Koalition 2023: Landtagswahlen, Energieversorgung und Corona-Streit

Die rot-grün-gelbe Koalition hatte sich im November vorgenommen, künftig ein besseres Bild nach außen abgeben zu wollen. Ein Blick auf die Lage und einige Regierungsaufgaben im kommenden Jahr.
Titelbild
SPD, Grüne und FDP stellten im November 2021 den Koalitionsvertrag vor - die Wirtschaft reagierte gespalten.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
Epoch Times29. Dezember 2022

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Die Ampel-Koalition hat ein turbulentes erstes Jahr hinter sich. Krisen bestimmten den Alltag, im rot-grün-gelben Bündnis hakte es immer wieder. Hoffnungen, dass es 2023 ruhiger werden könnte, dürfte Scholz nicht allzu viele haben. Voraussagen, wie sich der Ukraine-Krieg und die Lage in Deutschland entwickeln werden, sind schwer zu treffen. Auch vier Landtagswahlen dürften die Berliner Regierungspolitik beeinflussen.

Sollte sich die wirtschaftliche Lage verschlechtern, weitere Entlastungen nötig sein und der Streit über die Schuldenbremse neu aufflammen, dann könnte die Koalition in weitere Turbulenzen geraten. Immerhin hatten sich die Spitzen im November in lockerer Atmosphäre in der Kanzler-Wohnung – der Regierungszentrale – vorgenommen, nach einem holprigen ersten Jahr künftig ein besseres Außenbild abgeben zu wollen. Die Herausforderungen sind immens.

Ist die Energieversorgung in Deutschland gesichert?

Deutsche Gasspeicher waren Ende November fast komplett gefüllt, die ersten kalten Dezember-Tage haben den Füllstand aber deutlich sinken lassen. Anschließend stieg er im Weihnachtstauwetter wieder leicht an, lag jedoch noch erheblich unter der 90-Prozent-Marke. Die Betreiber der Gasspeicher setzen darauf, dass Deutschland „gut durch den Winter kommen“ wird.

Interessant wird es im nächsten Winter. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzt darauf, dass bis dahin mehrere Terminals zum Import von Flüssigerdgas (LNG) an den deutschen Küsten in Betrieb sind. Sie könnten einen Teil des Ausfalls von russischem Gas kompensieren. Dazu müssen teilweise noch Pipelines an Land gebaut werden. Ein erstes LNG-Terminal in Wilhelmshaven begann mit der Arbeit, kurz vor Weihnachten wurde hier erstes Gas in das Netz eingespeist.

Die letzten drei deutschen Kernkraftwerke sollen bis zum 15. April weiterlaufen. Kohlekraftwerke gehen wieder ans Netz, um Strom zu erzeugen. Strom wird durch die Beibehaltung der „Merit-Order“ teurer. Diese besagt, dass im Börsengroßhandel die Stromerzeugung durch das teuerste Kraftwerk bestimmt wird. Aktuell sind das die Gaskraftwerke, und diese bestimmen damit den Strompreis für alle anderen Erzeugungsarten. Südliche EU-Länder wie Spanien oder Griechenland fordern bereits seit Monaten Markteingriffe. Bisher scheiterten sie damit aber unter anderem am Widerstand aus Deutschland.

Ab Januar greift ein Öl-Embargo gegen Russland. Der Kreml reagierte auf die Anfang Dezember beschlossene Ölpreisdeckel-Entscheidung und das Öl-Embargo der EU, indem ab dem 1. Februar 2023 kein russisches Erdöl und keine Erdölprodukte mehr in Länder exportiert werden, die einen Preisdeckel vereinbart haben.

Berlin ist dabei, sich neue Lieferanten für Erdöl zu suchen. Die PCK-Raffinerie in Schwedt im Nordosten Brandenburgs erhielt jüngst erstmals europäisches Rohöl über den Hafen im polnischen Danzig. Die Raffinerie verarbeitete bisher vor allem russisches Öl, darauf ist die Technologie eingestellt. Ob das Werk mit anderen Öl-Arten künftig ausgelastet werden kann, ist unklar.

Vier Landtagswahlen

Wie 2022 haben auch im kommenden Jahr vier Landtagswahlen Potenzial, Unruhe in die Koalition zu bringen. In Berlin wird im Februar die Landtagswahl von 2021 wiederholt, die Koalition aus SPD, Grünen und Linken kommt aktuell in Umfragen weiter auf eine Mehrheit.

Gut drei Monate später, am 14. Mai, folgt Bremen, wo Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) gern wieder ins Rathaus einziehen würde. Derzeit führt er analog zur Hauptstadt ein rot-grün-rotes Bündnis.

Im Herbst sind Hessen und Bayern an der Reihe. Für die Ampel-Koalition im Bund stellen diese Landtagswahlen eine Art Zwischenzeugnis zur Halbzeit der Legislaturperiode dar.

In Hessen regieren seit 2014 CDU und Grüne überwiegend konfliktfrei miteinander. Einer Umfrage vom Oktober zufolge könnte Schwarz-Grün weiterregieren. Sollte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser zur SPD-Spitzenkandidatur in Hessen entscheiden, müsste Kanzler Scholz sein Kabinett umbilden.

In Bayern ist der CSU-Traum, nach fünf Jahren Koalition mit den Freien Wählern wieder allein regieren zu können, derzeit in weiter Ferne. Um die 40 Prozent billigen die Wähler den Christsozialen von Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder in Umfragen zu, um die 10 Prozent den Freien Wählern. Fast doppelt so stark sind die Grünen, allerdings hat Söder aufgehört, diese zu umgarnen.

Entlastungen für die Bürger

Drei Pakete hat die Regierung 2022 geschnürt – mit Einmalzahlungen, Steuererleichterungen und günstigen Bahntickets. Ab März werden die Preise für Strom und Gas für private Haushalte sowie kleine und mittlere Firmen gedeckelt und für Januar und Februar ist eine rückwirkende Entlastung geplant.

Für große Industrieverbraucher soll die Gaspreisbremse ab Januar greifen. Auch Verbraucher mit Öl- und Pelletheizungen sollen entlastet werden. Ein Schrumpfen der Wirtschaft ist nicht auszuschließen. Die vollen Gasspeicher werden sich wieder leeren, die Preise möglicherweise weiter anziehen. An den steigenden Preisen verdient der Staat über die Steuern mit.

Eine einfache Stellschraube, die die Menschen entlasten könnte, bleibt bisher unangetastet: die Senkung der Abgaben, Gebühren und Steuern auf Strom und Energie. Finanzminister Christian Lindner hat schon betont, dass er weitere Steuererleichterungen für nötig hält. Dabei hat der FDP-Chef eher Firmen im Blick. SPD und Grüne lassen durchblicken, dass sie notfalls auch für die Bürgerinnen und Bürger neue Hilfspakete schnüren wollen.

Lindner will die Schuldenbremse 2023 unbedingt einhalten, weniger gut planbar sind die steigenden Zinsen. Neue Entlastungspakete würden vermutlich einen Nachtragshaushalt erfordern. Ob der Bundestag erneut eine Ausnahme von der Schuldenbremse erlaubt, bleibt fraglich.

Mit hohen Abschlüssen wollen Gewerkschaften für ihre Mitglieder die Folgen der Inflation mildern und zeigen bei den Forderungen daher wenig Zurückhaltung: 15 Prozent mehr Geld verlangt Verdi für die rund 160.000 Tarifbeschäftigten der Deutschen Post, wo am 6. Januar mit den Verhandlungen begonnen werden soll.

Bundeswehr, Pflege, Corona

Die Ampel-Koalition steht auch in anderen Bereichen vor großen Aufgaben. Die mit Scholz‘ „Zeitenwende“-Rede verkündete Modernisierung der Bundeswehr muss in Gang kommen – Mitte Dezember gab es aus dem Bundestag grünes Licht für milliardenschwere Projekte, darunter die Beschaffung des Tarnkappenjets F-35. Die Ampel-Parteien hatten angekündigt, deutsche Rüstungsexporte zu verringern und schärfer zu kontrollieren. Beides ist bis dato weitgehend ausgeblieben.

In Kliniken und Krankenhäusern nehmen die Schwierigkeiten zu, was ein weiteres offenes Feld der Koalition darstellt. Von der Bundesregierung geplante Finanzhilfen zum Ausgleich von Energiepreissteigerungen lösen das strukturelle Defizit nicht – im kommenden Jahr summiert es sich auf rund 15 Milliarden Euro. Probleme gibt es weiterhin bei der Personalsituation in den Kliniken, vor allem in der Pflege. Zur Jahresmitte 2022 hatten fast 90 Prozent der Krankenhäuser Schwierigkeiten, offene Pflegestellen auf den Allgemeinstationen zu besetzen.

Während nach Ansicht von Christian Drosten die Corona-Pandemie beendet ist, sprechen sich andere dagegen aus. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), FDP-Vize Wolfgang Kubicki und René Domke, der Fraktionschef der FDP in Mecklenburg-Vorpommern, waren unter den Ersten, die sich für ein vorzeitiges Ende aller Corona-Beschränkungen stark machten.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will von einem Ende aller Maßnahmen ebenso wenig wissen wie große Teile der Grünen. Nach fast drei Jahren Pandemie käme es „auf ein paar Wochen“ nicht mehr an. Auch diese Punkte werden die Koalition im Jahr 2023 belasten.

Außenpolitik: Peking eindämmen

Deutschland übergibt zum Jahreswechsel die Präsidentschaft der G7-Runde der wirtschaftsstarken Demokratien an Japan. Auch bei dem von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) angekündigten stärkeren deutschen Engagement im indopazifischen Raum ist Tokio ein enger Verbündeter.

Es geht darum, eine weitere weltweite Einflussnahme Pekings einzudämmen – auch in Afrika und in Zentralasien. Und auch darum, Zugang zu Energiequellen und wichtigen Rohstoffen für die Energiewende und die Digitalisierung zu gewinnen.

Bis zur Münchner Sicherheitskonferenz will die Regierung eine neue Nationale Sicherheitsstrategie verabschieden. Danach soll eine eigene Strategie zum Umgang mit China beschlossen werden. Abhängigkeiten von Peking sollen sich verringern, Menschenrechte eine größere Bedeutung bekommen und die Beziehungen zu Taiwan ausgebaut werden.

Auch mit den USA gibt es schwierige Themen. So befürchtet Berlin durch das Inflationsbekämpfungsgesetz der Regierung von Präsident Joe Biden ein Abwandern europäischer Unternehmen in die USA.

Klimaziele verfehlt

Die Ampel-Koalition war mit großem Klima-Ehrgeiz gestartet. Stand jetzt verfehlt Deutschland aber seine Klimaziele für das Jahr 2030 deutlich, urteilte der Expertenrat der Bundesregierung zuletzt.

Die Bundesrepublik will ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 im Vergleich zu 1990 eigentlich um mindestens 65 Prozent senken. Insbesondere im Verkehrsbereich klafft eine große Lücke. Diese wird sich mit dem geplanten Klimaschutz-Sofortprogramm nicht schließen. Die Regierung will daher beim Verkehr im Frühjahr nachbessern. Der Kohleausstieg im Rheinischen Revier soll um acht Jahre auf 2030 vorgezogen werden. In den ostdeutschen Revieren ist ein früherer Kohleausstieg noch offen.

Das Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien will Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) mit weniger Bürokratie und schnelleren Verfahren beschleunigen. Bei Solaranlagen und Windparks auf See geht es laut Expertenrat noch zu langsam voran, bei Windparks an Land sehe es besser aus. Immerhin bilanzierte Habeck, dass der Ökostromausbau insgesamt vorangekommen und das „Tal der Tränen“ durchschritten sei.

(dpa/ks)



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