Politologen über Massendemos: Keine Schwächung der AfD ohne Lösung zentraler Probleme

Dass die Massendemos gegen die AfD Wähler zurück in die Mitte bringen, hoffen vor allem Union und SPD. Zumindest könnte die Zahl der Nichtwähler wieder wachsen. Bereits jetzt zeigen sich aber schon Bruchstellen unter den Demo-Protagonisten.
Auf dem Markt demonstrieren zahlreiche Menschen gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus.
Auf dem Greifswalder Markt demonstrieren zahlreiche Menschen gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus.Foto: Stefan Sauer/dpa
Von 25. Januar 2024

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Mehr als 300.000 Menschen sind allein am vergangenen Wochenende in zahlreichen deutschen Städten auf die Straße gegangen, um gegen die AfD zu demonstrieren. Anlass war ein Bericht des Portals „Correctiv“ über ein privates Treffen in Potsdam im November 2023. AfD-Politiker sollen dort ihre Zustimmung zu teils verfassungswidrigen Vorschlägen eines bekannten österreichischen Rechtsextremisten zur „Remigration“ bekundet haben. Laut Teilnehmern, sei es an jenem Abend lediglich über eine Abschiebung ausreisepflichtiger Drittstaatler gesprochen worden, wie sie auch Bundeskanzler Olaf Scholz anstrebe.

Politologen haben sich nun zu den möglichen Auswirkungen der Massendemos geäußert.

Machen Massendemos aus AfD-Sympathisanten Nichtwähler?

Im „Tagesspiegel“ geht Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen davon aus, dass die Proteste den „Wählermarkt“ beeinflussen könnten. Dies werde aber nicht zwingend nur in eine Richtung gehen. Die Proteste würden teilweise eine „Verhärtung mit Trotzwählern im radikalen Lager“ bewirken.

Allerdings könne es auch in zwei anderen Richtungen Bewegung geben. Zum einen könnten die Demos zu einer „neuen Nachdenklichkeit“ führen, die „aus AfD-Sympathisanten Nichtwähler macht“. Dieses Phänomen hatte sich unter anderem in der Corona-Zeit gezeigt, als die Partei in den Jahren 2020 und 2021 bei mehreren Landtagswahlen und der Bundestagswahl Verluste zu verzeichnen hatte.

Beobachter machten dies vor allem daran fest, dass die internen Querelen Wähler verunsichert hätten und nicht alle den fundamentaloppositionellen Kurs in der Corona-Politik geteilt hätten. Erst seit der Energiekrise 2022 ist ihr Wähleranteil wieder deutlich angestiegen. Die AfD hatte zuvor viele Wähler in die Wahlenthaltung verloren.

Korte: Bürgerliche Wähler könnten zur Mitte zurückkehren

Auch Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, meint im „Münchner Merkur“, man werde „die Kernwählerschaft der AfD mit den Protesten nicht umstimmen können“. Allerdings könnte – wie bereits in der Corona-Zeit – der eine oder andere schwankende Wähler ins Grübeln kommen:

„So manch einer wird jetzt darüber nachdenken, ob die AfD nicht weit und gefährlich übers Ziel der Kontrolle von Migration hinausschießt.“

Korte meint zudem, es wäre möglich, dass einige „bürgerliche“ Wähler wieder „bekehrt“ werden und wieder „mittig tendieren“ könnten. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass der Zustrom zur AfD über die Jahre hinweg nicht zwingend nur aus dem bürgerlichen Spektrum gekommen ist. Am ehesten ist dies in ostdeutschen Ländern wie Sachsen oder Thüringen der Fall, wo die CDU im Laufe der vergangenen zehn Jahre erheblich an Stimmenanteilen eingebüßt hat.

Vergleicht man allerdings Umfragen aus der Zeit von Mitte 2012 – als es die AfD noch nicht gab – mit jenen von heute, fällt auf, dass die Union vergleichsweise weniger stark eingebüßt hat als die SPD. Auch war es der Partei gelungen, Nichtwähler zurück an die Urne zu holen und in Ostdeutschland auch in der langjährigen Wählerschaft der Linkspartei Fuß zu fassen.

Umfrageverluste: Alternativen zur AfD oder Schweigespirale?

Die jüngsten Meinungsumfragen bescheinigen der AfD einen Verlust an Zuspruch in der Größenordnung zwischen 1,5 und zwei Prozent. Dies wäre jedenfalls im Einklang mit den Erwartungen beider Politologen.

Allerdings fällt dabei auf, dass weder die Ampelparteien noch die Union in direkter Weise davon profitieren. Die Verluste könnten auch noch weitere, von den Politologen nicht angesprochene Ursachen haben. Eine davon wäre, dass sich bisherige AfD-Wähler gemäßigteren Alternativen des Protests gegen die etablierte Politik zuwenden. Als solche kämen unter anderem Sahra Wagenknechts BSW, die Freien Wähler und möglicherweise auch die noch nicht gegründete WerteUnion in Betracht.

Ein anderer ist das Inkrafttreten der sogenannten Schweigespirale. Diese bedeutet, dass Bürger, die zur Stimmabgabe für eine in der Öffentlichkeit verpönte Partei neigen, dies gegenüber Umfrageinstituten verschweigen. Manche verweigern in diesen Fällen die Befragung, andere zeigen sich unschlüssig oder geben eine nicht wahrheitsgemäße, aber sozial erwünschte Antwort.

Sowohl Korte als auch Münch sind sich unterdessen darüber einig, dass die Massendemos der AfD nicht schaden werden, solange die Politik die drängendsten Probleme nicht löst. Diese blieben neben der Kontrolle der Migration vor allem die Energiepreise, die Inflation und die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft. Auch auf X sehen dies Nutzer so:

Konflikte erfassen Massendemos und spalten die „Anständigen“

Unterdessen zeigen sich in den Reihen der sich selbst als solche definierenden „Anständigen“, die sich an den Massendemos beteiligen, erste Sollbruchstellen. An einigen Schauplätzen von Kundgebungen gegen die AfD ist es zu teilweise heftigen Unstimmigkeiten zwischen Teilnehmern gekommen.

In München hat etwa die aus den Reihen der „Klimabewegung“ kommende Organisatorin Lisa Pöttinger die Teilnahme von CSU-Politikern kritisiert. Der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle (CSU), bezeichnete ihre Äußerungen als „hirnlos, arrogant und demokratieschädigend“.

In München und Münster soll es zudem zu Eklats zwischen israelsolidarischen und propalästinensischen Teilnehmern gekommen sein. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger äußerte, die Proteste seien „von Linksextremisten unterwandert“. Auch Politologin Münch sieht die Gefahr einer Spaltung durch Gruppen, die den Massendemos ihre eigene Prägung geben wollen:

„Manche Redebeiträge klangen so, als sei jeder, der sich für weniger Zuwanderung ausspricht, automatisch ein Nazi.“

Bayerns Justizminister sah aufseiten der Organisatoren der Münchner Kundgebung einen Versuch, „zehntausende Münchner für die eigenen politischen ideologischen Zwecke zu instrumentalisieren“.



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