Deutsche Industrie: Seit fünf Monaten auf Talfahrt – und kein Ende in Sicht

„Die wirtschaftliche Realität sieht immer noch nicht rosig aus“, bezeichnete ein ING-Analyst die schwache konjunkturelle Lage. Die Produktion in der deutschen Industrie schwächelt erneut. Neben mehreren heimischen Problemen gibt es auch ein internationales Problem.
Deutsche Industrie: Seit fünf Monaten auf Talfahrt – und kein Ende in Sicht
Der Maschinenbau verzeichnete im Oktober ein deutliches Minus in der Industrieproduktion.Foto: iStock
Von 24. Dezember 2023

Die Produktion in der deutschen Industrie befindet sich bereits seit fünf Monaten auf einer bedenklichen Talfahrt. Jupp Zenzen, Konjunkturexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) schilderte dazu den Ernst der Lage:

Das ist nicht nur der längste Rückgang seit 2008, sondern auch der niedrigste Stand seit der Pandemie.“

Mehrere Branchen betroffen

Die aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden zeigen, dass die Produktion im Oktober im Vergleich zum Vormonat um 0,4 Prozent gesunken ist. Im Vergleich zum Vorjahresmonat liegt der Rückgang bei 3,5 Prozent. Es ist bereits der fünfte Monat in Folge mit einer negativen Entwicklung und zeigt die anhaltende Schwäche der deutschen Industrie. Für November liegen noch keine Daten vor.

Von diesem Abwärtstrend ist besonders der Maschinenbau betroffen. Dessen Produktion im Oktober schrumpfte im Oktober im Vergleich zum Vormonat um 6,3 Prozent. Im September hatte diese Branche noch ein Wachstum von 3,9 Prozent. Auch die traditionsreiche deutsche Autoindustrie hat mit einem Rückgang zu kämpfen, konnte jedoch im Oktober noch einen leichten Anstieg von 0,7 Prozent vorweisen.

Neben dem Maschinenbau sind auch andere Bereiche der deutschen Industrie von dem Rückgang betroffen. Die elektrische Ausrüstung verzeichnete einen starken Rückgang von knapp über drei Prozent, wie das Bundeswirtschaftsministerium informiert. Ebenso sank die Produktion in den energieintensiven Bereichen der chemischen Erzeugnisse (minus zwei Prozent), der Metallerzeugnisse (minus 1,2 Prozent) und Glas, Glaswaren sowie Keramik (minus 0,6 Prozent).

Das Statistische Bundesamt präsentierte dazu in ihrer Pressemitteilung eine Grafik, deren Index sich am Jahr 2015 (100) orientiert. Ein deutlicher Einbruch der Industrie ereignete sich demnach mit Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020. Bis Ende 2020 erholte sich der Wert wieder (101,7) und erlebte bis Oktober 2023 und vor allem in den letzten Monaten einen stetigen Rückgang auf 94,3. Das Baugewerbe zeigt sich mit einem Wert von 110,1 stabiler.

Produktion im produzierenden Gewerbe in Deutschland. Foto: Statistisches Bundesamt

Energiepreisschock, Haushaltskrise und Förderstopps

Doch was sind die Gründe für diesen Abwärtstrend? Das Bundeswirtschaftsministerium nennt hierbei Brücken- und Ferientage im Oktober. Sie hätten sich negativ auf die Gesamtproduktion der Industrie ausgewirkt. Aber auch ohne diese Sondereffekte zeige sich derzeit eine schwache konjunkturelle Lage.

Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, schilderte einen bedeutenden Grund in der „Rheinischen Post“. Er sieht den historischen Energiepreisschock infolge des Ukraine-Krieges als entscheidende Ursache für den aktuellen Rückgang der Industrieproduktion. Auch die Baubranche ist von Problemen betroffen wie hohe Zinsen und Fachkräftemangel.

Ein weiterer Grund ist für Dullien das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds. Diese verstärkte die derzeitige Haushaltskrise, die verschiedene Förderprogramme stoppte oder einschränkte. Das könnte laut dem Konjunkturforscher ebenfalls Auswirkungen auf die Industrie haben. Diese Unsicherheit könnte zu vorübergehender Investitionszurückhaltung der Unternehmen führen und die Schwächephase in der Industrie verstärken.

Auch Carsten Brzeski, Analyst bei der ING, kommentierte die Situation laut „Blackout News“. Er betonte, dass es für die deutsche Wirtschaft schwierig sein wird, neue Wachstumsimpulse zu finden. Obwohl das Schlimmste möglicherweise hinter uns liege, sehe die wirtschaftliche Realität immer noch nicht rosig aus, so Brzeski.

Die Zeichen stehen auf Rezession

Nach den aktuellen Daten fallen auch die Auftragseingänge in der deutschen Industrieproduktion schwächer aus als in Branchenkreisen erwartet, berichtet die „Finanzmarktwelt“. Das trübte die Aussichten auf eine Erholung der Industrieproduktion weiter ein.

Im Oktober sank die Produktion um 0,4 Prozent gegenüber dem Vormonat, während Ökonomen einen Anstieg von 0,2 Prozent prognostiziert hatten. Dieser Rückgang bestätigt die Wachstumsschwierigkeiten Deutschlands. Ebenso ist es ein weiteres Indiz dafür, dass die größte europäische Volkswirtschaft auf dem Weg in eine Rezession ist – oder sich schon darin befindet.

Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im dritten Quartal um 0,1 Prozent. Gleichzeitig erwarten Analysten, dass es im vierten Quartal einen weiteren Rückgang in dieser Größenordnung geben wird. Das Verarbeitende Gewerbe ist das wirtschaftliche Rückgrat Deutschlands. Bereits seit Längerem leidet das Land besonders unter den hohen Energiepreisen, höheren Zinsen und der schwachen weltweiten Nachfrage. Infolgedessen leidet auch der Wohlstand darunter.

Ein europäisches Problem

Die deutsche Industrie ist nicht allein mit ihren wirtschaftlichen Problemen. Auch die wirtschaftsstarken Länder Frankreich und Spanien verkündeten ähnliche Rückgänge in ihren Industrieproduktionen. Falls sich dieser Trend fortsetzt, könnte dies zu einer Rezession in der gesamten Eurozone führen.

Erschwerend kommt für die Europäer hinzu, dass China dabei ist, die essenziell wichtige Autoindustrie der europäischen Wirtschaft zu erobern, wie die „Welt“ berichtet. Das Handelsdefizit zwischen Importen in die EU und Exporten nach China ist nicht zuletzt deswegen auf fast 400 Milliarden Euro angestiegen. So beherrscht China etwa die Lieferketten für Batterien, die in der Elektromobilität wichtig sind. Zudem hat der Konkurrent aus Fernost die eigene Elektroauto-Industrie stark subventioniert.

Das führte dazu, dass chinesische Unternehmen inzwischen ihren heimischen Markt dominieren. Europas Autohersteller befürchten indes, dass die stark gestiegenen chinesischen Exporte bald auf ihre Märkte drängen. Denn dort hindert sie derzeit keine einschränkenden Schutzzölle.

(Mit Material von AFP)



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