Anonymität als Schutzschild: Klimaaktivisten sorgen für Prozessabbruch

In Bautzen hat ein Prozess gegen widerständische „Klimaaktivisten“ für Schlagzeilen gesorgt: Drei Beschuldigte weigerten sich, ihre Identität gegenüber Polizei und Amtsgericht preiszugeben. Der Richter brach den Prozess ab. Amtsgerichts-Direktorin Gesine Tews sieht eine „Gerechtigkeitslücke“.
«Heibo bleibt!»: Im Heidebogen in Sachsen haben sich seit etwa eineinhalb Jahren Klimaaktivisten und Naturschützer verschanzt, um gegen den Kiesabbau zu protestieren. Die Polizei räumt heute einen Waldweg.
Bis zum 15. Februar 2023 hatten „Klimaaktivisten“ ein Waldstück in der Laußnitzer Heide besetzt, um den Kiestagebau zu verhindern. Dann räumte die Polizei. Drei Widerständler stehen nun vor Gericht – und schweigen über ihre Identität.Foto: Sebastian Kahnert/dpa
Von 10. Mai 2023

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„Die werden ja mit Samthandschuhen angefasst!“ Diesen Vorwurf hört man häufig von Menschen, die die Straßenprotestaktionen der „Klima-Kleber“ kritisch betrachten. Und in der Tat bemühen sich Polizisten, die Hände der Angehörigen der „Letzten Generation“ und ähnlicher Gruppen möglichst schonend vom Asphalt zu lösen, behutsam von der Straße zu tragen und auch sonst anständig zu behandeln. Das gilt auch für Protestaktionen im Wald. All das sollte in einem Rechtsstaat auch der Normalfall sein.

Was aber, wenn ein Gericht gar nicht weiß, wer da auf der Anklagebank sitzt? Ein aktueller Fall aus dem sächsischen Bautzen gibt zu denken, denn dort ließ der Richter einen Prozess schon kurz nach Eröffnung des Verfahrens abbrechen, weil die mutmaßlichen Straftäter sich weigerten, ihre Identität preiszugeben. Die Anklage wurde nicht verlesen, ein Urteil nicht gefällt.

Widerstand gegen Kiestagebau

Wie unter anderem die Zeitung „Junge Freiheit“ berichtet, sollten sich drei Beschuldigte wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ vor dem Amtsgericht Bautzen verantworten.

Sie sollen sich gewehrt haben, als rund 1.000 Polizisten am 15. Februar 2023 einen Teil des Heidebogen-Waldes in der Laußnitzer Heide bei Ottendorf-Okrilla (Landkreis Bautzen) räumten, damit das örtliche Kieswerk Rohstoffe fördern konnte. Zuvor hatten die „Klimaprotestler“ ähnlich wie die Widerständler von Lützerath monatelang im Wald campiert, wie unter anderem der MDR berichtet hatte. (Bildergalerie zur Räumung: MDR)

Die Staatsanwaltschaft hatte nach Informationen der „Bild“ daraufhin Strafbefehle über die Zahlung von jeweils 800 Euro gegen die Beschuldigten beantragt.

Verhältnismäßig – oder ein „Unding“?

Die Waldbesetzer hätten laut „Bild“ schon bei ihrer Festnahme keinerlei Auskunft gegeben. Deshalb seien sie zunächst eingesperrt worden. Doch schon nach einem Tag in Gewahrsam sei der Haftbefehl aus Gründen der „Verhältnismäßigkeit“ vom Ermittlungsrichter außer Vollzug gesetzt worden, nachdem die drei Aktivisten jeweils 800 Euro Kaution und die Adresse ihres Anwalts abgegeben hätten. Eine Fluchtgefahr habe nach Meinung des Richters nicht bestanden.

Cathleen Martin, die Chefin der Deutschen Polizeigewerkschaft in Sachsen, nannte diese Entscheidung des Ermittlungsrichters gegenüber der „Bild“ ein „absolutes Unding“ und einen „Schlag ins Gesicht des Rechtsstaates“. Denn „wer seinen Namen nicht sagt, muss hinter Gittern bleiben“, meint die Gewerkschafterin.

Schweigen vor Gericht

Zum Gerichtstermin am 8. Mai seien am frühen Nachmittag nur zwei der mutmaßlichen Täter im Verhandlungssaal erschienen – offensichtlich eine junge Frau und ein junger Mann. Der dritte Beschuldigte, der bereits am Vormittag geladen gewesen sei, sei der Vorladung erst gar nicht gefolgt.

Die beiden Anwesenden hätten es sogleich abgelehnt, ihre Personalien anzugeben. Auch ihr Anwalt habe es für richtig gehalten, dem Gericht keine Auskunft über die Identität seiner Mandanten zu geben. Nach eigenen Angaben muss er keine Durchsuchung seiner Kanzlei befürchten: So etwas wäre nach seinem Rechtsverständnis „hochgradig illegal“, zitiert ihn die „Junge Freiheit“.

Verfahrensfortsetzung im Gerichtssaal fraglich

Nach der gescheiterten Personalienabfrage habe der Richter entschieden, die Angeklagten als „unbekannte Personen“ (UP) und mit Nummern anzusprechen. Schließlich habe er die Sitzung abgebrochen. Nun solle die Polizei ihr Glück versuchen, die Identität und die Wohnsitze der Aussageverweigerer herauszufinden. Bei Gelingen wolle das Gericht darüber entscheiden, ob das Verfahren fortgesetzt werde.

Nach „Bild“-Informationen habe es das Gericht abgelehnt, den ursprünglichen Haftbefehl wieder in Vollzug zu setzen – erneut unter Verweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Görlitz, die die Anklageseite vertritt, habe diese Auffassung geteilt. Auch die Gerichtssprecherin, Amtsgerichts-Direktorin Gesine Tews, habe bestätigt: „Es darf niemand länger in Haft sitzen, wie das zu erwartende Strafmaß wäre“.

„Gerechtigkeitslücke“

Nach Angaben des Onlineportals „News.de“ könnte der Richter nun zwar über den Weg eines „vereinfachtes Verfahren[s] zur Bewältigung leichter Kriminalität mit rechtskräftiger Verurteilung ohne mündliches Hauptverfahren“ über den Strafbefehl entscheiden. Doch solch ein Strafbefehl könne angesichts der aktuellen Sachlage nur über den Anwalt der Beschuldigten zugestellt werden. Somit sei die praktische Durchsetzung zweifelhaft, meinte Tews in der „Bild“. Eine durch Schweigen erwirkte Straffreiheit sei aber „ebenfalls nicht zu vertreten“. Sie sprach von einer „Gerechtigkeitslücke“.

Einen Ausweg sehe Tews nun in einer Ausschreibung zur Fahndung nach den drei Beschuldigten. Sollten sie irgendwann aufgegriffen werden, müssten Sie auf jeden Fall eine Strafe zahlen – oder eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen. Nach Informationen der „Bild“ ist es „strittig“, ob die erbrachte Kaution „automatisch zur Begleichung der Strafe“ einbehalten werden dürfe.

Maximal 1.000 Euro Bußgeld

Bereits 2019 hatte es einen ähnlichen Fall gegeben: Damals ging es um eine junge Klimaaktivistin, die nach ihrer Festnahme im Hambacher Forst ihren Namen gegenüber Polizei und Gericht geheim gehalten hatte. Die als „Eule“ bekannte Frau solle versucht haben, einer Polizistin ins Gesicht zu treten. Sie wurde trotz Anonymität zu neun Monaten Jugendhaft verurteilt, verließ das Gefängnis aber bereits nach knapp einem halben Jahr unter Wahrung ihrer Anonymität, wie die „Rheinische Post“ seinerzeit berichtete.

Wie „News.de“ berichtet, handelt es sich nach Einschätzung des Strafverteidigers Udo Vetter lediglich um eine Ordnungswidrigkeit, gegenüber der Polizei oder einem Gericht die eigene Identität zu verschweigen. Das Bußgeld sei in solchen Fällen auf 1.000 Euro beschränkt.



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