Wagenknecht skizziert „Vision für Deutschland“: Wirtschaft und Infrastruktur als Schwerpunkte

Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat einen umfangreichen Beitrag in der „Weltwoche“ verfasst. Darin skizziert sie ihre „Vision für Deutschland“.
Mitverfasserin des «Manifests für Frieden»: Sahra Wagenknecht.
Mitverfasserin des „Manifests für Frieden“: Sahra Wagenknecht.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 12. Mai 2023

Ob die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, die nicht mehr für ihre Partei kandidieren möchte, ein eigenes Projekt in Angriff nehmen wird, ist noch offen. Wagenknecht hatte der Linkspartei jüngst ein Ultimatum gesetzt: Sollte dieser bis zum Ende des Jahres keine tiefgreifende Reform gelingen, erwäge sie die Gründung einer eigenen Partei.

Dass Wagenknecht sich immer mehr mit diesem Gedanken anfreundet, darauf deutet ihre jüngste Veröffentlichung hin. In der konservativen Schweizer „Weltwoche“ meldete sie sich mit einem Grundsatzartikel zu Wort. Überschrieben ist er mit dem Titel „Meine Vision für Deutschland: Frieden, Freiheit, Wohlstand für alle“.

Politik droht verbliebene Potenziale zu vertreiben

In dem Artikel beklagt sie einen allgegenwärtigen Niedergang, der in Deutschland anzutreffen sei. Das Land lebe noch vom Ruf vergangener Tage, als die Welt damit Wertarbeit, funktionierende staatliche Strukturen und soziale Sicherheit assoziiert habe.

Heute liege hingegen die Infrastruktur darnieder, Bahn und Verkehrswege seien unzuverlässig und marode. Auch das Bildungssystem und die Gesundheitsversorgung seien in einem beklagenswerten Zustand.

Dabei seien, so Wagenknecht, die Potenziale noch vorhanden. Es gebe nach wie vor noch gute Ingenieurarbeit in Industriebetrieben und einen leistungsfähigen Mittelstand. Beides sei jedoch durch eine verfehlte und schädliche Politik gefährdet, die diesen immer weniger tragfähige Rahmenbedingungen biete. Die Politik der Ampel trage mehr denn je zu einem Dauernotstand bei, so Wagenknecht:

Wenn wir nicht schnell zur Besinnung kommen, dürften die Tage, in denen Deutschland zu den führenden Industrienationen der Welt gehörte, bald gezählt sein.“

Wagenknecht hält Inflation nicht für bloß temporäre Erscheinung

Während die Wirtschaftsdaten erschreckend seien, bleibe Deutschland im Bereich der Inflation an der Weltspitze. Lebensmittel seien binnen Jahresfrist um 22 Prozent, Energie um 40 Prozent teurer geworden. Ohne eine zuletzt erfolgte Umdefinition des zugrunde liegenden Warenkorbes wäre die offizielle Inflationsrate noch deutlich höher als die ausgewiesenen sieben Prozent.

Wagenknecht bestreitet, dass es sich um eine kurzfristige Preisinflation handele. Deutschland erlebe keinen vorübergehenden konjunkturellen Abschwung, sondern einen realen Niedergang. Dies zeige sich unter anderem an der Entwicklung des Produktionsindex für das verarbeitende Gewerbe, der seit 2018 um fünf Prozent gesunken sei.

Die Politikerin hält auch die Strategie für verfehlt, wegfallende Industriearbeitsplätze durch Dienstleistungsjobs ersetzen zu wollen. Dies habe schon in Nordengland, dem US-amerikanischen Rust Belt oder deindustrialisierten Regionen Italiens nicht funktioniert. Ein Land, in dem Arbeitsplätze für Werkzeugbauer wegfielen und stattdessen solche bei Lieferdiensten entstünden, sei „schwerlich in einer guten Verfassung“.

Explodierende Energiepreise könnten künftig noch weitere wohlstandsrelevante Geschäftsfelder aus dem Land vertreiben. Große Unternehmen und solche, die sich Expansionen ins Ausland leisten könnten, machten zunehmend von dieser Option Gebrauch. Der heimische industrielle Mittelstand verliere hingegen durch teure Energie, unsichere Rohstoffversorgung und Fachkräfteprobleme massiv an Wettbewerbsfähigkeit.

Schuldzuweisungen an die USA – Europas Beitrag zum Ukrainekonflikt bleibt unerwähnt

Wagenknecht sieht die Faktoren für den wirtschaftlichen Niedergang nicht nur in der Innenpolitik. Auch die Außenwirtschaftspolitik trage zur Schwächung der rohstoffarmen Exportnation Deutschland bei. Diese gründe sich auf „ausufernde Sanktionen und überhebliche Belehrungen“ statt auf faire, stabile Handelsbeziehungen mit möglichst vielen Partnern.

Der Linken-Politikerin zufolge füge sich dies in eine Außenpolitik ein, die sich vollständig geopolitischen US-Interessen unterordne – und dies hinter moralisierenden Erzählungen verstecke. Als wesentlichen Faktor hinter den weltpolitischen Verwerfungen sieht Wagenknecht entsprechend die USA. Diese kämpften gegen den Verlust der alleinigen Weltmachtstellung an, die ihnen auch erhebliche wirtschaftliche Vorteile geboten habe.

Die Rolle Europas beispielsweise im Zusammenhang mit dem irregulären Machtwechsel 2014 in der Ukraine thematisiert sie nicht. Unter dem Banner des „Euromaidan“ hatten damals proeuropäische und ultranationalistische Kräfte eine gewählte Regierung aus dem Amt gezwungen. Diese hatte sich zuvor geweigert, ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Der Versuch, Widerstände gegen den Machtwechsel in der eher prorussischen Ostukraine militärisch zu brechen, hat sich mittlerweile zu einem Flächenbrand ausgeweitet.

Wagenknecht: Macron potenzieller Partner bei der Herstellung „europäischer Souveränität“

Wagenknecht beschwört demgegenüber den Gedanken einer „europäischen Souveränität“. Eine solche würde „unsere eigenen sicherheitspolitischen und ökonomischen Interessen in den Mittelpunkt rücken“. Dazu gehörten insbesondere Frieden und Stabilität in Europa und die Rückkehr zu beiderseitig vorteilhaften Handelsbeziehungen mit Russland.

Im Verhältnis zu Chinas KP-Regime spricht sich Wagenknecht gegen „blinde Blockaden“ aus. Allerdings plädiert sie auch für „Achtsamkeit“, vor allem „bei Übernahmen nur um den Zugriff auf heimische Spitzentechnologie“. Deutschland solle sich auch von China nicht abhängig machen. Dies bedeute auch, aus Fehlern wie im Kontext der Solarindustrie zu lernen.

Die Linkspolitikerin sieht in Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen potenziellen Verbündeten für eine „eigenständige europäische Außenpolitik und eine europäische Wirtschaftsstrategie“. Zum Schluss mahnt sie ein „durchdachtes, ehrgeiziges Programm“ an, das unter dem Motto „Made in Germany 2030“ stehen solle.



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