Habeck erklärt Energiekrise für beendet – und denkt bereits an Rückbau der Gasnetze

Bundeswirtschaftsminister Habeck hat am Dienstag in Berlin die Energiekrise als „abgearbeitet“ bezeichnet. Die Versorgung sei „in jeder Hinsicht sicher“. Fraglich ist, ob das auch für deren Preis gilt. Habeck denkt an Rückbau der Gasnetze, während der Ausbau der Erneuerbaren weiter stockt.
Habeck: Deutschland bei Klimaziel 2030 auf Kurs – Fachmann: Die Deindustrialisierung ebenfalls
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht Deutschland auf Kurs beim Erreichen seiner Klimaziele.Foto: Angela Weiss/AFP via Getty Images
Von 21. März 2024

Die Energiekrise ist Geschichte. Dieser Überzeugung ist zumindest Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der diese am Dienstag, 19. März, bei einer Energiekonferenz in Berlin als „abgearbeitet“ bezeichnete. Zwar räumt der Minister ein, dass Deutschland immer noch 90 Prozent seiner fossilen Energien aus dem Ausland beziehe. Allerdings stünden diese auf sicheren Beinen.

Habeck geht von sicherem Erreichen der Ziele für 2030 aus

Die Energieversorgung, so betonte der Minister, sei „in jeder Hinsicht sicher“. Das zeige sich an den vollen Gasspeichern und den normalisierten Marktpreisen. Durch Lieferungen aus den USA und dem Nahen Osten sei es gelungen, die nach dem Ukrainekrieg ausgefallenen russischen Lieferungen zu ersetzen.

Wie die „Welt“ berichtet, zeigte sich der Minister auch zuversichtlich, das Ziel einer 80-prozentigen Energieversorgung aus Erneuerbaren bis 2030 in Deutschland verwirklichen zu können. Sein Optimismus reicht mittlerweile sogar schon so weit, dass in seinem Ministerium bereits Papiere die Runde machen, in denen der Rückbau der Gasnetze erörtert werden.

Dieser könne schon in zehn bis 15 Jahren in signifikantem Ausmaß stattfinden, heißt es darin. Immerhin würde dann schon ein erheblicher Teil der Haushalte an ein Fernwärmenetz angeschlossen sein oder über eine Wärmepumpe verfügen. Zumindest soll die kommunale Wärmeplanung, die in Großstädten bis Mitte 2026 und anderen Kommunen bis Mitte 2028 stehen soll, die grobe Marschrichtung erkennen lassen.

Warum sollen Gasnetze zurückgebaut werden?

Wie der „Münchner Merkur“ schreibt, soll es zum einen darum gehen, Eigentümer und Mieter rechtzeitig über eine Stilllegung oder Umwidmung von Gasnetzen in Kenntnis zu setzen. Zum anderen sollen Netzbetreibern wirtschaftliche Nachteile durch eine Aufrechterhaltung obsoleter Gasnetze erspart bleiben.

Die Stilllegung nicht mehr benötigter Gasnetze soll zudem eine Kostenexplosion für Kunden verhindern, die erst gegen Ende der Umstrukturierung der Energieversorgung von dieser betroffen sind. Das wären beispielsweise Mieter in Gebäuden, die mit Gas beheizt werden und nicht zeitnah umsteigen können. Solange wie jetzt eine Mehrheit der Gebäude mit Gas beheizt werden, verteilten sich die Netzentgelte auf mehr Schultern. Je weniger es werden, umso teurer wird es für die verbliebenen, wenn keine Netze stillgelegt werden.

In dem Papier heißt es, im Fall einer Stilllegung von Erdgasnetzen müsse es für die angebundenen Kunden „einen hinreichenden Vorlauf haben, um ihre Energieversorgung umzustellen“. Netzbetreibern ist gleichzeitig eine Verweigerung des Netzanschlusses nur bei technischer Unmöglichkeit oder wirtschaftlicher Unzumutbarkeit gestattet.

„Hinreichender Vorlauf“ für Betroffene von Stilllegungen

Perspektivisch sollen Netzbetreibern bestehenden Kunden also kündigen können, um eine Stilllegung eines Gasnetzes vornehmen zu können. Voraussetzung dafür ist, dass die Betroffenen einen „hinreichenden Vorlauf“ erhalten, um sich über alternative Formen der Versorgung zu informieren.

Das bringt vor allem die FDP auf die Palme. Sie hatte im Kontext des Heizungsgesetzes erfolgreich mehr Technologieoffenheit in die Endfassung reklamiert. Dies solle vor allem dazu führen, dass Gasnetze in Wasserstoffnetze oder in solche für Biomethan umgewandelt werden können. Es gebe eine erhebliche Zahl an Gebäudeeigentümern, die sich auf diese verlassen würden.

Antworten auf die Fragen im Zusammenhang mit Umbau oder Rückbau von Gasnetzen gibt das Papier nicht. Auch sind zeitnah keine Beschlüsse auf politischer Ebene zu erwarten, zumal die kommunale Wärmeplanung erst erarbeitet werden muss.

Allerdings zeichnet sich ab, dass es diametrale Auffassungen bezüglich der Versorgungsfähigkeit mit Wasserstoff in der Zukunft gibt. Und auch deshalb soll auf der Grundlage des Papiers ein offener Diskussionsprozess mit den Netzbetreibern in Gang kommen.

FDP beharrt auf Technologieoffenheit zugunsten von Wasserstoff – und Erhalt der Gasnetze

Habecks Ministerium geht davon aus, dass jeder zweite Haushalt von einer Umrüstung weg von Gas und hin zu Wärmepumpe oder Fernwärme betroffen sein wird. FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler hingegen hält es für „kein Hexenwerk“, Wasserstoff herzustellen und in zehn Jahren für eine ausreichende und günstige Versorgung damit zu sorgen.

Das hätte jedoch zur Folge, dass Haushalte in hinreichendem Maße „H2 Ready“-Gasheizungen benutzen könnten. Allein schon deshalb sei es nicht angebracht, über weitreichende Stilllegungen im Gasnetz nachzudenken.

Das Bundeswirtschaftsministerium hält jedoch ein Gasnetz von insgesamt 500.000 Kilometern in Deutschland auf Dauer nicht für erforderlich. Zudem würde es Mittel zu seiner Bereithaltung binden, die an anderer Stelle fehlten.

Ausbau bei den Erneuerbaren schleppend außer bei Solarenergie

Beim Stromnetz will Habeck zudem über „eine Art Amortisationskonto“ private Haushalte und Unternehmen vor einer Explosion der Netzentgelte schützen. In der „Zeit“ erklärt er, dass der Ausbau der Netze deshalb absolute Priorität habe. Die Kosten dafür müssten jedoch gestreckt werden, um eine zu große Belastung für derzeitige Generationen zu verhindern. Man baue „das klimaneutrale Stromnetz ja für unsere Kinder und Enkelkinder“.

Das Amortisationskonto solle deshalb eine Vorfinanzierung ermöglichen. Je mehr Nutzer an ein Netz angeschlossen seien und je stärker die Einnahmen aus den Netzentgelten die Kosten für Auf- und Ausbau überstiegen, umso mehr von dem Fehlbetrag solle ausgeglichen werden. Derzeit sind beispielsweise die Netzentgelte im Norden deutlich teurer als im Süden, weil im Norden besonders viel in die Netze investiert wird.

Insgesamt hinkt der Ausbau des Angebots an Erneuerbaren jedoch nach wie vor hinter den Zielvorgaben bis 2030 zurück. Wie eine Aufstellung des MDR zeigt, beträgt der Windkraftzubau an Land seit Anfang 2023 zum 21. März 8,2 Megawatt pro Tag – während für eine Erreichung des Klimaziels 19,7 erforderlich wären. Zur See fehlen 6,9 Megawatt pro Tag, derzeit sind es lediglich 0,6.

Bis 2030 soll die installierte Leistung aus Windkraft 115 Gigawatt an Land und 30 Gigawatt auf See betragen. Während im laufenden Jahr erst sechs Prozent des anvisierten Ausbaus bei der Windkraft bewerkstelligt sind, sind es im Bereich Solar immerhin schon 24 Prozent. Mit 155 Prozent wurde im Vorjahr hier das Ziel bereits übererfüllt. Dennoch fehlt es noch an den erforderlichen Netzen, den Süden, in dem weniger Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird, stabil versorgen zu können.



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