Vor den spanischen Parlamentswahlen: LGBTQ-Rechte dominieren die politische Debatte

Spanien hat unter seiner sozialistischen Regierung viele Maßnahmen zugunsten der LGBTQ+-Community ins Rollen gebracht. Nach den Parlamentswahlen in einigen Tagen könnte sich die Lage stark ändern.
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Ein Teilnehmer der WorldPride-Parade 2017 hält einen Regenschirm mit den Farben der Regenbogenflagge auf dem Cibeles-Platz in Madrid.Foto: iStock
Von 18. Juli 2023

Am 23. Juli kommt es in Spanien zu vorgezogenen Parlamentswahlen. Im Mittelpunkt des Wahlkampfes stehen dabei die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender-Personen. Aus einer aktuellen Meinungsumfrage geht hervor, dass die konservative PP-Partei die Wahl in einigen Tagen gewinnen dürfte.

In der Umfrage von „polit.pro“ vom 17. Juli liegt die Partei unter der Führung von Alberto Núñez Feijóo mit 33,5 Prozent der Stimmen deutlich an der Spitze. Doch um eine Regierung bilden zu können, wird Núñez Feijóo voraussichtlich die Unterstützung der rechtsgerichteten Vox-Partei benötigen. Vox hat sich stark gegen jegliche Sonderrechte der LGBTQ-Community ausgesprochen.

Maßnahmen gegen LGBTQ-Gemeinschaft

Die Kommunal- und Regionalwahlen im Mai ebneten bereits den Weg für PP-Vox-Koalitionen in mehreren spanischen Gemeinden. In der Hauptstadt Madrid und anderen Städten wie Málaga, Almería, Córdoba und Granada konnte die PP-Partei alle Wahlbezirke mit absoluter Mehrheit für sich entscheiden. Somit benötigte sie die Partei Vox dort nicht als Koalitionspartner. Doch in den autonomen Regionen Valencia, Murcia, Kantabrien, den Balearen, Extremadura und Aragón brauchen die Konservativen die Vox-Partei, um regieren zu können.

Vox hatte im Mai für Aufruhr gesorgt, als sie eine Werbetafel an ein Gebäude an einer Hauptstraße in Madrid aufhängen ließ. Die Tafel zeigt eine Hand mit einem Armband aus Spanien, die Symbole für Feminismus, Kommunismus, die LGBTQ-Gemeinschaft und die katalanische Unabhängigkeit in einen Mülleimer wirft.

Ebenso erklärte eine neue von Vox geleitete Behörde in der kleinen östlichen Stadt Náquera (Valencia) im letzten Monat, sie werde das Anbringen der regenbogenfarbenen Flagge an öffentlichen Gebäuden verbieten.

Die Bestimmung geht aus einer Vereinbarung hervor, auf deren Umsetzung sich der neue Bürgermeister Iván Expósito und der Gemeindevorsitzende der PP und stellvertretende Bürgermeister Vicente Estelles während ihrer vierjährigen Amtszeit geeinigt haben.

Und in Valdemorillo, einer Kleinstadt in der Nähe von Madrid, sagte der neue PP-Vox-Rat die Theateraufführung von Virginia Woolfs Roman „Orlando“ ab, in der der Protagonist sein Geschlecht wechselt. Darüber hinaus bestand die Vox-Partei darauf, das Symbol der „LGBTQI+“- Bewegung aus den Büros der Regionalbehörden auf den Balearen zu entfernen.

Und im Vorfeld des Pride Day in Spanien hatten zwei Vertreter der PP-Partei zusammen mit einem Vox-Parlamentspräsidenten entschieden, auf Mallorca keine Regenbogenflagge am Parlamentsgebäude in Palma de Mallorca zu hissen.

Vox und Konservative kritisieren Selbstbestimmungsgesetz

In ihrem Wahlprogramm beteuert die konservative PP-Partei, sich für die Gleichstellung von LGBTQ-Personen einzusetzen. Sie engagiere sich für ein „vielfältiges Spanien“, für „Pluralismus“ und für die sogenannte „gerechte Gesellschaft“, heißt es in dem Dokument. Laut PP sollen „alle Menschen respektiert und geschützt werden“. „Wir glauben an ein Spanien, in dem jeder sein Lebensprojekt entwickeln kann“, schreibt die Partei.

Auf der anderen Seite haben sowohl Vox als auch die PP versprochen, gegen einige von der linken Regierung verabschiedete Maßnahmen zugunsten von LGBTQ+ vorzugehen. Zusammen wollen sie eine Änderung gegen das im März in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz erwirken. Vox hat zudem vorgeschlagen, Eltern zu erlauben, ihre Kinder aus dem Sexualkundeunterricht und aus dem Unterricht über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt herauszunehmen.

Das zuvor genannte Selbstbestimmungsgesetz ermöglicht es Trans-Personen über 16 Jahren, ihr rechtliches Geschlecht und ihren Vornamen selbstbestimmt zu ändern. Für die Anpassung auf dem Personalausweis und weiteren Dokumenten können diese einfach das zuständige Standesamt informieren. Das Gesetz erlaubt es auch Kindern über 14 Jahren, ihr rechtliches Geschlecht mit Zustimmung der Eltern zu ändern.

Ein ähnliches Gesetz plant die Ampelregierung derzeit auch in Deutschland. Und in der EU haben einige Länder wie Irland, Dänemark oder Portugal bereits Selbstbestimmungsgesetze eingeführt. Ebenso die Schweiz, Argentinien und Uruguay. Während einige die Bestimmungen als vollen Erfolg werten, sehen Kritiker darin viele Probleme, die auf die Gesellschaft und vor allem auf die jüngere Generation zukommen könnten.

Auch die PP und Vox sowie einige Frauenrechtsgruppen argumentieren, dass die Gesetzgebung Frauen in geschlechtsspezifischen Räumen gefährde. Sie warfen der Linken vor, Kinder dadurch zur medizinischen Umwandlung zu zwingen, wie „Reuters“ berichtete.

„Es ist einfacher, sein Geschlecht zu ändern, als einen Führerschein zu machen“, sagte PP-Partei-Chef Feijóo. Und der Parteivorsitzende von Vox, Santiago Abascal, sagte: „Das ‚Trans-Gesetz‘ diskriminiert Frauen.“

Welche Teile des Gesetzes die Parteien aufheben möchten, haben sie jedoch nicht klargestellt. Laut „Reuters“ hätten beide Parteien es abgelehnt, auf Anfragen nach einer Stellungnahme zu antworten.

Linksgerichtete Medien warnen vor politischer Entwicklung

LGBTQ-Aktivisten sowie linksgerichtete Medien sehen in der politischen Entwicklung eine Bedrohung. So bezeichnet „The Guardian“ Spaniens anstehende Wahlen als eine „Schlüsselschlacht im europaweiten Kampf gegen den Neofaschismus“. Der Zeitung zufolge ziehe Vox in einen „Kulturkampf“ mit dem Vorwand, den traditionellen Nationalstaat zu verteidigen.

Sollte die, laut „The Guardian“, „antifeministische, migrationsfeindliche Vox“ an die Macht kommen, werde dies die „extreme Rechte in Deutschland, Finnland und darüber hinaus ermutigen“. Vox wird von vielen Kritikern mit der AfD in Deutschland, der Fidesz in Ungarn oder der PiS in Polen gleichgestellt. Diesen Parteien wird unter anderem vorgeworfen, ausländerfeindliche Ansichten zu vertreten.

Auch die Italiens rechte Fratelli d’Italia wird dabei in dasselbe Boot gesetzt. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte vergangenen Donnerstag die Vox in Spanien unterstützt. Bei einem im Fernsehen übertragenen Auftritt auf einer Vox-Kundgebung in Valencia hatte sie erklärt, dass der Erfolg der Vox bei den Wahlen in Spanien am 23. Juli „einen Wandel in der europäischen Politik“ einleiten werde. Wie „Politico“ berichtete, habe Meloni ihre „rechtsextremen Verbündeten“ ermutigt.

Spaniens staatlicher LGBTQ-Verband befürchtet Rückschritte

Zu den umgesetzten LGBTQ+-Maßnahmen veröffentlicht die internationale Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Trans- und Intersexuellenvereinigung (ILGA) seit 2009 alljährlich einen Bericht mit einer Rangliste der europäischen Länder. Dabei erhält jedes Land eine Punktzahl auf einer Skala von null bis 100.

Spanien steht auf der Rangliste an vierter Stelle. LGBTQ-Aktivisten befürchten, eine PP-Vox-Regierung würde ihre Rechte zurückschrauben. Unter der sozialistischen Regierung wurde Spanien in mehreren internationalen Umfragen als eine der LGBTQ-freundlichsten Gesellschaften der Welt eingestuft.

Daten des Innenministeriums zeigen jedoch, dass Hassverbrechen gegen die Gemeinschaft zwischen 2019 und 2021 um 68 Prozent gestiegen sind. Diese Entwicklung stützt somit die Prognose einiger Kritiker, die darauf hinweisen, dass wachsende Vormachtstellungen von LGBTQ-Gruppen eher eine gegenteilige Reaktion beim Rest der Bevölkerung auslösen könnte.

Uge Sangil, der Leiter des LGBTQ-Dachverbands FELGTB befürchtet, dass durch eine rechte Regierung bereits erreichte LGBTQ-Rechte nicht umgesetzt werden könnten, so „Reuters“. FELGTB ist der staatliche Verband der Lesben, Schwulen, Transsexuellen, Bisexuellen, Intersexuellen, der mehr als 50 LGTBI-Einheiten aus ganz Spanien miteinander vereint.



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