er oft mit Moskitostichen übersät.

Einmal stürzte ein anderer Helfer beinahe einen Abhang hinunter. Doch glücklicherweise hatte sich sein Motorrad in den Ästen eines Baumes verfangen. Sie mussten einen Abschleppwagen rufen, um den Mann wieder nach oben zu ziehen.

Für die Funkmasten mischten sie Beton, errichteten Schächte und schweißten Metall. Wenn dabei nur ein Schritt daneben ging, konnte das lebensgefährlich sein.

Wenn eine Anlage endlich in Betrieb geht, muss sie laufend gewartet werden. Nicht nur Störungen aus Peking, sondern auch wilde Tiere oder raues Wetter können die Übertragung stören. Manche Teile altern mit der Zeit und fallen aus.

„Wir wussten nicht, wie viel es tatsächlich bringen würde. Aber da wir merkten, dass es grundsätzlich funktionierte, machten wir einfach weiter“, sagte Hsieh. „Und wir blieben dabei.“

Der Ort, an dem Hsieh Shih-mu eine Sendeanlage im Süden Taiwans baute, am 31. Januar 2024. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Hsieh Shih-mu

Der Standort eines Sendeturms befindet sich auf einem Berg, eine Meerenge vom Festland entfernt. Er deckt das südchinesische Perlflussdelta ab, ein wichtiges chinesisches Produktions- und Wirtschaftszentrum.

Nach Zengs „bescheidener Schätzung“ erreicht das gesamte Radionetzwerk heute 60 Prozent von China und 80 Prozent der Bevölkerung, einschließlich der stark kontrollierten Gebiete Tibet und Xinjiang.

Laut Zeng erzielt „Sound of Hope“ seine Einnahmen durch den Betrieb in den USA, die Vermietung von Programminhalten an andere Radiosender und durch Spenden.

Mit 120 Funkmasten und Sendetürmen rund um China ist das „Möwen“-Netzwerk um ein Vielfaches größer als das von „Voice of America“ und „Radio Free Asia“. Und das, obwohl beide Sender vom amerikanischen Steuerzahler finanziert werden, so Zeng.

Rückschläge

Da die KPC nicht in der Lage ist, die Sendeleistung von „Sound of Hope zu blockieren, ging sie dazu über, die Funkmasten am Boden ins Visier zu nehmen.

Sie verfolgte die Signale, um die Standorte der Anlagen ausfindig zu machen und setzte dann Nachbarländer unter Druck, diese auszuschalten.

Ein Ziel war die „Möwe“ von „Sound of Hope“ in Nordthailand. Im August 2018 stürmte die Polizei den Sender. Sie bauten die Anlage ab und nahmen alles mit – sogar elektrische Ventilatoren, sagte Chiang Yun-hsin, der den Betrieb dort leitete.

„Wir wurden vollkommen überrumpelt“, sagte der taiwanische Geschäftsmann. Chiang wurde im November verhaftet und über Nacht zu einer Polizeiwache in Bangkok gebracht.

Bei seiner Verhaftung erfuhr er von einem der Polizeibeamten, dass die chinesische Polizei ihr Büro mithilfe von Satellitenbildern lokalisiert hatte.

Die chinesische Polizei flog nach Bangkok und setzte ihre thailändischen Kollegen unter Druck, den Radiosender abzuschalten. Der Staatsanwalt erzählte seinem Anwalt später, die chinesische Botschaft habe darauf bestanden, ihn ins Gefängnis zu stecken.

„Sie wollten ein Exempel an mir statuieren“, sagte Chiang.

Chiang praktiziert Falun Gong. Seiner Aussage nach hätten die chinesischen Behörden versucht, ihn und die Meditationsmethode bei ihren thailändischen Amtskollegen zu diskreditieren.

Als Chiang am ersten Morgen seiner Inhaftierung meditierte, war ein thailändischer Polizist von seinem friedlichen Verhalten beeindruckt und fragte sich laut, warum er als gefährlicher Mann bezeichnet wurde.

Schließlich wurde Chiang des Landes verwiesen und kehrte nach Taiwan zurück. Bereut habe er nichts. Er habe das Richtige getan, sagte er.

Chiang verwies auf die Aktion einer mutigen Gruppe von Falun-Gong-Praktizierenden in Changchun, China, vor rund zwanzig Jahren.

Sie setzten im Jahr 2002 ihr Leben aufs Spiel, um die Übertragung des chinesischen Staatsfernsehens zu kapern und einen Beitrag einzuschleusen, welcher der Hetzpropaganda gegen Falun Gong entgegentrat.

Als Reaktion ließ das Regime Millionen Falun-Gong-Praktizierende im Land verhaften.

Liu Chengjun, der das Kabelfernsehen in der nordöstlichen chinesischen Stadt Changchun anzapfte, bevor er im Jilin-Gefängnis zu Tode gefoltert wurde. Foto: Minghui

Chiang hat viel über die grausame und nicht selten tödliche Folter in Chinas Gefängnissen gelesen. Einige Opfer kennt er persönlich. Sie flohen ins Ausland.

Verglichen mit ihnen, sagte er, sei der Preis, den er zu zahlen hatte, „unbedeutend“.

Das kostbare Radio

Um noch mal auf Anwalt Chen zurückzukommen: Sein erstes Kurzwellenradio bekam er in den 1990er-Jahren. Bis zum Jahr 2012, als er zuerst in die amerikanische Botschaft flüchtete und von dort aus in die USA, trug er fast immer ein Radio bei sich.

Immer wenn er in China unter Hausarrest stand oder im Gefängnis saß wegen seines Einsatzes für die Unterdrückten, war das Gerät wie Ohren zur Außenwelt.

Chen Guangcheng, ein blinder Anwalt, der sich für die Armen in China einsetzte. Foto: Lionel Bonaventure/AFP via Getty Images

Einmal wurde er inhaftiert, weil er sich gegen die Zwangsabtreibungen des Regimes ausgesprochen hatte. Er schaffte es, ein Radio hineinzuschmuggeln. Mit seiner Milchtütenidee gelang es ihm, alle Kameras, Häftlinge und Wärter auszutricksen. Und das, obwohl seine Sachen alle zwei Wochen durchsucht wurden.

Selbst in Zeiten von Smartphones und Computern sei diese altbewährte Technologie immer noch relevant, vorwiegend im ländlichen China, sagte Chen. Die Anschaffungskosten sind unschlagbar niedrig. Außerdem sei man dabei vollkommen unabhängig vom Internet.

„Es ist zwar eine Einwegkommunikation, aber sie ist immer noch unerlässlich“, so Chen weiter. „Und selbst in der Gefangenschaft bleibt man damit zumindest gedanklich am Puls der Zeit.“

Chen bezeichnete die Berichterstattung von „Sound of Hope“ über Chinas gesellschaftliche Lage als „sehr fundiert“ und detailgetreu.

„Jemand muss ein Auge auf das Leid in diesem Teil der Welt haben und es ins internationale Rampenlicht rücken“, sagte er. „Es sollten mehr Ressourcen für diesen Bereich bereitgestellt werden.“

Und genau das wolle „Sound of Hope“ tun.

„Davor hat die chinesische Regierung am meisten Angst“, sagte Zeng. Wenn das nicht so wäre, „warum geben sie sich dann so viel Mühe, ‚Sound of Hope‘ auszuschalten und das bis heute?“

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: “The Sprawling Radio Network That China’s Firewall Can’t Stop“. (deutsche Bearbeitung nh)



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