Wegen Gaza: Kanada stoppt Waffenlieferungen an Israel – Verhandlungen stocken

Kanada unterbricht seine Waffenlieferungen an Israel, die USA wollen Alternativen für eine Bodenoffensive in Rafah. Und die Verhandlungen stocken: Israel will den Krieg nach einer Feuerpause mit dem Ziel der Zerschlagung der Hamas fortsetzen und die Hamas verhandelt um ihr Überleben – und die Möglichkeit, im Nachkriegs-Gaza einflussreich zu bleiben.
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Menschen durchsuchen die Trümmer eines Gebäudes, das am 19. März 2024 in Rafah zerstört wurde.Foto: MOHAMMED ABED/AFP über Getty Images
Epoch Times20. März 2024

Die kanadische Regierung hat einen Stopp ihrer Waffenlieferungen an Israel angekündigt. Außenministerin Melanie Joly gab die Entscheidung am Dienstag (Ortszeit) gegenüber der Zeitung „Toronto Star“ bekannt. Die Situation vor Ort erlaube es nicht mehr, Waffen zu exportieren, hieß es aus Regierungskreisen in Ottawa. Israel reagierte auf die Entscheidung mit scharfer Kritik.

Die von Kanada seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der islamistischen Hamas vor fünf Monaten erteilten Genehmigungen für den Verkauf von Waffen hätten nur die Ausfuhr nicht tödlicher Waffen betroffen. Seit Januar habe es keine Exporte mehr gegeben. In der Vergangenheit war Israel einer der Hauptempfänger kanadischer Waffenexporte.

Israel ist brüskiert

Israel kritisierte die Entscheidung scharf. Außenminister Israel Katz erklärte, der kanadische Schritt „untergräbt Israels Recht auf Selbstverteidigung gegen Hamas-Terroristen“. Die Geschichte werde über Kanadas gegenwärtiges Vorgehen harsch urteilen, schrieb Katz im Onlinedienst X.

Der linke US-Senator Bernie Sanders begrüßte den Lieferstopp. „Angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen, einschließlich der weit verbreiteten und zunehmenden Hungersnot, sollten die USA keinen Cent mehr für (Israels Regierungschef Benjamin) Netanjahus Kriegsmaschinerie bereitstellen“, erklärte er bei X.

Verteidigungsminister Gallant besucht die USA

Das Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärte, eine israelische Delegation werde „auf Bitte von US-Präsident Joe Biden“ in die US-Hauptstadt Washington kommen, um über die Offensive in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen zu beraten.

Demnach schickt Netanjahu seinen Minister Ron Dermer, Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi und einen für humanitäre Fragen zuständigen Militärvertreter nach Washington, aber keine Offiziere der Armee, die für die militärische Planung des Einsatzes in Rafah zuständig sind.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin werde nächste Woche separat den israelischen Verteidigungsminister Joav Galant in Washington empfangen, berichtete der US-Sender CNN am Dienstag unter Berufung auf einen Beamten des US-Verteidigungsministeriums.

Die Pläne Israels zu einer großangelegten Bodenoffensive in Rafah werden von den USA kritisiert. US-Präsident Biden hatte zuvor den Druck auf Israel in dieser Frage erhöht.

In einem Telefonat mit Netanjahu bezeichnete Biden eine Offensive in Rafah als einen „Fehler“, hieß es vom Weißen Haus. Er habe Netanjahu aufgefordert, eine Delegation nach Washington zu schicken, um Möglichkeiten zu besprechen, wie die islamistische Hamas ohne eine größere Bodenoffensive in Rafah ins Visier genommen werden kann.

In Rafah leben inzwischen 1,4 Millionen Menschen auf engstem Raum, nachdem die israelische Armee infolge des Großangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober mit massiven Militäreinsätzen in weiten Teilen des Küstenstreifens vorgegangen ist.

Netanjahu hält an Offensive fest

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will sich dem Druck der USA widersetzen und hält an einer Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens fest. Er habe in seinem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden diesem „unmissverständlich klargemacht“, dass Israel zur Zerschlagung der letzten Bataillone der islamistischen Hamas in Rafah entschlossen sei.

„Es gibt keine andere Möglichkeit, als am Boden hineinzugehen“, sagte Netanjahu vor dem Außen- und Verteidigungsausschuss des israelischen Parlaments, wie die Zeitung „Times of Israel“ berichtete.

Die „Times of Israel“ zitiert einen ranghohen US-Beamten so: „Wir sagen nicht einfach: ‚Nein, das könnt ihr nicht tun. Wir sagen, dass wir bereit sind, mit Ihnen an praktikablen Alternativen zu arbeiten, die Ihnen trotzdem helfen, Ihre Ziele zu erreichen“. Der Widerstand der USA gegen eine größere Bodenoffensive in Rafah bedeute nicht, dass Washington gezieltere Einsätze gegen die Hamas-Führung in Rafah oder anderswo ablehne, hieß es. Die alternativen Pläne der USA seien ebenfalls auf dieses Ziel ausgerichtet.

Schmuggelrouten der Hamas unterbrechen

Ein Ansatz könne demnach sein, dass Israel sich statt einer Bodenoffensive darauf konzentriert, den Waffenschmuggel von Ägypten nach Gaza durch den sogenannten Philadelphi-Korridor zu verhindern.

Der Aufbau einer Infrastruktur zur Unterbrechung der Schmuggelroute sei für die Zerschlagung der Hamas wichtiger als eine große Bodenoffensive in Rafah. „Wenn Israel in Rafah einmarschiert, mit all den zivilen Opfern, die dies mit sich bringen würde, wird die Zusammenarbeit mit Ägypten bei der Sperrung des Korridors sehr viel schwieriger“, hieß es.

Auch das Nachrichtenportal „Axios“ hatte zuvor unter Berufung auf US-Beamte über diese von Washington in Erwägung gezogene Option berichtet.

Eine weitere Idee sei, eine Militäroperation in Rafah zu verschieben und sich auf die Stabilisierung der humanitären Lage im Norden des abgeriegelten Küstengebiets zu konzentrieren, berichtete das Nachrichtenportal am Dienstag weiter. Dort droht nach Angaben der Vereinten Nationen eine Hungerkatastrophe.

Diese Option würde auch den Bau von Unterkünften für die aus Rafah zu evakuierende Zivilbevölkerung beinhalten, berichtete „Axios“. Ziel sei es, das Potenzial zu verringern, dass es bei einer Invasion in Rafah zu massiven zivilen Opfern kommt. Rafah gilt als die letzte nicht stark zerstörte größere Stadt im abgeriegelten Gazastreifen. Jede Art von Einsatz in Rafah setze eine weitaus stabilere humanitäre Situation in dem Küstengebiet voraus, berichtete auch die Zeitung „Times of Israel“ unter Berufung auf einen US-Beamten.

Verhärtete Fronten bei Verhandlungen über Feuerpause

Bei den über die Vermittler Katar, Ägypten und den USA geführten Verhandlungen erschienen die Ziele Israels und der Hamas jedoch derzeit unmöglich miteinander vereinbar, berichtete das „Wall Street Journal“.

Während Israel darauf poche, den Krieg nach einer Feuerpause mit dem Ziel einer Zerschlagung der Hamas fortzusetzen, verhandele die Hamas im Wesentlichen um ihr Überleben und dränge auf einen dauerhaften Waffenstillstand und Möglichkeiten, im Nachkriegs-Gaza einflussreich zu bleiben, wenn auch nicht mehr als Herrscher.

Die Vermittler sähen die laufenden Gespräche als letzte Chance, eine Waffenruhe zu erreichen, bevor es zu Israels Rafah-Offensive kommt, hieß es. Jeder Angriff auf Rafah würde alle Bemühungen um eine Einigung über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln behindern, warnte der Sprecher des katarischen Außenministeriums.

Spielt Hamas-Anführer al-Sinwar auf Zeit?

Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, reiste am selben Tag aus Katar in seine Heimat zurück, um das Kriegskabinett über den Stand der dort laufenden Verhandlungen zu unterrichten. Barneas Delegation ist aber laut Medien weiter in der Hauptstadt Doha, wo die von Katar, den USA und Ägypten vermittelten Gespräche erst am Montagabend wieder aufgenommen worden waren.

Es werde damit gerechnet, dass die Gespräche ein bis zwei Wochen dauern. Ein ranghoher israelischer Beamter habe erklärt, man sei pessimistisch, dass eine Einigung erzielt werden könne, berichtete die „Times of Israel“. Zwar könnten die Meinungsverschiedenheiten überbrückt werden, doch sei nicht klar, ob der Hamas-Anführer im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, wirklich eine Einigung anstrebe oder nur auf Zeit spiele, um die geplante israelische Offensive auf Rafah abzuwehren. (afp/dpa/red)



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