Nach Parteitag: FDP lässt Freund und Feind gleichermaßen ratlos zurück

Die FDP hat am Wochenende auf ihrem Bundesparteitag ein 12-Punkte-Programm beschlossen, das zu einem erheblichen Teil in der Ampel nicht durchsetzbar sein wird. In der Frage der Kernenergie gibt man sich als technologieoffen – lehnt aber einen Antrag auf Wiedereinstieg ab.
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FDP-Parteitag in Berlin am 27. April 2024.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
Von 29. April 2024

Am Sonntag, 28. April, endete der Bundesparteitag der FDP in Berlin. Bereits am Samstag hatte dieser mit deutlicher Mehrheit ein sogenanntes 12-Punkte-Programm zur Beschleunigung der sogenannten Wirtschaftswende angenommen. Dieses enthält Forderungen wie einen Bürokratieabbau, steuerliche Entlastung bei Überstunden und die Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Gleichzeitig sind auch Punkte wie das Ende der „Rente mit 63“ oder Verschärfungen beim Bürgergeld angesprochen – die vom Koalitionspartner SPD vehement abgelehnt werden.

Djir-Sarai sieht klare Botschaft des Parteitags

Am zweiten Tag ergriff Generalsekretär Bijan Djir-Sarai das Wort und erklärte, dass es zwischen der FDP und den Koalitionspartnern tiefe weltanschauliche Differenzen gebe. Man habe „ein anderes Staatsverständnis“ als die Koalitionspartner SPD und Grüne.

Djir-Sarai zufolge sei es der Partei gelungen, ihr Unbehagen in der Ampelkoalition auf dem Parteitag deutlich zu machen. Gleichzeitig habe man auch gezeigt, dass man in dieser weiterarbeiten wolle und ein konstruktiver Partner bleibe:

„Das ist kein Parteitag einer Oppositionspartei, aber auch kein Parteitag einer Regierungspartei, die sagt: weiter so“, so Djir-Sarai.

Man habe zudem „klargemacht, welche Punkte wir für zentral halten, damit Deutschland wieder zu wirtschaftlicher Stärke zurückfinden kann“.

«Wenn wir als FDP uns der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit des Landes nicht annehmen, dann wird es niemand tun»: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

„Wenn wir als FDP uns der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit des Landes nicht annehmen, dann wird es niemand tun“: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Foto: Hannes P. Albert/dpa

Geplantes Renten-Ultimatum entschärft

Ob und inwieweit die Beschlüsse des Parteitags Konsequenzen für die Ampel haben werden, ist unklar; ebenso, wie die Wähler die gemischten Botschaften aufnehmen werden. Wären am nächsten Sonntag Bundestagswahlen, müsste die Partei um den Wiedereinzug fürchten. Bei der EU-Wahl mit Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann droht sogar ein noch schlechteres Ergebnis – allerdings gilt dort keine Sperrklausel.

Es schien sogar, als wäre man vonseiten der Parteiführung bemüht gewesen, das 12-Punkte-Programm als Signal an das eigene Zielpublikum durchzubekommen – aber jede potenzielle Belastung für die Ampel zu vermeiden. So wurde ein Änderungsantrag von Parteivize Johannes Vogel und den Jungen Liberalen zur „Rente mit 63“ etwas entschärft.

Der Antrag enthielt die Forderung nach einem Ende des vorzeitigen Rentenantritts für besonders langjährige Versicherte, eine Flexibilisierung des Renteneintrittsalters und eine „echte“ Aktienrente nach schwedischem Vorbild. Ursprünglich hatte der Änderungsantrag die Forderung enthalten, dies alles zur Bedingung für eine Zustimmung zum „Rentenpaket II“ zu machen. Dies fand jedoch keine Billigung.

Klingbeil kündigt Festhalten an „Rente mit 63“ an

Inwieweit die Partei allerdings bereits die Kernforderung nach einem Ende der vorzeitigen Rentenoption durchbringen möchte, bleibt weiter offen. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte bereits im Vorfeld des FDP-Parteitages deutlich gemacht, dass es in dieser Frage vonseiten der SPD keine Kompromissbereitschaft geben werde:

„Wir reden über Menschen, die 45 Jahre im Schichtdienst waren, die als Pflegekräfte gebuckelt oder als Dachdecker gearbeitet haben. Diesen Menschen den wohlverdienten Weg in die Rente zu erschweren, machen wir nicht mit. Mit einem sozialdemokratischen Bundeskanzler wird es keine Rentenkürzung geben. Punkt“, sagte Klingbeil der „Stuttgarter Zeitung“.

Djir-Sarai äußerte am Sonntag: Das „Kämpfen für die Durchsetzung der Lösungen beginnt jetzt“.

Grüne und Klima-Union würdigen Ablehnung des Antrags zur Kernenergie

Ein weiterer Beschluss sorgte am Sonntag für Verwirrung in und außerhalb der Partei. Die Delegierten lehnten mit knapper Mehrheit einen Antrag der Landesverbände Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf Wiedereinstieg in die Kernkraft ab.

Der Antragsteller und Kurzzeit-Ministerpräsident von Thüringen, Thomas Kemmerich, begründete diesen mit der Notwendigkeit, „allzeit verfügbare und kostengünstige Energie zu erzeugen“. Gegner erklärten hingegen, es gebe keine politische Mehrheit für einen solchen Schritt, zudem würde ein neu errichtetes Kernkraftwerk „erst in 20 Jahren stehen“.

Applaus bekam die mehrheitliche Entscheidung gegen den Wiedereinstieg immerhin von anderen Parteien. Grünen-Politiker Konstantin von Notz sprach von einem „guten Beschluss“, der sich gegen eine „ökologische, ökonomische und geopolitische Sackgasse“ richte. Auch Heinrich Strößenreuther von der Klima-Union lobte die FDP:

FDP wird „weiter alle Seiten unzufrieden machen“

Kernkraftbefürworter sprachen sich selbst Trost zu, indem sie darauf verwiesen, dass der am Vortag beschlossene Leitantrag immerhin ein Bekenntnis zu Kernenergie enthalten habe. Die Rede war dabei von einem Ja zu Kernspaltung und Kernfusion. Zudem solle Deutschland technologieoffen bleiben und der von den USA initiierten Atomallianz anschließen, die auf dem vergangenen Klimagipfel für Schlagzeilen gesorgt hatte.

Andere Stimmen behaupten, die Ablehnung des Antrags habe mit der Person des Antragstellers zu tun gehabt.

In einem Kommentar für die „Tagesschau“ war vom FDP-Bundesparteitag als einem „harmonischen Kurzurlaub unter Freunden“ die Rede. Es sei aber nicht abzusehen, dass die Lage für die Partei günstiger werde:

„Der FDP wird voraussichtlich erleben, was sie schon die vergangenen zweieinhalb Jahre erlebt hat: Nämlich, dass sie alle Seiten unzufrieden macht. Die Wähler und die Basis, weil sie FDP-Ziele nicht durchsetzen kann und Kompromisse eingeht. Die Koalitionspartner, weil der kleinste Partner querschießt und mal wieder Nein sagt.“



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