Nach Welle von Abokündigungen: Weitreichendes Aus für Gendersprache im „Tagesspiegel“

Nach knapp drei Jahren des „Experimentierens“ mit der Sprachentwicklung hat der „Tagesspiegel“ die Verwendung von Gendersprache deutlich eingeschränkt. Vor allem Sonderzeichen im Wort werden künftig „deutlich weniger“ zu finden sein.
Ein VW-Mitarbeiter hat die Konzerntochter Audi verklagt, weil er sich durch einen genderspezifischen Sprach-Leitfaden des Unternehmens in seinen Rechten verletzt fühlt.
Die Akzeptanz der Gendersprache in Deutschland bleibt gering. Erste Medien tragen dem Rechnung.Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Von 4. Dezember 2023

Vor knapp drei Jahren hatte der „Tagesspiegel“ Richtlinien zur Einführung sogenannter geschlechtergerechter Sprache verkündet. Diese sei ein „Menschenrecht“, und viele Menschen fühlten sich „heute durch das generische Maskulinum nicht mehr gemeint“, argumentierte die Redaktion damals. Mittlerweile rudert man bei der Gendersprache deutlich zurück. In der Vorwoche hat die Verlagsleitung dies laut „Bild“ in einem Rundschreiben verkündet.

Chefredakteur Maroldt: „Es gibt kein Verbot der Gendersprache“

Mittlerweile hat auch die Seite, in der von den „Leitlinien für gendergerechte Sprache“ die Rede ist, ein Update erfahren. Von einem „Menschenrecht“ ist nicht mehr die Rede, stattdessen dominieren Ausführungen zum Spannungsverhältnis zwischen „Fairness“ und „Klarheit“.

In einem Interview mit „Bayern 2“ erklärt Chefredakteur Lorenz Maroldt, die neue Form des Umgangs sei kein grundsätzliches „Verbot der Gendersprache“. Man habe jedoch nach einer „Experimentierphase“ die Erfahrungen evaluiert und werde hauptsächlich in der gedruckten Zeitung auf Sonderzeichen wie Sternchen oder Unterstriche verzichten.

Medien hatten berichtet, dass eine Welle von Beschwerdebriefen und Abokündigungen das Zurückrudern vonseiten der Redaktion begünstigt habe. Vor allem aus dem Kreis der Bezieher der gedruckten Zeitung sei man „sehr deutlich darum gebeten“, von der Verwendung der Sonderzeichen der Gendersprache Abstand zu nehmen.

Gendern als „provokant“ und „abstoßend“ wahrgenommen

Man habe festgestellt, dass das demonstrative Gendern das Publikum der gedruckten Zeitung „abstößt“, räumte Maroldt gegenüber „Bayern 2“ ein. Die Abokunden, die größtenteils älter seien, „finden das provokant, und ich kann es zum Teil auch nachvollziehen“.

Zwar würden beim Sprachgebrauch Doppelnennungen tendenziell angenommen, ebenso Ausdrücke wie „Studierende“. Mit den „Fahrradfahrenden“ würden hingegen viele noch „fremdeln“. Man wolle nun weiter „beobachten, wie sich der Sprachgebrauch weiterentwickelt“.

Sonderzeichen der Gendersprache würden in der Printausgabe künftig zum Einsatz kommen, wenn Autoren oder Interviewpartner dies ausdrücklich wünschten. Außerdem seien „Queerspiegel“-Texte oder solche, in denen es um Verwendung oder Veränderung von Sprache gehe, nicht betroffen. Online dürfe jedoch weiter selbst unter Verwendung von Asterisk & Co. gegendert werden.

Statista zufolge ist die Auflage des „Tagesspiegels“ zwischen dem ersten Quartal 2021 und dem dritten des Jahres 2023 um fast neun Prozent gesunken. In Zahlen ausgedrückt waren es fast 10.000 weniger.

Ablehnung auch in jüngerer Generation und LGBTQ-Community

Seit Jahren bestätigen unterschiedlichste Umfragen einen eindeutigen Trend: Die Bevölkerung lehnt die ideologisierte Gendersprache ab. Vor allem die Verwendung von Sonderzeichen in Worten oder Sprechpausen in gesprochenen Texten werden als belästigend aufgefasst. Demgegenüber ist die Akzeptanz von Doppelnennungen oder einzelner Formen wie „Studierende“ höher.

Es ist übrigens nicht zutreffend, dass die Ablehnung demonstrativer Gendersprache ein alleiniges Merkmal der älteren Generation darstellt. Auch in der sogenannten Generation Z betrachteten im Vorjahr 64 Prozent das Gendern als nicht oder überhaupt nicht wichtig. Selbst unter Jugendlichen der LGBTQ-Community, in deren Interesse die Ideologiesprache liegen soll, wird deren Einforderung als störend wahrgenommen.

Eine MDR-Umfrage vom September zeigt, dass die Ablehnung von Gendersprache vor allem im Osten weitverbreitet ist. Dort sprechen 85 Prozent von einem „auferlegten sprachlichen Korsett“. 80 Prozent empfinden die Sprache als unverständlich. Nur 14 Prozent halten sie für wichtig, um Gleichberechtigung zu fördern.

Gender-Wildwuchs in den meisten deutschen Medien

Die meisten deutschen Medien, vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender, wollen in einzelnen Bereichen auf die Gendersprache nicht verzichten. Lediglich im WDR erklärte man, gezielt durch einen Verzicht auf Sonderzeichen dem Willen der Bürger Rechnung zu tragen. In den Hauptnachrichtensendungen bei ARD und ZDF kommen die besonders unbeliebten Sprechpausen nicht mehr zur Verwendung.

Allerdings herrscht im Onlinebereich und bei einzelnen Formaten weiter Willkür. So bezeichnete das ZDF die Taliban auf Instagram als „Islamist:innen“. Auf „Funk“ hieß es, Braunbären seien zu 75 Prozent „Veganer:innen“. Für besondere Empörung sorgte die Bezeichnung „entbindende Person“ für „Mutter“ auf dem Onlineportal der „Tagesschau“. Hier bewirkten erst heftige Proteste eine Textänderung.

In Summe passen sich Medien in Deutschland der Praxis von „Tagesspiegel“ und Öffentlich-Rechtlichen an. Es gibt weder eine generelle Anordnung noch ein generelles Verbot der Gendersprache. Dies gilt selbst bei weit linken Publikationen wie der „taz“ oder dem „Neuen Deutschland“, wo Sonderzeichen in einzelnen Artikeln verwendet werden, in anderen jedoch nicht.

Auch der „Spiegel“ benutzt dezentere Formen der Gendersprache wie „Lehrende“ oder „Studierende“ statt der weithin unerwünschten Sonderzeichen. In sozialen Medien kommen diese jedoch häufig zum Einsatz, vor allem bei Texten auf Bildern.



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