Omikron-Panik in der Regierung – Beraterteam fordert „aktive Infektionskontrolle“

Kontaktbeschränkung, FFP2-Masken, Schnelltests. Wenn es nach dem Corona-Expertenrat der deutschen Regierung geht, müssen gerade zur Weihnachtszeit Maßnahmen ergriffen werden, um die Omikron-Variante einzudämmen. Die „Welt“ wirft dem Gremium vor, mit ihrer Stellungnahme „ein Maximum an Angst“ zu erzeugen.
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Olaf Scholz.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 22. Dezember 2021

Alpha, Delta, Omikron. Seit knapp zwei Jahren hält ein Virus die Welt in Atem. Im Januar 2020 riet der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in den ARD-Tagesthemen noch dazu, einen „kühlen Kopf“ zu bewahren. „Die Schwere, die Krankheitslast der Grippe ist deutlich größer“, sagte der Leiter des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, nur einen Tag später gegenüber dem ZDF „heute-journal“. Dabei nahm er Bezug auf die Grippewelle 2017/18, wo es laut Schätzung des RKI über 25.000 Grippetote gegeben hatte.

Heute, knapp zwei Jahre später, sieht sich die deutsche Regierung aufgrund der Omikron-Variante einmal mehr in Alarmbereitschaft. Nun steht ihr nicht nur das RKI zur Seite, sondern ein „Corona-Expertenrat“. Drosten, Wieler, Streek – bekannte Personen, die der Regierung seit Monaten zur Seite stehen – hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in das Gremium berufen. Auch Professor Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission, ist dabei. Wer Wissenschaftler und Mediziner wie Bhakdi, Wodarg oder Hockertz, die gegenläufige Meinungen vertreten, in den Reihen der 19 Berater sucht, sucht vergebens.

Beratergremium warnt vor schneller Omikron-Verbreitung

In ihrer ersten Stellungnahme vom 19. Dezember warnen die Berater davor, die sinkenden Inzidenzen als Zeichen der Entspannung zu deuten. „Die zu erwartende Meldeverzögerung über die kommenden Feiertage wird diesen Eindruck weiter verstärken“, so das Gremium.

Aus Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und Großbritannien sei bekannt, dass eine „nie dagewesener Verbreitungsgeschwindigkeit“ mit Omikron-Verdopplungszeiten von zwei bis drei Tagen beobachtet werde. Das könne zu einer „explosionsartigen Verbreitung“ führen. Omikron zeichne sich durch eine stark gesteigerte Übertragbarkeit und ein „Unterlaufen eines bestehenden Immunschutzes“ aus. In kürzester Zeit würden somit deutlich mehr Menschen infiziert werden – auch Genesene und Geimpfte.

Impfstrategie trotz unklarer Datenlage fortgesetzt

„Es ist bisher nicht davon auszugehen, dass im Vergleich zur Delta-Variante Menschen ohne Immunschutz einen milderen Krankheitsverlauf aufweisen werden“, heißt es weiter in dem Papier. Die Krankheitsschwere könne nicht abschließend beurteilt werden.

In Hotspots wie London steige die Hospitalisierungsrate an. Und auch wenn erste Studienergebnisse zeigen, dass der Impfschutz gegen die Omikron-Variante rasch nachlasse und auch immune Personen symptomatisch erkranken, gehe das Gremium davon aus, dass der Schutz vor schwerer Erkrankung „wahrscheinlich teilweise“ erhalten bleibe.

„Eine massive Ausweitung der Boosterkampagne kann die Dynamik verlangsamen und damit das Ausmaß mindern, aber nicht verhindern.“ Die Regierungsberater empfehlen, dass Booster- sowie Erst- und Zweitimpfungen „mit allen verfügbaren Mitteln“ über die kommenden Feiertage fortgesetzt und weiter beschleunigt werden; insbesondere für Ältere und Risiko-Gruppen.

„Allerdings zeigen alle Modelle, dass Boosterimpfungen alleine keine ausreichende Eindämmung der Omikronwelle bewirken. Daher wird die Bevölkerung zur „aktiven Infektionskontrolle“ aufgefordert – Kontaktbeschränkung, Tragen von FFP2-Masken und Corona-Schnelltests bei Zusammenkünften vor und während der Feiertage.

Gremium fordert Schutz der kritischen Infrastrukturen 

Für die kommenden Tage und die ersten Monate im Jahr 2022 rät das Gremium – auch im Hinblick auf den Ausfall der Bevölkerung aufgrund von Erkrankung und/oder Quarantäne – zu umfassenden und sofortigen Vorbereitungen für den Schutz der kritischen Infrastrukturen, wozu  Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Telekommunikation, Strom- und Wasserversorgung sowie die entsprechende Logistik gehören.

Bundeswehr, THW und Hilfsorganisationen sollten frühzeitig eingebunden werden, damit Versorgungsketten und ausreichende Testkapazitäten sichergestellt werden. „Eine schnelle politische Handlungsfähigkeit muss zu jedem Zeitpunkt auch während der Feiertage gewährleistet sein.“

Das Gremium rechnet mit einer erheblichen Überlastung der Krankenhäuser – „selbst für den wenig wahrscheinlichen Fall einer deutlich abgeschwächten Krankheitsschwere im Vergleich zur Delta-Variante“. Sogar wenn sich alle Krankenhäuser ausschließlich auf die Versorgung von Notfällen und dringlichen Eingriffen konzentrieren würden, wäre eine qualitativ angemessene Versorgung aller Erkrankten nicht mehr möglich, so die Berater.

„Die Omikronwelle trifft auf eine Bevölkerung, die durch eine fast zweijährige Pandemie und deren Bekämpfung erschöpft ist und in der massive Spannungen täglich offenkundig sind“, heißt es weiter in dem Papier. Eine umfassende Kommunikationsstrategie mit „nachvollziehbaren Erklärungen“ der neuen Risikosituation und der daraus folgenden Maßnahmen bezeichnet das Gremium als „essentiell“.

Südafrikanische Ärztin hält Omikron-Debatte für aufgebauscht

In den Ausführungen der Regierungsberater bleibt unerwähnt, dass laut der südafrikanischen Ärztin Angelique Coetzee, Entdeckerin der Omikron-Variante, die Symptome der neuen Virusvariante zwar ungewöhnlich, aber mild ausfielen. Die untersuchten Patienten seien „wegen extremer Müdigkeit in die Sprechstunde gekommen“, sagte die in Pretoria praktizierende Ärztin. Dies sei ungewöhnlich für jüngere Patienten.

Die meisten Infizierten seien Männer unter 40 Jahren gewesen, weniger als die Hälfte von ihnen sei geimpft gewesen. Sie hätten leichte Muskelschmerzen gehabt, einen „kratzigen Hals“ und trockenen Husten. Nur einige hätten leicht erhöhte Temperatur gehabt. Alle hätten sich wieder erholt, ohne ins Krankenhaus zu müssen.

Südafrika hatte die Entdeckung der neuen Variante mit der wissenschaftlichen Bezeichnung B.1.1.529 zuerst bekannt gegeben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft sie zunächst als „besorgniserregend“ ein, am 29. November wurde das Risiko sodann als „sehr hoch“ eingestuft.

Coetzee bedauerte es, dass Omikron als „extrem gefährliche Virusvariante“ mit zahlreichen Mutationen aufgebauscht worden sei, obwohl ihre Gefährlichkeit noch unklar sei. Es wird vermutet, dass die neue Variante sehr ansteckend und resistent gegen die Immunabwehr ist. Ob sie die Wirksamkeit der Vakzine beeinträchtigt, wird aber noch untersucht.

„Wir sagen nicht, dass es keine schweren Erkrankungen geben wird“, betonte Coetzee. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hätten aber auch die nicht geimpften Patienten milde Symptome. „Ich bin ziemlich sicher, dass viele Menschen in Europa dieses Virus schon haben“, zeigte sie sich überzeugt.

Beraterteam im „Worst-Case“-Modus

Kritik für die Einschätzung des Beraterteams hagelt es von der „Welt“. „Man hätte die Gefahren aufzeigen und gleichzeitig darauf hinweisen können, dass sich vieles in der Pandemie bereits zum Besseren gewendet hat“, heißt es in dem Beitrag.

Wie so oft in den vergangenen zwei Jahren hätten sich die Experten für die „alleinige Präsentation des Worst-Case-Szenarios entschieden – sie wollen offensichtlich, wieder einmal, ein Maximum an Angst erzeugen, weil sie anscheinend der Meinung sind, dass die Menschen da draußen nur unter Angst und mit Vorschriften das Angemessene tun werden“.

Das Einzige, was dem Beraterteam kurz vor Weihnachten einfalle, seien Kontaktbeschränkungen; während die Folgen für das soziale und geistige Wohlergehen der Menschen in einem Halbsatz ohne Konsequenzen abgehandelt würden.

Hinzu komme, dass die Experten die Beeinträchtigung der kritischen Infrastrukturen nicht nur aufgrund hoher Infektionszahlen oder gar Hospitalisierungen befürchten, „sondern vor allem durch die Quarantäneregeln, die im Fall von Omikron besonders streng sind – 14 Tage, ohne die Möglichkeit der Freitestung“.

Laut „Welt“ wäre die Feststellung der möglicherweise verheerenden Folgen der richtige Anlass, über Sinnhaftigkeit, Nutzen und Schaden einer solchen Maßnahme nachzudenken und ein alternatives Quarantänekonzept zu entwickeln, das für die Infrastrukturen weniger belastend sei und die richtige Balance zwischen Infektionsschutz und Aufrechterhaltung der Lebensprozesse der Gesellschaft finde.

„Doch das einzige Konzept der Stellungnahme ist, Angst zu verbreiten – auf dass die Bevölkerung trotz mehrfacher Impfungen wieder Maßnahmen akzeptiert, die wohl vor einem Jahr noch Lockdown genannt worden wären“, so der Autor weiter. So könne es nicht weitergehen. „Die Schäden, die diese Schmalspurexpertise anrichtet, wenn sie in Politik umgesetzt wird, dürften größer sein als der Nutzen, den die geforderten Maßnahmen bringen können.“

An die 19 Regierungsberater gewandt, die einstimmig die Stellungnahme beschlossen hatten, äußert der „Welt“-Autor: „Jeder, der an dieser Stellungnahme beteiligt war, muss sich heute fragen, an welcher Dynamik er da mitwirkt und ob das verantwortbar ist.“

Hier geht es zum kompletten Wortlaut der Stellungnahme des Expertenrats vom 19. Dezember 2021.

(Mit Material von dts/afp)



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