Normalversorgung im Streikfall nicht mehr gewährleistet: Unikliniken bereiten sich auf Ausnahmezustand vor

Abgesagte Termine, verschobene Operationen. Am 30. Januar ist infolge eines Streiks mit einer eingeschränkten Patientenversorgung an 23 Unikliniken bundesweit zu rechnen.
Warnstreik der Ärztegewerkschaft Marburger Bund in Hamburg.
Der Marburger Bund hat über 20.000 Ärzte zum Streik aufgerufen (Archivbild).Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Von 27. Januar 2024

Am 30. Januar müssen Patientinnen und Patienten viel Geduld aufbringen. Mit einem ganztägigen Warnstreik will die Ärztegewerkschaft Marburger Bund an diesem Tag in Hannover ein Zeichen für bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Vergütung für angestellte und beamtete Ärzte setzen. Über 20.000 Mediziner aus bundesweit 23 Universitätskliniken, die dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken „TV-Ärzte“ angehören, wurden aufgerufen, ihre Arbeit niederzulegen. Wie verschiedene Unikliniken gegenüber Epoch Times bestätigten, ist die Notfallversorgung abgesichert.

Das Uniklinikum Tübingen teilte mit, dass es am Streiktag in allen Abteilungen der Klinik zu Einschränkungen in der ärztlichen Versorgung kommen könne. „Generell ist damit zu rechnen, dass aufgrund des Streiks die meisten Operationen und Behandlungen an diesem Tag abgesagt werden müssen; die Betroffenen werden aus den jeweiligen Bereichen benachrichtigt und erhalten einen Ersatztermin. Unaufschiebbare Behandlungen werden selbstverständlich im Rahmen der Notdienste durchgeführt“, erklärt Pressesprecherin Bianca Hermle gegenüber Epoch Times. „Erfahrungsgemäß ist die Streikbeteiligung des ärztlichen Dienstes hinreichend groß, um eine Normalversorgung im Streikfall nicht mehr gewährleisten zu können.“

Auch Pressesprecher Oliver Grieve vom Klinikum Schleswig-Holstein verwies darauf, dass es nicht der erste Streik sei, den seine Klinik erdulden müsse. Das wahre Ausmaß des Streiks könne man erfahrungsgemäß erst am Streiktag nach Dienstbeginn einschätzen. Aus der Vergangenheit wisse er, dass es sowohl Patienten gebe, die Verständnis für den Streik der Ärzte und aufgeschobene OP-Termine hätten, als auch solche mit Unverständnis. Die Notfallversorgung sei jedoch wie in allen anderen Kliniken abgesichert.

Das LMU Klinikum in Bayern erklärte, dass wie in den Vorjahren mit der lokalen Ärztegewerkschaft Marburger Bund Bayern eine Notdienstvereinbarung geschlossen werde. „Notfälle und dringliche Behandlungen werden in jedem Fall weiter versorgt. Jeder angestellte Arzt kann von seinem Streikrecht spontan Gebrauch machen, sodass das Klinikum im Vorfeld keine Aussagen zu einer Streikbeteiligung oder zu Einschränkungen in der Routineversorgung von Patienten machen kann“, erklärte Pressesprecher Philipp Kreßirer.

Ähnlich äußerte sich das Universitätsklinikum Münster und verwies auf die bisher nicht absehbare Streikbeteiligung.

Priorität: Schaden vom Patienten abwenden

Im Uniklinikum Bonn (UKB) werde das Recht auf Streik, das vom Marburger Bund gerade in Anspruch genommen werde, selbstverständlich anerkannt, betonte Pressesprecherin Viola Röser. Oberste Verantwortung der Klinik sei es jedoch, dass durch den Streik kein Patient zu Schaden komme. Wie bei vergangenen Streiks anderer Berufsgruppen werde versucht, Schaden von Patienten abzuwenden.

„Dies ist am UKB für uns eine schwere Aufgabe, zumal der durchschnittliche Fall-Schweregrad in unserem Krankenhaus der Maximal-Versorgung der dritthöchste in Deutschland ist, sodass wir kaum Operationen oder andere Behandlungen einfach absagen oder verschieben können“, so Röser weiter. Es werde versucht, den Belastungen für Patienten möglichst gering zu halten. Die Notfallversorgung sei sichergestellt.

Die Unikliniken RWTH Aachen sowie Leipzig rechnete hingegen mit keinerlei Einschränkungen oder größeren Ausfällen.

Was fordert der Marburger Bund?

Der Marburger Bund fordert für die Ärztinnen und Ärzte an Universitäten linear 12,5 Prozent mehr Gehalt bezogen auf ein Jahr sowie höhere Zuschläge für Regelarbeit in der Nacht sowie an Wochenenden und Feiertagen. Weiteres Ziel ist die Neugestaltung der Regelungen zu Schicht- und Wechselschichtarbeit. Wie die Organisation mitteilt, geht es nicht nur darum, den starken Preissteigerungen Rechnung zu tragen, sondern auch den Gehaltsabstand zu anderen Krankenhausträgern aufzuholen.

„Universitätsmedizin ist Spitzenmedizin – das muss sich endlich auch in den Tarif- und Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte widerspiegeln“, fordert Dr. Andreas Botzlar, zweiter Vorsitzender des Marburger Bundes. „Die Länder lassen die Ärztinnen und Ärzte an den Universitätskliniken im Regen stehen“, so sein ernüchterndes Fazit nach der dritten Tarifverhandlungsrunde, die am 16. und 17. Januar in Berlin stattfand.

Die Organisation habe gehofft, dass die Arbeitgebervereinigung Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) erkennt, wie groß der Handlungsbedarf sei, um den ärztlichen Dienst an Unikliniken wieder attraktiver zu machen.

„Nach drei Verhandlungsrunden müssen wir aber feststellen, dass der Groschen offensichtlich noch nicht gefallen ist. Die Länder glauben, nach ein paar minimalen Schönheitskorrekturen sei die Welt wieder in Ordnung“, warnte Botzlar in einer Pressemitteilung vom 18. Januar. „Das ist ein gewaltiger Irrtum: Ohne substanzielle Verbesserungen wird der Unmut der Ärztinnen und Ärzte noch größer werden.“

Nach Auffassung des Marburger Bundes brauche es ein deutliches Signal von den Menschen, „die rund um die Uhr für ihre schwer kranken Patientinnen und Patienten da sind und darüber hinaus auch noch Forschung und Lehre an den Unikliniken sicherstellen“, so Botzlar.

Nicht jede Uniklinik vom Streik betroffen

Nicht in allen Unikliniken wird am 30. Januar gestreikt. Auf eine Reihe der über 30 deutschen Unikliniken findet der TV-Ärzte keine Anwendung, weil dort andere Tarifverträge für die Ärztinnen und Ärzte gelten. Hierzu gehören Berlin, Hamburg und Hessen.

Haustarifverträge gelten für die Unikliniken in Dresden und Mainz; sie werden von den entsprechenden Landesverbänden des Marburger Bundes verhandelt.

 



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