FDP und Arbeitgeberverbände wollen Streikrecht eingrenzen

Die FDP ist mittlerweile offenbar fest zu Eingriffen in die Streikkultur Deutschlands entschlossen. Zum Schutz der „kritischen Infrastruktur“ brauche es Eingriffe durch ein eigenes Bundesgesetz. Die Verantwortung liege vor allem bei Claus Weselsky, dem Chef der Lokführergewerkschaft GDL.
Eine Anzeigetafel für Fahrgastinformationen informiert im Bahnhof von Wismar über Auswirkungen des GDL-Streiks.
Symbolbild: Eine Anzeigetafel für Fahrgastinformationen informiert im Bahnhof von Wismar über Auswirkungen einer GDL-Streikaktion.Foto: Jens Büttner/dpa
Von 19. März 2024

Nach den Corona-Maßnahmen, dem Eingriff in die Heizungsautonomie der Bürger und dem geplanten Angriff auf die Meinungsfreiheit „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ durch das Innen- und das Familienministerium steht seit einigen Tagen die nächste Einschränkung von bürgerlichen Rechten durch die Ampelregierung vor der Tür.

Dieses Mal scheint es vorrangig an der FDP, das Thema anzuschieben. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai war vorerst der letzte Liberale, der die Dringlichkeit des Themas betonte: In der „Bild am Sonntag“ kündigte er an, das „Streikrecht im Bereich der kritischen Infrastruktur“ beschneiden zu wollen.

Djir-Sarai kritisiert „maßlose Streikgier“

Angesichts der jüngsten Arbeitskämpfe zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sprach der studierte Betriebswirt und Außenpolitik-Experte von einer „maßlose[n] Streikgier“. Diese müsse „in Zukunft unterbunden“ werden, denn immerhin handele es sich um „kritische Infrastruktur“. Und da müsse eben „die Verhältnismäßigkeit gewahrt“ bleiben.

Dem Liberalen gehen die aktuellen Freiheiten der Bahn-Arbeitnehmer offenbar viel zu weit, die Bürokratie rund um Tarifauseinandersetzungen dagegen bislang nicht weit genug:

Dazu gehören Instrumente wie verpflichtende Schlichtungen, klare Streikfristen und die Möglichkeit, Verhandlungsführer auszutauschen. Auch müssen wir über eine generelle Einschränkung des Streikrechts in sensiblen Bereichen sprechen.“

Djir-Sarai attackierte laut „Bild“ insbesondere GDL-Chef Claus Weselsky scharf: Dieser habe „das ganze Land monatelang in Geiselhaft genommen, ohne ernsthafte Bereitschaft zur Kompromissfindung erkennen zu lassen“. Dadurch sei ein „enorm[er] volkswirtschaftliche[r] Schaden für Deutschland“ entstanden. „So kann es in Zukunft nicht weitergehen“, zitiert „Bild“ den gebürtigen Teheraner.

«Wir sind dagegen», sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat sich gegen die „maßlose Streikgier“ der GDL ausgesprochen. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Auch Wissing will Streikrecht prüfen lassen

Nachdem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) schon am Dienstag der vergangenen Woche im ARD-„Morgenmagazin“ darüber gesprochen hatte, das deutsche Streikrecht einer Prüfung unterziehen zu wollen, appellierte kurz vor dem Wochenende zunächst Parteichef Christian Lindner im FAZ-Interview (Bezahlschranke) an die Verantwortung der Kontrahenten im Tarifstreit der Bahn. Sobald der aktuelle Konflikt zwischen Bahnvorstand und GDL bereinigt sei, sei eine Debatte „ohne Denkverbote nötig“, so Lindner laut FAZ.

Damit dürfte das Thema Streikgesetz womöglich noch im März erneut aufs politische Tapet kommen. Denn augenblicklich sieht es nach Angaben der „Tagesschau“ danach aus, als könne in der laufenden Woche endlich ein Kompromiss geschlossen werden. Die GDL wolle bis dahin auf neuerliche Arbeitskampfmaßnahmen verzichten. Sollte es doch noch dazu kommen, würde es sich laut „Tagesschau“ um die siebte Beeinträchtigung des Zugverkehrs im Kontext des aktuellen Tarifstreits handeln. Um das Szenario zu vermeiden, rief Bundesverkehrsminister Wissing alle Seiten eigens zu einem „Osterfrieden“ auf.

Schäffler (FDP): „Scholz muss es wie Thatcher machen“

Nach Lindner reihte sich FDP-Fraktionsfinanzexperte Frank Schäffler der „Bild“ zufolge in die Reihen der Befürworter eines eigenen Streikgesetzes ein: Schäffler empfahl dem Regierungschef Olaf Scholz (SPD), die „Macht der Gewerkschaften“ zu brechen, so wie es in den 1980er-Jahren der britischen Premierministerin Margaret Thatcher gelungen sei:

Scholz muss es wie Thatcher machen. Wir brauchen ein Streikrecht, dass [sic!] aufmüpfige und uneinsichtige Gewerkschafter in die Schranken weist.“

Denn es könne „nicht sein, dass sich ein ganzes Land von einem uneinsichtigen und starrköpfigen Gewerkschaftschef auf der Nase herumtanzen“ lasse, wetterte Schäffler ähnlich wie jüngst Bijan Djir-Sarai in Richtung Weselsky.

Arbeitgeberverbände ebenfalls für eigenes Streikgesetz

Nach Angaben der „Tagesschau“ verlangte auch Karl-Peter Naumann, der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, verbindliche Reformen: „Wir müssen für die kritische und alternativlose Infrastruktur in Deutschland neue Regeln schaffen“, so Naumann.

Wenig überraschend habe sich dem Steffen Kampeter, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, angeschlossen: Dieser favorisiere „ein Arbeitskampfrecht, das gerade auch für die Infrastruktur angemessene Ankündigungsfristen, Schlichtungsregelungen und Abkühlungsphasen“ beinhalte. GDL-Chef Weselsky betreibe einen „Missbrauch des Arbeitskampfrechts, der nicht länger vom Gesetzgeber akzeptiert werden sollte“.

Bislang reines „Richterrecht“

Nach Informationen der „Tagesschau“ verlangte auch der Bund der Katholischen Unternehmer und die Mittelstands- und Wirtschaftsunion ein bundesweites Streikgesetz verlangt. Derzeit sei „das Streikrecht in Deutschland reines Richterrecht – anders als in anderen europäischen Ländern, wo es ein richtiges geschriebenes Streikrecht gibt“, erklärte Gitta Connemann, CDU-Bundestagsabgeordnete und Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) im „rbb24-Inforadio“.

In der Tat fußt das deutsche Streikrecht nach Angaben der Rechtsanwaltskanzlei Herfurtner nicht auf einem, sondern gleich auf mehreren „Gesetzen und Verfassungsnormen“, nämlich hauptsächlich auf Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes, auf dem Tarifvertragsgesetz (TVG), dem Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), der Entsenderichtlinie der EU, dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und dem Personalvertretungsgesetz (PersVG). Mit anderen Worten: Um über die Rechtmäßigkeit eines Streiks urteilen zu können, müssen Richter in Deutschland viele Details aus Einzelgesetzen in Einklang bringen können.

GDL kämpft für 35-Stunden-Woche

Nach Informationen des „Deutschlandfunks“ (DLF) vertritt die GDL die Interessen von etwa 10.000 Mitgliedern. Ihr Kampf um einen neuen Tarifvertrag beschäftigen seit Monaten nicht nur die GDL und die Bahn, sondern wirkt sich naturgemäß auch auf private Bahnkunden, die Lieferketten und damit auf die gesamte Mobilitäts- und Versorgungslogistik Deutschlands aus. Sie alle hatten in den vergangenen Monaten schwer mit den äußerst kurzfristigen „Wellenstreiks“ der Gewerkschafter zu kämpfen. Laut DLF verursacht jeder Streiktag rund 25 Millionen Euro Kosten bei der Bahn. Zuletzt hatte die GDL ihre Lokführer erst wieder ab dem 13. März ihren regulären Dienst verrichten lassen.

GDL-Chef Claus Weselsky (Archiv).  Foto: via dts Nachrichtenagentur

Nach Angaben der „Tagesschau“ geht es der GDL vor allem um eine kürzere Wochenarbeitszeit, aber auch um Streitfragen zu den Urlaubsregelungen und zur Laufzeit des künftigen Tarifvertrags. Weselsky wolle für seine Mitglieder die 35-Stunden-Woche ohne Lohnverlust herausholen. Die Deutsche Bahn habe sich bislang erst auf ein 36-Stunden-Modell als Verhandlungsgrundlage einlassen wollen.

Recht auf Seite der Gewerkschaft – noch

Ein Eilantrag der Arbeitgeberseite, mit der die Bahn-Chefs die Taktik unberechenbarer „Nadelstiche“ der GDL hatte aushebeln wollen, war laut „Tagesschau“ zuletzt zweimal vor Gericht gescheitert: Das Hessische Landesarbeitsgericht lehnte einen entsprechenden Eilantrag der Bahn-Spitze in der Berufung ab.

Ähnlich wie der zuständige Richter Michael Horcher empfahl Verkehrsminister Wissing am Ende die Schlichtung: Ein Arbeitskampf ende ohnehin stets „mit einem Kompromiss oder gar nicht“, zitiert ihn die „Tagesschau“. GDL-Vertreter Thomas Schelling habe sich zumindest bereit erklärt, das Thema Schlichtung „ergebnisoffen“ intern zu beraten. Der Bahn-Unterhändler Florian Weh sei ohnehin „ohne Vorbedingungen“ dazu bereit.

DGB strikt gegen Einschränkungen

Landesrichter Horcher habe darüber hinaus angeregt, „ein Gesetz [zu] erlassen, mit dem man Streiks in Betrieben der Daseinsvorsorge begrenzt, in dem man zum Beispiel eine Ankündigungsfrist von vier Tagen einführt“.

Strikt gegen eine derartige Pflicht zu „Vorlaufzeiten“ äußerte sich allerdings Yasmin Fahimi, die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB): Solche Forderungen werte sie als „eine absolute Kampfansage an die Gewerkschaften“, so Fahimi auf Anfrage des Portals „Web.de“. Man werde in dieser Frage „keinen Millimeter nachgeben“.



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