„Empower Muslima“: Gülen-naher Verein startet Workshops für muslimische Frauen in Deutschland

Mit der Workshop-Reihe „Empower Muslima“ will das der Gülen-Bewegung zuzurechnende „Forum Dialog“ muslimischen Frauen helfen, eigenes Potenzial zu entfalten. Die Berliner Landeszentrale für politische Bildung wird das Projekt unterstützen.
Titelbild
Eine Muslimin in Berlin.Foto: Sean Gallup/Symbolbild/Getty Images
Von 8. Juli 2020

Mit einer Workshop-Reihe will das in Berlin ansässige „Forum Dialog“ jungen Frauen aus muslimischen Communitys Strategien für den Erfolg im Beruf aufzeigen.

Unter dem Motto „Empower Muslima“ plant der Verein, der dem Netzwerk des türkischen Predigers Fethullah Gülen zuzurechnen ist, für die Zeit von September bis November 2020 eine Veranstaltungsreihe mit der Bielefelder Motivationstrainerin Sanaa Laabich. Die Berliner Landeszentrale für politische Bildung wird das Projekt unterstützen.

Beschwerden wegen Diskriminierung zu 76 Prozent von Musliminnen mit Kopftuch

Das „Forum Dialog“ will mit der „Empowerment“-Initiative muslimischen jungen Frauen die Möglichkeit geben, sich mittels der darin erlangten Erkenntnisse besser in die Gesellschaft einzubringen bzw. Strategien zu entwickeln, die ihnen auf vielen Ebenen des Lebens behilflich sein können. Dies sei vor allem vor dem Hintergrund dringlich, heißt es auf der Seite des Vereins, als es sich bei diesen um eine „besonders vulnerable Gruppe innerhalb der muslimischen Gemeinschaft“ handele.

Der im Mai des Jahres vom Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichten Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) zufolge ist die Zahl der Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund im Jahr 2019 um 4,4 Prozent auf 950 gestiegen. Dazu zählen unter anderem auch Übergriffe auf islamische Einrichtungen oder strafbare Handlungen gegen Repräsentanten muslimischer Gemeinden.

Von diesen werden etwa 90 Prozent rechtsextremistisch motivierter politischer Kriminalität zugeordnet, dazu kommen unter anderem aber auch linksextremistische Übergriffe auf islamische Einrichtungen, die beispielsweise dem Umfeld der terroristischen „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) und ihrer Vorfeldorganisationen zuzurechnen sind.

Muslimische Frauen werden hingegen in Öffentlichkeit und Freizeit häufig zum Ziel verbaler und körperlicher Übergriffe. Unter den Beschwerden wegen „verbaler und körperlicher Gewaltdiskriminierung“ in diesem Bereich, die bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingingen, betrafen 76 Prozent „muslimische Frauen, die sichtbar sind“, also ein Kopftuch oder eine andere Form der Verhüllung tragen.

„Bei Frauen traut man sich eher“

Im Schnitt werden in Deutschland täglich zwei islamfeindliche Straftaten pro Tag angezeigt. Mitarbeiterinnen von Opferberatungsstellen wie Nina Mühe von der Vereinigung „Claim“ gehen davon aus, dass die Dunkelziffer deutlich höher sei, da nicht alle Vorfälle dieser Art zur Anzeige gebracht oder an eine Antidiskriminierungsstelle gemeldet würden.

Frauen würden deutlich häufiger Opfer tätlicher Übergriffe im Alltag, erklärte Mühe im Vorjahr gegenüber der „taz“: „Bei Frauen traut man sich eher“, so ihr Fazit.

Die offensive Politisierung des Tragens eines Kopftuchs vonseiten religiöser Musliminnen senke die Hemmschwelle: „Das ist politisch so sehr als problematisch geframed, dass Leute sich legitimiert fühlen, dagegen vorzugehen.“

Das „Forum Dialog“ will mithilfe von Empowerment-Trainerin Laabich nun dem Kreislauf der Einschüchterung entgegenwirken, dem muslimische Frauen häufig durch familiären Erwartungsdruck auf der einen und gesellschaftlichem Anpassungsdruck auf der anderen Seite ausgesetzt sind.

„Empower Muslima“ soll an Gülen-Tradition in der Türkei anknüpfen

In einem „Safe Space“, in dem Musliminnen unter sich sind, sollen die Betroffenen über ihre Erfahrungen sprechen, sich gegenseitig stärken und Strategien der Selbstermächtigung erlernen.

„Dabei geht es darum mögliche Bewältigungs- und Handlungsstrategien gemeinsam zu erarbeiten“, heißt es in der Ankündigung zu einem „Empowermentworkshop für Frauen mit Rassismuserfahrungen“, den Laabich bereits im Vorjahr in Göttingen gehalten hatte. Mithilfe verschiedener Methoden, unter anderem Biografiearbeit, sollen „auf eine kreative Art und Weise Ressourcen und Kraftquellen aktiviert und damit das Selbstbewusstsein der Teilnehmerinnen gestärkt“ werden.

Inwiefern es dem „Forum Dialog“ gelingen wird, über den erweiterten Kreis des eigenen Netzwerks hinaus muslimische Frauen mit seinem Angebot zu erreichen, ist ungewiss. Auf der einen Seite hat gerade das vom in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen inspirierte Netzwerk in der Türkei zu einer Zeit Erfolge in der Bildung und Qualifizierung von Frauen zu verzeichnen gehabt, da es beispielsweise religiösen Frauen untersagt war, an Universitäten das Kopftuch zu tragen.

Auf der anderen Seite sind der Prediger und sein Netzwerk seit dem Bruch mit dem damaligen türkischen Premierminister und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei in Ungnade gefallen, was auch in der türkischen Einwanderercommunity in Deutschland nicht ohne Folgen blieb.

Nach dem gescheiterten Putschversuch einer Gruppe von Militärs im Juli 2016, für den Erdoğan die Gülen-Bewegung verantwortlich macht, kam es zu Boykottaufrufen, Drohungen und sogar Übergriffen gegen Einrichtungen, die dem Netzwerk zuzuordnen sind.

Bereits 2013 Kongress mit 150 Unternehmerinnen in Berlin

In mehreren Moscheen der Ditib wurde bekannten Vertretern des Netzwerks der Zutritt verweigert, andernorts setzte der türkische Geheimdienst Gläubige oder sogar Geistliche auf vermeintliche Gülen-Anhänger an, um diese auszukundschaften und die Sicherheitsbehörden in Ankara mit Erkenntnissen zu versorgen. Diese politischen Unwägbarkeiten könnten auch interessierte Frauen davon abhalten, an den Workshops teilzunehmen.

Dass das „Forum Dialog“ mit Sanaa Laabich eine Trainerin gewinnen konnte, die in der muslimischen Community auch über verfeindete Lager hinweg Autorität genießt, könnte aber auch als Ausdruck des Bestrebens gedeutet werden, Differenzen innerhalb der Einwanderercommunity aufgrund politischer Konflikte im Herkunftsland hintanzustellen.

Immerhin hatte das Gülen-Netzwerk bereits vor den schicksalhaften Ereignissen der Jahre von 2013 bis 2016 in der Türkei erste vielversprechende Initiativen gesetzt, um gerade Frauen aus der türkischen Einwanderercommunity und aus muslimischen Gemeinschaften in Deutschland zur wirtschaftlichen Eigeninitiative zu ermuntern.

So hatte bereits im Januar 2013 der Gülen-inspirierte Bundesverband der Unternehmervereinigungen (BUV) 150 unternehmerisch tätige Frauen und 20 Gäste zu einem Kongress in die Landesvertretung Baden-Württemberg geladen, um über „Frauen als Unternehmerinnen“ zu sprechen.

Mit dabei war die damalige Vorsitzende des Ausschusses Familien-, Senioren-, Frauen- und Jugendpolitik im Deutschen Bundestag, Sibylle Laurischk (FDP). In den Vorträgen wurden die unzureichende Infrastruktur für Kinderbetreuung und Probleme beim Aufbau von Geschäftskontakten und der Beschaffung von Startkapital als die wesentlichsten Hindernisse für eine erfolgreiche Unternehmensgründung genannt.



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