Weniger Teilnehmer bei Protesten in Großstädten gegen AfD – Mehrheit für Verbot von Ostverbänden

Bundesweit haben auch an diesem Wochenende wieder Demonstrationen gegen die AfD stattgefunden. Eine Umfrage spricht von einer Mehrheit, die sich für ein Verbot zumindest einzelner Landesverbände ausspricht. Der Weg dazu wäre allerdings kompliziert.
59 Prozent der befragten Wahlberechtigten bewerten ein Verbot bestimmter AfD-Landesverbände als eine «sehr gute Idee» oder eine «eher gute Idee».
59 Prozent der befragten Wahlberechtigten bewerten ein Verbot bestimmter AfD-Landesverbände als eine „sehr gute Idee“ oder eine „eher gute Idee“.Foto: Sebastian Kahnert/dpa
Von 29. Januar 2024

Auch an diesem Wochenende haben sich mehrere zehntausend Personen bundesweit an Demonstrationen beteiligt, die sich primär gegen die AfD richten. Anlass dafür ist die Teilnahme mehrerer Politiker der Partei an einem privaten Treffen nahe Potsdam im November des Vorjahres. Dabei sollen diese Sympathie für teilweise verfassungswidrige Pläne für eine „Remigration“ von Millionen Einwohnern der Bundesrepublik Deutschland geäußert haben – auch von Staatsbürgern.

Weniger Teilnehmer an den Massendemos als in der Vorwoche

Zu den Städten mit der höchsten Beteiligung gehörte unter anderem Düsseldorf mit – laut Initiatoren – 30.000 Teilnehmern. In Osnabrück sprachen Polizei und Veranstalter von 25.000 Versammelten. Dort trat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius als Redner auf. In Kiel gingen mindestens 11.500 Personen „gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus“ auf die Straße.

Vierstellige Teilnehmerzahlen waren in Singen (4.000) und Neumarkt in der Oberpfalz (1.500) zu verzeichnen. Bundeskanzler Olaf Scholz sah „das Land auf den Beinen“. Bereits am Freitagabend hatte es Demonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmern in Städten wie Frankfurt am Main, Saarbrücken, Gütersloh oder Herne gegeben.

Auf ein allmähliches Abflauen der Demonstrationswelle deutet unterdessen hin, dass die Zahl der Teilnehmer in den großen Städten deutlich geringer ist als in der Vorwoche. Medien und Unterstützer wie Ex-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz verweisen zwar auf eine Vielzahl an Kundgebungen in kleineren Städten, allerdings hielten sich die Teilnehmerzahlen dort in Grenzen. So kamen in Sigmaringen 2.000 Personen, obwohl Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Redner angekündigt war.

BSW-Anhänger mehrheitlich gegen AfD-Verbot

Unterdessen ist die Zahl der Befürworter eines Verbotsantrags gegen die AfD gegenüber einer ähnlichen Befragung vor Bekanntwerden des „Correctiv“-Berichts gestiegen. Damals hatten sich 42 Prozent der Teilnehmer an einer Ipsos-Umfrage für einen solchen Schritt ausgesprochen.

Nun hat die Organisation Campact eine Pollytix-Umfrage präsentiert, der zufolge 50 Prozent aller Befragten ein Verbot der AfD auf Bundesebene für eine sehr oder eher gute Idee halten. Erwartungsgemäß waren mit 77 Prozent vorwiegend die Anhänger der Grünen dieser Auffassung. Aber auch bei den anderen Parteien waren mehr als 50 Prozent dieser Ansicht.

Demgegenüber waren neben den Anhängern der AfD selbst auch 57 Prozent der BSW-Anhänger gegen einen solchen Schritt. Insgesamt lehnten 46 Prozent ein AfD-Verbot sehr oder eher stark ab. Mit 48 zu 47 Prozent hält eine knappere Mehrheit die Einleitung eines Verbotsverfahrens für notwendig.

Mit 59 Prozent erhielt hingegen unter Anhängern aller Parteien außer der AfD selbst die Auffassung eine Mehrheit, wonach die AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt verboten werden sollten. Diese sind vom Verfassungsschutz bisher als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft.

Verbot lediglich einzelner Landesverbände möglich

Ein Parteiverbot bedeutet grundsätzlich die Untersagung der politischen Tätigkeit einer Partei insgesamt inklusive ihrer Unter- und Nachfolgeorganisationen. Die Konsequenzen wären die Auflösung ihrer Strukturen, die Einziehung des Parteivermögens und der Mandatsverlust ihrer gewählten Vertreter.

Lediglich das Bundesverfassungsgericht kann ein Parteiverbot aussprechen. Antragsberechtigt sind Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Betrifft der Antrag eine Partei, die lediglich auf Landesebene organisiert ist, wären Landesregierung oder Landtag zuständig.

Für ein Verbot wäre eine Zweidrittelmehrheit des Richterkollegiums erforderlich. Es wäre möglich, dass das Bundesverfassungsgericht nur einzelne Landesverbände verbietet. Im Vorfeld wäre dennoch bei einer bundesweiten Partei ein Verbotsverfahren gegen diese selbst erforderlich.

Kein Präzedenzfall für ein solches Vorgehen

Auch wenn es dem Bundesverfassungsgericht theoretisch möglich wäre, nur einzelne Landesverbände einer Partei zu verbieten, gibt es keinen Präzedenzfall für ein solches partielles Parteiverbot.

Lediglich in der Zeit vor der Wiedervereinigung hatte der Alliierte Kontrollrat in der selbstständigen politischen Einheit Westberlin in einigen Fällen von seinen Vorbehaltsrechten Gebrauch gemacht. So bestanden unter anderem ein Betätigungsverbot und ein Verbot der Ein- und Durchreise für Mitglieder der NPD. Tatsächlich hatte die Partei dort dennoch Strukturen aufgebaut, allerdings war ihr eine Teilnahme an Wahlen zum Abgeordnetenhaus oder zu den Bezirkstagen nicht möglich.

Im Jahr 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht der NPD bescheinigt, die grundlegenden Voraussetzungen für ein Parteiverbot zu erfüllen. Diese seien eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung“ gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und ein planvolles Vorgehen. Allerdings sprach sich der Senat gegen ein Verbot aus, weil es der nun als Die Heimat firmierenden Partei mangels politischer Relevanz an den Voraussetzungen fehle, ihr Vorhaben umzusetzen.

AfD müsste planvoller Kampf gegen eine von drei Grundprinzipien nachgewiesen werden

Dieses Hindernis würde einem möglichen AfD-Verbot nicht entgegenstehen – immerhin wäre diese im Moment zweitstärkste Partei auf Bundesebene und stimmenstärkste in mehreren Ländern. Der Partei müsste dennoch insgesamt ein planvolles Vorgehen gegen drei zentrale Grundprinzipien nachgewiesen werden. Diese wären der Schutz der Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip. Zu den bislang stärksten Verdachtsmomenten, die auch Verfassungsschutzbehörden regelmäßig erwähnen, gehören unter anderem ein völkisches Nationsverständnis sowie Islamfeindlichkeit in signifikanten Teilen der AfD.

Ein völkisch-nationalistischer Volksbegriff, der von einem ethnisch homogenen Staatsvolk ausgeht, in das man nur hineingeboren werden könne, würde dem Bundesverfassungsgericht zufolge diese Qualifikation erfüllen. Es wäre auch wahrscheinlich, dass das Bestreben, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Religion elementare Grund- und Menschenrechte abzuerkennen, gegen den Schutz der Menschenwürde verstoße.

Im Fall der AfD findet sich zwar keine explizite Forderung, die Glaubens- und Gewissensfreiheit einzuschränken. Führende Vertreter der Partei wollen, wenn es um den Islam geht, jedoch einen Umweg gehen, indem sie diesem die Religionseigenschaft absprechen und ihn zur „politischen Ideologie“ umdefinieren wollen. Dies würde jedoch die weltanschauliche Neutralität des demokratischen Verfassungsstaates verletzen und die verfassungsmäßig geschützten Rechte nach den Artikeln 1, 3 und 4 des Grundgesetzes negieren.

Erklärung aller Landesverbände enthält Absage an völkischen Nationsbegriff

Allerdings reichen einzelne Aussagen von Funktionären nicht aus, um der Partei insgesamt eine solche Neigung nachzuweisen. Selbst wenn die Berichte von „Correctiv“ über das private Treffen in Potsdam in vollem Umfang zutreffen sollten, wäre von Einzelmeinungen der Beteiligten auszugehen.

Der Bundesvorstand der AfD und alle Landesvorsitzenden hatten 2021 eine Erklärung unterschrieben, in welcher das deutsche Staatsvolk als „Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen“, anerkannt wird. Dies gelte „unabhängig davon, welchen ethnisch-kulturellen Hintergrund jemand hat, wie kurz oder lange seine Einbürgerung oder die seiner Vorfahren zurückliegt“.

Mögliche Antragsteller trifft die Beweislast, wenn es darum geht, der Partei nachzuweisen, dass ihre tatsächliche Position vom Inhalt dieser Erklärung abweicht. Dass dies gelingen würde, bezweifelt auch die Mehrheit der von Pollytix Befragten. So glauben 61 Prozent davon, dass ein Verbotsantrag gegen die AfD auf Bundesebene scheitern würde. Nicht einmal eine Mehrheit der Anhänger der Grünen geht von Erfolgsaussichten aus.



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