Türkei kämpft weiter mit hoher Inflation – und hofft auf Freihandelsabkommen mit Golfstaaten

Wenige Tage vor den Kommunalwahlen befindet sich die Wirtschaft in der Türkei nach wie vor in einer angespannten Lage. Einige Indikatoren deuten eine langsame Erholung an. Die Inflation bleibt jedoch nach wie vor hoch – und es droht eine Blasenbildung an der Börse.
Selbst die Zahnpasta ist diebstahlgeschützt. Im Dezember er lag die Teuerungsrate in der Türkei bei knapp 65 Prozent.
Die Inflation in der Türkei bleibt hoch. In Städten wie Istanbul schützen Einzelhändler deshalb ihre Waren vor Diebstahl.Foto: Anne Pollmann/dpa
Von 26. März 2024

Am Sonntag, 31. März, finden in der Türkei landesweit Kommunalwahlen statt. Obwohl die Möglichkeiten der Kommunen, weitreichende Maßnahmen in diesem Bereich zu treffen, beschränkt sind, steht die Wirtschaft im Zentrum der Wahlkampfdebatten.

Vizepräsident Cevdet Yılmaz hat jüngst in einem Gespräch mit „CNN Türk“ erklärt, es werde nach den Wahlen keine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik geben. Das mittelfristige Programm der Regierung werde fortgesetzt, seit den Wahlen im Vorjahr stünden dessen Aussichten auf einem soliden Fundament.

Aufnahme von Freihandelsgesprächen

Die meisten der anvisierten Ziele habe man bisher erreichen können, betonte Yılmaz. Das Vertrauen der Finanzmärkte in Wirtschaftsminister Mehmet Şimşek sei intakt. Der erfahrene Minister hatte nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Vorjahr erneut dieses Amt übernommen. Die Türkei hatte bereits zum damaligen Zeitpunkt mit einer hohen Inflation und den haushaltspolitischen Folgen der Erdbeben des Vorjahres zu kämpfen.

Yılmaz erklärte weiter, dank der bisher durchgeführten Maßnahmen erhalte die Türkei wieder leichteren Zugang zu Finanzmitteln auf den internationalen Märkten. Indikatoren wie Wachstum, Beschäftigung, Exporte und Leistungsbilanzdefizit zeigten eine positive Tendenz.

Erst am Wochenende verkündete Handelsminister Ömer Bolat zudem, dass sich das Land auf dem besten Wege befinde, ein umfassendes Freihandelsabkommen mit den Staaten des Golfkooperationsrats (GCC) abzuschließen. Wie „nex24“ berichtete, haben beide Parteien eine Vereinbarung über die Aufnahme von Gesprächen über ein solches Abkommen geschlossen. Dem GCC gehören Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman, Katar, Bahrain und Kuwait an. Mit den VAE gibt es bereits ein umfassendes bilaterales Abkommen.

Inflation und Währungsstabilität zentrale Baustellen

Dennoch bleiben einige Bereiche weiterhin Sorgenkinder. Dies betrifft in erster Linie die nach wie vor erhebliche Inflation – und die Lira, die regelmäßig an den internationalen Finanzmärkten unter Druck gerät.

Yılmaz räumte ein, dass nach einer Phase der Stabilisierung „in letzter Zeit wieder einige spekulative Bewegungen“ aufgetreten seien. Der Kampf gegen die Inflation benötige jedoch Zeit und von dessen Erfolg hänge auch die Stabilisierung der Lira ab. Das Ziel bleibe, die Inflation bis 2025 auf 15 Prozent und im Jahr darauf auf eine einstellige Rate zu senken.

Derzeit liegt diese jedoch nach wie vor bei fast 70 Prozent – im Februar war sie auf 67 Prozent gestiegen, die Zentralbank geht von möglichen 80 Prozent bis Ende des Jahres aus. Auch deshalb hat sie jüngst den Leitzins um weitere fünf Prozent auf 50 Prozent angehoben.

Dies hat einen entsprechenden bremsenden Effekt auf die Kreditvergabe und auf viele Investitionen. Gleichzeitig macht sich die Teuerung vorwiegend im Alltag der Bürger bei Lebensmitteln oder Treibstoff bemerkbar. Güter dieser Art machen nach wie vor einen erheblichen Anteil ihrer monatlichen Ausgaben aus. Kommunen, Familien und religiöse Gemeinschaften versuchen, die Folgen der Teuerung abzumildern.

Flucht in Sachwerte schlägt sich an den Börsen nieder

Ein weiteres Problem, das sich als Folge der hohen Inflation ergibt, ist auch die Kapitalflucht. Ähnlich wie in Argentinien, wo der US-Dollar zu einer faktischen Parallelwährung geworden ist, führen immer mehr Türken ihre Konten in Fremdwährung. Offiziell sind zu den etwa 128 Milliarden US-Dollar, die dies zu Beginn des Jahres betroffen hatte, bereits weitere sechs Milliarden US-Dollar dazugekommen.

Die Lira hatte im gleichen Zeitraum um acht Prozent gegenüber dem US-Dollar nachgegeben, schreibt die „Welt“. Gegenüber dem Putschversuch von 2016 seien es sogar etwa 90 Prozent gewesen. Die Teuerung belastet auch die Bautätigkeit, was vor allem in großen Städten Wohnungsnot und deutlich steigende Mieten zur Folge hat. Die Preise für Kaufimmobilien haben sich dort häufig vervielfacht.

Um die Bürger zu entlasten, hat die Regierung den Mindestlohn um fast die Hälfte angehoben – zur Stabilisierung der Preise trägt diese Maßnahme nicht bei. Gleichzeitig erlebt die Istanbuler Börse ein Kursfeuerwerk. Vor allem Techwerte sind gefragt. Private und institutionelle Anleger gehen an die Börse, um angesichts der Inflation ihr Geld in Sachwerte zu bringen. Dies steigert die Gefahr einer Blasenbildung.

Inflationswellen in der Türkei keine ungewöhnliche Erscheinung

Die OECD sieht zwar Anzeichen für eine perspektivische Erholung, allerdings sei noch längere Zeit mit zweistelligen Inflationsraten zu rechnen. Für das kommende Jahr rechnet man mit 30,5 Prozent, was immerhin einen Wert deutlich unter dem derzeitigen darstellt. Auch historisch hatte das Land Ende der 1970er- und während der 1990er-Jahre noch größere Inflationswellen erlebt.

Ob und wenn ja, welchen Effekt die Inflation auf die Kommunalwahlen haben wird, ist ungewiss. Der prestigeträchtige Bürgermeisterposten in Istanbul wird von Ekrem İmamoğlu von der oppositionellen CHP gehalten. Für seinen AKP-Herausforderer Murat Kurum bedeuten die Verhältnisse keinen Rückenwind.

Allerdings trauen die Türken auch der Opposition keine entscheidend bessere Wirtschaftspolitik zu – was auch ein Grund dafür war, dass diese seit 2002 nie einen Machtwechsel erreichte.



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