Verhandeln und kämpfen: Israel sieht Kampfwillen der Hamas gebrochen

Israel sucht weiterhin nach der Führung der Hamas, um sie zur Rechenschaft zu ziehen. Laut dem israelischen Koordinator für Vermisste und Geiseln legt die Hamas bei den Verhandlungen Forderungen auf den Tisch, die „wahnhaft sind und nichts mit der Realität zu tun haben“. Daher droht Israel mit der Rafah-Offensive zu Beginn des Ramadan, wenn bis dahin die Geiseln nicht zu Hause sind.
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Am 16. Februar 2024 in Rafah im südlichen Gazastreifen in der Nähe des Grenzzauns zwischen Gaza und Ägypten.Foto: Mohammed Abed/AFP über Getty Images
Epoch Times19. Februar 2024

Der israelische Minister Benny Gantz hat mit dem Start der geplanten Offensive auf Rafah zum Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan gedroht.

„Die Welt muss wissen und die Hamas-Führung muss wissen: Wenn die Geiseln bis zum Ramadan nicht zu Hause sind, werden die Kämpfe überall weitergehen, auch in der Region Rafah“, sagte der ehemalige israelische Armeechef, der dem Kriegskabinett von Regierungschef Benjamin Netanjahu angehört, am Sonntag in Jerusalem. Der islamische Fastenmonat Ramadan soll um den 10. März beginnen.

„Denjenigen, die sagen, dass der Preis zu hoch ist, sage ich ganz klar: Die Hamas hat die Wahl. Sie können sich ergeben, die Geiseln freilassen und die Zivilisten in Gaza können das Ramadanfest feiern“, sagte Gantz.

Viele Terroristen ergeben sich – Kampfgeist gebrochen

Verteidigungsminister Joav Galant sieht den Kampfgeist der Islamisten nach mehr als vier Monaten Krieg gebrochen. „200 Terroristen ergaben sich im Nasser-Spital, Dutzende weitere im Amal-Spital“, sagte Galant am Sonntag bei einer Besprechung mit Armeekommandeuren. „Das zeigt, dass die Hamas ihren Kampfgeist verloren hat.“ Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Zudem habe die aus Furcht vor den israelischen Sicherheitskräften abgetauchte Hamas-Führung unter Gaza-Chef Jihia al-Sinwar in ihren Verstecken den Kontakt zur Außenwelt verloren.

„Die Gaza-Filiale der Hamas antwortet nicht“, sagte Galant. „Es ist niemand mehr vor Ort übrig, mit dem man sprechen kann.“ Die Hamas-Führung im Ausland suche bereits nach Ersatz für al-Sinwar. Über organisierte Streitkräfte verfüge die Miliz nur noch im mittleren Gazastreifen sowie in Rafah, dem südlichen Grenzort zu Ägypten.

Israels Militär hat über das Wochenende seine Einsätze gegen die islamistische Hamas-Miliz in der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens fortgesetzt. Dabei brachte die Armee das Nasser-Krankenhaus, eine der größeren Kliniken des Küstengebiets, unter seine Kontrolle. Nach Darstellung von Mitarbeitern ist das Krankenhaus nicht mehr funktionsfähig.

Die Armee teilte am Sonntagabend mit, hunderte Terroristen und Terrorverdächtige, die sich in der Klinik versteckt hätten, seien gefangen genommen worden. Einige von ihnen sollen sie sich als medizinisches Personal ausgegeben haben.

Netanjahu will Militäroffensive in Rafah

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beharrt auf einer Militäroffensive in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen. Wer Israel zum Verzicht auf die Offensive auffordere, verlange letztlich, dass sein Land „den Krieg“ gegen die radikalislamische Hamas „verlieren“ solle, hatte Netanjahu am Samstagabend gesagt.

Er betonte zugleich, die Offensive werde auch im Falle einer Vereinbarung mit der Hamas über eine Freilassung der israelischen Geiseln stattfinden. Auch wenn eine solche Einigung erzielt werde, „werden wir in Rafah einrücken“, sagte der Regierungschef.

Gantz betonte, eine israelische Offensive in Rafah werde koordiniert und in Absprache mit den USA und Ägyptern ausgeführt, um eine Evakuierung von Zivilisten zu ermöglichen und „die zivilen Opfer so gering wie möglich zu halten“. Wohin sich die Menschen in Sicherheit bringen sollen, blieb jedoch unklar.

In Rafah an der Grenze zu Ägypten haben rund 1,4 Millionen Palästinenser Zuflucht vor den Kämpfen gesucht – mehr als die Hälfte der Bevölkerung Gazas – und suchen Schutz in einem weitläufigen provisorischen Lager nahe der ägyptischen Grenze. Etliche Länder, darunter auch Israels engster Verbündeter USA, fordern daher einen Verzicht auf die Offensive.

Hoffnung auf neuen Geisel-Deal: Forderungen der Hamas „wahnhaft“

In der ägyptischen Hauptstadt Kairo lief eine neue Verhandlungsrunde an. Bislang brachten die Gespräche unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars keine Ergebnisse. Die Entwicklung der vergangenen Tage sei „nicht gerade vielversprechend“, sagte Katars Ministerpräsident Al-Thani am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Der israelische Koordinator für Vermisste und Geiseln, Gal Hirsch, erklärte der FAZ am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz: „Die Regierung will diesen Deal unbedingt“. Derzeit sei man allerdings weit von einer Einigung entfernt.

„Die Hamas legt Forderungen auf den Tisch, die wahnhaft sind und nichts mit der Realität zu tun haben. Damit wollen sie wahrscheinlich Zeit gewinnen.“ Israel sei bereit, „einen Preis zu zahlen“. Aber die Verhandlungen müssten „vernünftig“ sein, so Hirsch.

Ägypten warnt Israel vor Offensive in Rafah

Ägypten hat Israel eindringlich vor einer Offensive in Rafah gewarnt. „Wir sehen die Möglichkeit einer israelischen Offensive in Rafah mit großer Sorge. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass dies nicht geschehen darf“, sagte der ägyptische Außenminister Sameh Schukri der „Welt“ (Montag). „Schon jetzt sind die Folgen der israelischen Offensive für die Zivilbevölkerung in ihrer Schwere ohne Vergleich im 21. Jahrhundert“, sagte Schukri weiter.

Zur Frage, ob Ägypten im Fall eines Vorstoßes nach Rafah den seit 1978 bestehenden Friedensvertrag mit Israel aussetzen könnte, antwortete der Außenminister, das Abkommen diene der Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in der Region, fügte jedoch einschränkend hinzu: „Es wird weiterhin den rechtlichen Rahmen für die Beziehungen zwischen beiden Ländern bilden, sofern alle seine Artikel vollständig, korrekt und in gutem Glauben umgesetzt werden.“

Palästinensischer Regierungschef will Marshallplan für Gaza

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtaje will von der internationalen Gemeinschaft ein Aufbauprogramm für den schwer zerstörten Gazastreifen. „Wir brauchen einen Marshallplan für den Gazastreifen“, sagte Schtaje dpa am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Dieser Plan müsse aus drei Komponenten bestehen: Nothilfe, Rekonstruktion und einer Wiederbelebung der Wirtschaft.

„Wir wissen aus Satellitenaufnahmen, dass 45 Prozent des Gazastreifens zerstört sind. Das bedeutet 281.000 Wohneinheiten, die vollständig oder teilweise zerstört sind.“ Eine Reparatur könne teils schon in Wochen oder Monaten möglich sein. Schtaje: „Das bedeutet, wir brauchen dafür viel Geld.“

Der Regierungschef sitzt mit seiner Autonomiebehörde im Westjordanland und hat keine faktische Kontrolle über den von der palästinensischen Terrororganisation Hamas beherrschten Gazastreifen.

Israel solle die Menschen zurück in ihre Häuser lassen. Dafür müsse Israel Hilfslieferungen in den nördlichen Gazastreifen erlauben und Wasser und Strom wieder anschalten. „Die Leute zurück in ihre Häuser zu lassen, Israel will das vielleicht nicht machen. Aber darüber haben wir in München bei allen Treffen mit Washington, mit Deutschland, Großbritannien und anderen Staaten gesprochen“, sagte er.

Russland hat alle palästinensischen Gruppen nach Moskau eingeladen

Auf Einladung der russischen Regierung werden am 26. Februar in Moskau die Vertreter der unterschiedlichen palästinensischen Gruppierungen zusammenkommen. Dabei treffen die im Westjordanland dominierenden Fatah-Leute auf Vertreter der Hamas.

„Die Russen haben sich entschieden, alle palästinensischen Fraktionen einzuladen“, sagte Schtaje. „Wir brauchen Einigkeit, und die Hamas sollte Teil der palästinensischen politischen Arena sein.“ Ziel sei es, sie auf gemeinsame Ziele unter dem Dach der palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zu verpflichten.

Absehbar ist, dass es in westlichen Regierungen viele gibt, die die Hamas nach den Angriffen auf Israel, der Verschleppung von Menschen, den Berichten über Mord und Vergewaltigung, nicht als Partner akzeptieren. Dagegen geht Schtaje davon aus, dass sich die internationale Gemeinschaft als Teil einer umfassenderen Lösung auf ein Szenario einlassen könnte, bei dem der Hamas noch eine Rolle habe.

Iran und China raten Verbündeten nunmehr zur Mäßigung

Die Hamas verdankt Geld, Waffen und Ausbildung zum großen Teil dem Iran. Seit dem 7. Oktober heizen auch andere, vom Iran unterstützte bewaffnete Gruppen die Spannungen in der weiteren Nahost-Region an.

Die Schiiten-Miliz Hisbollah beschießt vom Südlibanon aus den Norden Israels, von wo 80.000 Bewohner ins Landesinnere in Sicherheit gebracht werden mussten. Schiitische Kampfverbände in Syrien und im Irak greifen vermehrt US-Stützpunkte an.

Die Huthi im Jemen feuern Raketen auf Schiffe im Roten Meer ab. Die Formationen verstehen sich zusammen mit ihrem Förderer Iran als „Achse des Widerstands“, die sich die Vernichtung Israels zum Ziel gesetzt hat.

Die USA und Großbritannien reagierten bislang mit Bombardierungen von Stützpunkten und Raketenstellungen der mit Teheran verbündeten Milizen, vermieden es aber, den Iran selbst anzugreifen. Eine weitere Eskalation an irgendeiner dieser Fronten, vor allem aber im Libanon, könnte – so die allgemein geteilte Befürchtung – einen Flächenbrand in Nahost auslösen.

Nach einem Bericht der „Washington Post“ soll nun der Iran auf die Vermeidung eines solchen Szenarios dringen.

Iranische Emissäre hätten zuletzt in diskreten Treffen mit Verbündeten in der Region diesen zur Mäßigung geraten, schrieb die Zeitung am Sonntag. „Der Iran unternimmt äußerste Anstrengungen, um eine Ausdehnung des Kriegs und eine unumkehrbare Eskalation zu verhindern“, zitierte das Blatt einen nicht näher genannten irakischen Offiziellen mit Nähe zu einer proiranischen Miliz.

Libanon und Huthi

Auch im Libanon scheint Teheran seinem Verbündeten, dem Schiiten-Führer Hassan Nasrallah, davon abzuraten, die ultimative Konfrontation mit Israel zu suchen.

Dort, so die „Washington Post“, habe man sich auf das Narrativ verständigt, dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nicht durch die Eröffnung einer neuen Kriegsfront aus seiner politischen Drucksituation zu helfen.

Der Israeli sei derzeit „in die Ecke gedrängt“, der Gaza-Krieg habe die sich abzeichnende Normalisierung des Verhältnisses zwischen Israel und Saudi-Arabien infrage gestellt, zitierte das Blatt ein Hisbollah-Mitglied. Ein Krieg im Libanon würde hingegen Netanjahu „zum Sieger machen“.

Seit dem 4. Februar gab es keine Angriffe proiranischer Kräfte auf das US-Militär in Syrien und dem Irak mehr. Nasrallah im Libanon vermied es trotz aller Drohgebärden, Israel den Krieg zu erklären. Lediglich die Huthi im Jemen schießen noch auf Schiffe im Roten Meer. China, was Einfluss auf die Huthi und den Iran hat, rief dazu auf, keine Schiffe mehr zu beschießen.

Am Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag beginnt am 19. Februar eine Anhörung zu Israels oft umstrittenem Vorgehen in den besetzten palästinensischen Gebieten. Die EU-Außenminister wollen in Brüssel angesichts der Huthi-Angriffe auf die Schifffahrt im Roten Meer einen neuen Militäreinsatz – die Operation „Aspides“ – beschließen.

(afp/dts/dpa/ks)

 

 



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