Keine „Schlammschlacht“, nur Aufklärung: Corona-U-Ausschuss in Hessen kommt

Am 14. Mai will die AfD-Fraktion im hessischen Landtag einen Untersuchungsausschuss zur Corona-Zeit auf den Weg bringen. Die nötigen Unterschriften auf dem „Einsetzungsbeschluss“ liegen seit Mittwoch vor.
Titelbild
Das Symbolbild zeigt den Haupteingang des hessischen Landtags in Wiesbaden. Ab Sommer 2024 soll hier ein Corona-Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufnehmen.Foto: iStock
Von 26. April 2024

In Brandenburg ist ein Corona-Untersuchungsausschuss schon seit Monaten aktiv – nun wird wohl auch das Land Hessen ein solches Gremium einrichten müssen.

Treibende Kraft im hessischen Landtag ist die AfD-Fraktion. Ihr ist es nach Informationen der „Tagesschau“ gelungen, die nötigen 27 Stimmen für einen „Einsetzungsbeschluss“ zusammenzubekommen. Das entspricht gerade so einem Fünftel der 133 Landtagsabgeordneten, die das Land Hessen mindestens verlangt, um einen U-Ausschuss zu bestellen.

Neben den 26 Mitgliedern der AfD-Fraktion habe auch der fraktionslose Abgeordnete Sascha Herr, der bis Herbst 2023 selbst Parteimitglied war, das Papier unterschrieben – und damit den Weg frei gemacht. Die AfD-Fraktion informierte bereits am vergangenen Mittwoch auf einer Pressekonferenz über den neuen Sachstand.

Arbeit soll im Sommer beginnen

Nach Angaben der „Tagesschau“ will die AfD per Antrag am 14. Mai 2024 im Landtag über einen 15-köpfigen Untersuchungsausschuss abstimmen lassen. Die AfD könnte darin drei Plätze besetzen. Damit hätte die AfD das Recht, selbst Beweisanträge zu stellen, um beispielsweise Zeugen vorzuladen, so die „Tagesschau“. Voraussichtlich könne der Untersuchungsausschuss seine Arbeit in der zweiten Jahreshälfte aufnehmen und dann „mehrere Jahre“ lang tagen. Damit rechne jedenfalls Volker Richter, der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion. Er habe während der Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch das Ziel des U-Ausschusses definiert:

Es geht um die Aufklärung und Beurteilung aller Maßnahmen, gesetzlichen Regelungswerke und öffentlichen Stellungnahmen, welche zur Bekämpfung des Coronavirus ergangen sind.“

Eine „Schlammschlacht“ lehne Richter ab, es gehe ihm vielmehr um „Aufklärung“, schreibt die „Frankfurter Rundschau“ (FR) über das mutmaßliche Ausschussmitglied. Richter habe zudem angekündigt, nicht nur Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI) und andere Wissenschaftler, sondern auch Verantwortliche der damaligen schwarz-grünen Landesregierung befragen zu wollen. Nach Angaben der „Tagesschau“ sei etwa die Vorladung des früheren Landesgesundheitsministers Kai Klose (Grüne) und des Ex-Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) geplant.

Bouffier hatte sich der „Hessenschau“ zufolge Anfang April 2024 für eine Aufarbeitung per Enquete-Kommission starkgemacht, einen U-Ausschuss aber abgelehnt. Wenn es um die „Schuldfrage“ gehe, werde „nichts heraus“ kommen. Auch Bouffier gehörte zu den Verfechtern einer allgemeinen COVID-19-Impfpflicht. „Im Großen und Ganzen sind wir, auch in ganz Deutschland, ganz gut durchgekommen“, meint Bouffier heute.

Der Antrag der AfD auf Einrichtung des U-Ausschusses soll laut „Tagesschau“ 43 Punkte umfassen. Derzeit liege das Dokument der Landtagsverwaltung zur Prüfung vor. Klar ist nach einem Bericht des „Hitradio FFH“  schon jetzt, dass unter anderem Fragen zu Maskenpflichten, zu den Lockdowns, zu Veranstaltungsverboten, zu Impfungen und zur finanziellen Belastung der Steuerzahler thematisiert werden sollen.

„Dienst an der Demokratie“

Robert Lambrou, der Fraktionschef der hessischen AfD, habe das Vorhaben als „Dienst an der Demokratie“ bezeichnet, wie die „Tagesschau“ weiter berichtet. Es gelte, die „tiefe gesellschaftliche Spaltung“ zumindest „ein Stück weit“ zu heilen.

Andreas Lichert, der stellvertretende AfD-Fraktionschef, habe von einem „Anfangsverdacht“ gesprochen: Er gehe davon aus, dass mit der „erratischen und wissenschaftlich nicht gedeckten Corona-Politik“ „gravierende Fehler gemacht“ worden seien, zitiert ihn die „Tagesschau“. Für ihn stelle sich die Frage, ob den Entscheidungen „konkrete, wissenschaftlich nachvollziehbare Fakten zugrunde“ gelegen hätten oder ob sie „Teil der Impfnötigung“ gewesen seien. „In der Gesellschaft“ sei das Bedürfnis jedenfalls „mit Händen zu greifen“, für eine Aufarbeitung zu sorgen.

Heiko Scholz, der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, hatte nach Angaben der FR betont, dass die Politik während der Corona-Jahre von „Angst und Panik“ getrieben gewesen sei. Die „Hauptleidtragenden“ seien Kinder und Jugendliche gewesen. Ihm sei es ein Anliegen, dass die Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen würden. Ginge es nach ihm, so dürften sie „keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden“. Dennoch würden die AfD-Vertreter im U-Ausschuss „garantiert keine Schlammschlacht entfachen, wenn das die anderen auch nicht tun“, versprach Scholz der „Tagesschau“ zufolge im Einklang mit seinem Parteikollegen Richter. Scholz ist dennoch schon jetzt überzeugt:

Die hessische Landesregierung hat darin versagt, unsere Schulen sowie das gesamte hessische Bildungssystem auf die Bewältigung eines Ausnahmezustandes, so wie diese Pandemie, vorzubereiten.“ (Video auf „Hessenschau“)

Grüne befürchten „Schwurbler“ und „Leugner“

Kathrin Andres, die gesundheitspolitische Sprecherin der oppositionellen Grünen-Fraktion, erklärte gegenüber der „Hessenschau“, es sei davon auszugehen, dass „Schwurbler und Leugner“ im U-Ausschuss sitzen werden. Dabei gebe es doch einen „Konsens in der wissenschaftlichen Debatte darüber, dass Corona weder ausgedacht war noch ungefährlich war“. Das Virus habe „gerade zu Beginn viele, viele Menschenleben gekostet“, so Andres gegenüber der „Hessenschau“. Nach Angaben der FR hegt Andres die Befürchtung, dass der U-Ausschuss zu einem „Forum für rechtspopulistisches oder rechtsextremes Gedankengut“ mutieren könne.

Auch Oliver Stirböck, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, nimmt laut „Tagesschau“ an, „dass die AfD den Untersuchungsausschuss für rechte Showzwecke“ missbrauchen „und zur Bühne für Verschwörungstheoretiker und Aluhut-Träger“ machen werde.

Claudia Ravensburg, die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, verwies in einem TV-Beitrag der „Hessenschau“ darauf, dass „Entscheidungen schnell getroffen werden“ mussten, obwohl „keine Blaupause“ vorgelegen habe. Aus „heutiger Sicht“ würde man vielleicht „anders entschieden“ haben, räumte Ravensburg ein. Generell wolle die SPD-Fraktion dafür sorgen, dass die Treffen des Untersuchungsausschusses „nicht zu einem Schaulaufen für Rechtsextreme, Querdenker, QAnon-Jünger und andere Verschwörungstheoretiker“ würden, berichtet die „Tagesschau“.

Die SPD-Abgeordnete Daniela Sommer stellte nach Informationen der FR die Notwendigkeit eines Ausschusses in Abrede. Außerdem stehe der Ausschuss unter dem „unauslöschlichen Makel“, dass er allein mit der Stimme von Sascha Herr zustande gekommen sei – und dieser MdL sei bekanntlich selbst der AfD „zu rechtsextrem“.

Sascha Herr: Umstrittene Kontakte beim „Zünglein an der Waage“?

Für Kritik sorgt also die Tatsache, dass die AfD auf die Unterschrift von Sascha Herr hatte zurückgreifen müssen, um die nötigen 27 Stimmen zusammenzubekommen. Denn eigentlich hatte sich die AfD nach Angaben der „Frankfurter Rundschau“ bereits wenige Tage nach der Landtagswahl vom 8. Oktober 2023 von dem 44-Jährigen aus dem Hochtaunuskreis distanziert. Nachdem bekannt geworden sei, dass Herr sich mit einem Mitglied der „verbotenen rechtsterroristischen Gruppierung ‚Combat 18‘“ hatte fotografieren lassen, habe die AfD ihm die Aufnahme in die Fraktion verweigert. Man werde nicht weiter mit ihm zusammenarbeiten, habe es damals aus den Reihen der AfD-Fraktion geheißen, so die FR.

Herr selbst hatte nach Angaben der FR bestritten, den „Combat 18“-Anhänger gekannt zu haben: Der Mann sei von einem „alten Kumpel mitgebracht“ worden, bevor das Foto entstand. Wenig später aber habe Herr sein AfD-Parteibuch zurückgegeben. Nach Angaben seines Kreisverbandssprechers soll Herr dafür „unter Druck gesetzt“ worden sein, wie die FR bereits im November 2023 berichtet hatte. Sein Landtagsmandat habe er als nun Fraktionsloser trotzdem behalten dürfen.

Für den AfD-Fraktionschef Robert Lambrou stellt Herrs Unterschrift unter dem Einsetzungsbeschluss allerdings laut FR keinen Widerspruch zum selbst auferlegten Kooperationsverbot dar: Schließlich habe Herr nicht selbst an dem Papier mitgearbeitet. Außerdem, so Lambrou laut „Tagesschau“, habe man mit Herr „nur über Dritte Kontakt gehabt“. „Aus unserer Sicht ist das keine Zusammenarbeit“, habe Lambrou der FR zufolge klargestellt. Lambrou habe zudem bedauert, dass kein einziger Abgeordneter einer anderen Fraktion den Einsetzungsbeschluss mittragen wollte.

Nach einem Bericht der „Hessenschau“ hat Lambrou bereits Anfang April alle 133 Landtagsabgeordneten per E-Mail um Unterstützung gebeten. Doch in Hessen habe die „Brandmauer“ der übrigen Landtagsfraktionen gehalten. Auch der hessische Verfassungsschutz bewerte die AfD als „rechtsextremen Verdachtsfall“.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion