Lauterbach warnt vor Blockade: Cannabisgesetz am Freitag im Bundesrat

Kommenden Freitag könnte sich das von der Ampel angestrebte „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“ in Rauch auflösen. Der Grund: Die unionsregierten Länder wollen die geplante Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland in den Vermittlungsausschuss bringen, um diese kurz vor Inkrafttreten zu verhindern oder zu verzögern.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach spricht bei der Debatte zum Gesetz zur kontrollierten Freigabe von Cannabis im Bundestag.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach spricht bei der Debatte zum Gesetz zur kontrollierten Freigabe von Cannabis im Bundestag.Foto: Serhat Kocak/dpa
Von 19. März 2024

Einen Monat nach der Zustimmung des Bundestages zur Änderung des Cannabisgesetzes könnte dieses auf der Kippe stehen bzw. deren Durchsetzung verzögert werden. Die Union plant, das Prestige-Projekt der Ampel in den Vermittlungsausschuss zu bringen, um dieses kurz vor Inkrafttreten am 1. April zumindest zu verzögern.

Karl Lauterbach besorgt

Vor einer Verzögerung der geplanten Legalisierung warnt hingegen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in einem Tweet auf „X“:

“Jedes von SPD und Grünen mitregierte Land muss wissen, dass das Cannabisgesetz am nächsten Freitag stirbt, wenn man den Vermittlungsausschuss anruft. Die Unionsländer würden sich bedanken und mit allen Verfahrenstricks das Gesetz im Vermittlungsausschuss beerdigen.“

Er bezog sich damit auf einen Tweet, ebenfalls auf „X“, von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Letzterer formulierte sein Ziel, dass das Gesetz niemals wieder aus dem Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat herauskomme.

Neben Sachsen erklärte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dass er sich an allem beteiligen werde, was dieses Gesetz außer Kraft setze. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) stimmt in den Kanon mit ein. Im Bundesrat hatten bereits die Ausschüsse für Gesundheit, Recht und Inneres die Einschaltung des Vermittlungsausschusses empfohlen.

Was passiert im Vermittlungsausschuss?

Der Vermittlungsausschuss im Bundestag ist ein Gremium, das hälftig aus Mitgliedern des Bundestages und Bundesrats besteht. Der Ausschuss wird angerufen, wenn beide Häuser sich nicht auf eine gemeinsame Position zu einem Gesetzesentwurf einigen können. Üblicherweise ist der Ausschuss also kein Blockadeorgan, sondern arbeitet an einem Kompromiss, so zumindest die Grundidee. Eigentlich geht es darum, den Gesetzgebungsprozess voranzubringen.

Nachdem der Bundestag die Teillegalisierung von Cannabis am 23. Februar beschlossen hat, steht das Gesetz am kommenden Freitag, 22. März, auf der Tagesordnung des Bundesrats. Das Gesetz ist im Bundesrat zwar nicht mehr zustimmungspflichtig, dieser kann aber Einspruch einlegen, indem er den Vermittlungsausschuss anruft und damit auch das Verfahren bremst.

Lauterbach treibt die Cannabis-Teillegalisierung als eines der wichtigsten Ampelprojekte voran. Er argumentiert, dass durch die Legalisierung jährlich Zehntausende Konsumdelikte wegfielen und somit die Gerichte entlastet würden. Seine Kritiker unterstreichen das Gegenteil. Bedenken sind aus den Bundesländern unter anderem gegen eine geplante Amnestie für Altfälle laut geworden. Nach dem neuen Recht müssten alle laufenden Fälle einzeln neu geprüft werden.

Wenig Rechts- und Handlungssicherheit

Konkret geht es um 210.000 Fälle, bei denen alle Strafakten mit Bezug zum Betäubungsmittelgesetz nochmals händisch ausgewertet werden müssten, „ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären“, sagte Richterbund-Geschäftsführer Sven Rebehn der dpa.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht von einem „nicht praxistauglichem Gesetz“. Der Bundesrat habe hier die Gelegenheit zu verhindern, „dass ein unausgegorenes Gesetz mit vielen offenen Fragen und dringendem Verbesserungsbedarf bei Rechts- und Handlungssicherheit in Wirkung tritt“.

Bei Verabschiedung soll das Cannabisgesetz ab dem 1. April wirksam sein. Die GdP kritisiert hauptsächlich, dass das Gesetz keinerlei Übergangsfristen vorsehe. Die Folge sei, dass sich Polizei, Zoll, Justizbehörden und Jugendämter auf die neue Gesetzeslage nicht ausreichend vorbereiten könnten. Zu befürchten sei eine Phase, die von „hoher Rechts- und Handlungsunsicherheit aufseiten aller von der neuen Rechtslage Betroffenen“ geprägt sei.

Laut GdP sei eine zwangsläufige Mehrbelastung der Polizei absehbar. Zu den bisherigen Kontrollaufgaben kämen neue hinzu: auf der Straße, im privaten Bereich sowie in den Anbauvereinen.

Organisierte Kriminalität könnte schnell reagieren

Bliebe das geplante Gesetz unverändert, so bestehe die große Sorge, dass sich die Organisierte Kriminalität auf die neue Rechtslage schnell einstellen, ihre Zielgruppen anpassen (z.B. in Richtung Jugend) und höchstwahrscheinlich auch neue Zielmärkte (Verschiebung in Richtung „härterer“ Drogen) erschließen werde. Auch viele Fragen rund um Cannabis-Konsum im Straßenverkehr seien ungeklärt: Neben einem abgestimmten Grenzwert fehle geeignete Ausstattung zum praktischen Nachweis von Cannabis-Konsum bei Fahrzeugführern.

Das Gesetz sei außerdem derart offen formuliert, dass 16 Bundesländer es jeweils unterschiedlich ausfüllen werden.

Die Bevölkerung steht einer Cannabis-Legalisierung gespalten gegenüber: 47 Prozent erklärten in einer YouGov-Umfrage, diese uneingeschränkt oder eher abzulehnen. Etwas weniger, 42 Prozent hingegen, gaben an, eine Legalisierung eher oder voll und ganz zu befürworten. 12 [sic!] Prozent enthielten sich laut dem Umfrageportal.

Nach dem neuen Gesetz sollen – nach Ampelplänen ab dem 1. April – Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Erwachsene dürfen dann bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen beziehungsweise mit sich führen. In den eigenen vier Wänden wären dann drei lebende Cannabispflanzen legal; bis zu 50 Gramm Cannabis gelten dann als Besitz zum Eigenkonsum.



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