Wie ein narzisstisches Geld unsere Gesellschaft prägt

Viele Merkmale des Fiat-Geldsystems erinnern an Symptome des pathologischen Narzissmus. Da dieses Geld ohne Gegenwert entsteht, spiegelt es den ins Unendliche gesteigerten Selbstwert des Narzissten wider, bei gleichzeitiger Verdrängung des eigenen, innerlichen Unwertes ins Unbewusste. Ausgehend davon lassen sich Hypothesen zur narzisstischen Prägung der Gesellschaft durch unser Geldsystem entwickeln. 
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Hoch über dem Morgennebel – im Winter in Dubai.Foto: iStock
Von 1. Februar 2024

Viele Merkmale unseres Fiat-Geldsystems erinnern an Symptome, die auch beim pathologischen Narzissmus auftreten. Der folgende Text entwickelt Hypothesen zu den Folgen, welche dieses Geldsystem für unsere Gesellschaft hat.

Narzissmus im Sinne der Psychoanalyse meint zunächst einmal nichts anderes als das Gleichgewicht des Selbstwertgefühls. Unser Selbstwertgefühl sollte am besten positiv getönt und vor allem: realistisch sein, also weder unterbewertet noch grandios übersteigert. Dann können wir mit anderen Menschen umgehen, nach dem Grundsatz: Ich bin okay, du bist okay. Mit einem positiven und realistischen Selbstwertgefühl sind wir auch in der Lage, unsere Mitmenschen in ihrer Unterschiedlichkeit zu uns, unseren Bedürfnissen und Meinungen anzuerkennen.

Der Narzisst hat die Wunde im Selbstwert

Beim pathologischen Narzissmus sind zwei Dinge vorherrschend. Die betroffene Person leidet erstens unter einem inneren Gefühl der Wertlosigkeit. Da dieses Gefühl von Selbst-Unwert aber unerträglich ist, verdrängt der Narzisst es ins Unbewusste und gleicht die Wertlosigkeit mit einem nach außen gekehrten Gefühl der Überwertigkeit aus, bis hin zum Größenwahn.

Für das Verständnis ist es wichtig, sich klarzumachen, dass der Narzisst sich oft überhaupt nicht bewusst ist, dass er sich eigentlich wertlos fühlt. Er lebt und fühlt stattdessen seine Großartigkeit, soweit es ihm möglich ist.

Da jeder Widerspruch oder jede Abweichung von seinen eigenen Bedürfnissen ihm eine massive Kränkung bereitet, die er kaum ertragen kann, muss der narzisstische Mensch seine Mitmenschen und deren Reaktionen so weit wie möglich kontrollieren. Kritik bzw. Kränkungen führen dann typischerweise zu zwei Reaktionsmustern: dem depressiven Rückzug und der narzisstischen Wut.

Geldtransaktionen als existenzielle Form der Kommunikation

Gemäß der Geldtheorie der Österreichischen Schule der Nationalökonomie kann Geld als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertspeicher dienen. Die letztere Funktion ist jedoch umstritten. Allen diesen Funktionen liegt eine platonische Idee zugrunde: die abstrakte Idee des Wertes.

Den Austausch von Geldeinheiten können wir dabei symbolisch als eine existenzielle Form der Kommunikation verstehen. In der Kommunikationstheorie benötigt der Austausch von Informationen einen Sender und einen Empfänger. Genauso benötigt die Geldtransaktion einen Sender und einen Empfänger.

Diese Form der Kommunikation mittels Geldtransaktionen ist so grundlegend für jede Gesellschaft, dass jeder täglich daran teilnimmt, und zwar jedes Mal, wenn er etwas kauft. Jeder von uns kommuniziert auf diese Weise, seit er das erste Mal selbst ein Eis gekauft oder von den Eltern zum Einkaufen geschickt wurde. Selbst einsame Menschen nutzen diese Art der Kommunikation, um nicht zu verhungern – sie kaufen Dinge und tauschen Geld dafür ein.

Hierbei wird aber noch etwas getauscht, nämlich der Wert. Symbolisch können wir das Kaufen und Verkaufen als eine Form der Kommunikation betrachten, in der Wert gegen Wert getauscht wird.

Parallelen des Fiat-Geldes zum pathologischen Narzissmus

Fiat-Geld wird von Zentralbanken geschaffen und entsteht durch Kreditvergabe quasi aus dem Nichts. Der Name Fiat-Geld erinnert an das ‚Fiat-Lux‘ Gottes in der Bibel (lateinisch fiat von fieri: entstehen und lux: Licht). Diese Parallele enthält bereits einen Charakter der Überhöhung. Das Fiat-Geld scheint unendlich verfügbar zu sein, was in einer Welt knapper Güter eigentlich irrational ist. Es ist aber ein Hinweis auf die Grandiosität dieses Geldes, wenn wir an Wert und Gegenwert denken.

Fiat-Geld hat keinen intrinsischen Wert und basiert ausschließlich auf Vertrauen und damit auf dem Wert, den die Menschen ihm zuschreiben. Es ist wichtig, dass das Vertrauen in Fiat-Geld aufrechterhalten wird, da es sonst seinen Wert verlieren würde. Symbolisch betrachtet hat dieses Geld, ähnlich dem Narzissmus, einen ‚Unwert im Inneren‘.

Wenn wir nun Transaktionen mit diesem Fiat-Geld durchführen, tauschen wir Unwert gegen Wert. Dies ist ein ungleicher Tausch, der uns beeinflusst, obwohl wir das meistens nicht wahrnehmen.

Der Tausch von innerem Unwert gegen äußeren Wert ist eine frappierende Parallele zum pathologischen Narzissmus. Oft wird dabei die Überwertigkeit nach außen gekehrt, während der Unwert unbewusst im Inneren bleibt.

Aus diesen Parallelen lassen sich folgende Annahmen aufstellen, denen wir nachgehen und erste Anhaltspunkte dafür in unserer Gesellschaft suchen wollen.

Gestörtes Werte-Gleichgewicht

Geldtransaktionen sind symbolisch eine grundlegende Form der Kommunikation in der Gesellschaft.

Interaktionstheorien besagen, dass beide Seiten durch die Interaktionen und deren Qualitäten geprägt werden. Kommunikationsprozesse prägen uns deshalb als Menschen und mittelbar unser gesellschaftliches Umfeld.

Die Kommunikationsprozesse, welche durch unsere täglichen Geldtransaktionen entstehen, prägen uns unbewusst vielleicht tiefgreifender, als wir glauben mögen.

Der Tausch von Wert gegen Wert schafft ein gelungenes Werte-Gleichgewicht und eine echte Gegenseitigkeit. Wenn jedoch durch das Fiat-Geld ein Unwert gegen Wert getauscht wird, entsteht ein Zustand des pathologischen Narzissmus und eine misslingende Gegenseitigkeit in den gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen, soweit sie die Prägung durch Geldtransaktionen betreffen.

Der andauernde Fortgang dieser Fiat-Geldtransaktionen von Unwert gegen Wert prägt unsere Gesellschaft zumindest teilweise narzisstisch. Die Menschen in dieser Gesellschaft neigen dann wahrscheinlich ebenfalls zu narzisstischen Entwicklungen: Grandiosität im Äußeren und im Inneren verdrängte Gefühle, wertlos zu sein.

Hinweise für narzisstische Entwicklungen in den westlichen Gesellschaften

Lassen sich nun Hinweise für diese Annahmen finden? In Bezug auf die Entwicklung unserer Diskurse in westlichen Gesellschaften lässt sich zumindest eine Verschiebung in Richtung des pathologischen Narzissmus feststellen.

Die Diskussionen zu wichtigen Gesellschaftsthemen weisen zunehmend einen ausschließlichen Selbstbezug auf. Kontroverse Themen können häufig nicht mehr offen diskutiert oder gar debattiert werden. Besonders bei bestimmten Reizthemen lassen sich die Teilnehmer nicht mehr an einen Tisch bringen.

Gleichzeitig wird aber von allen die zunehmende Bildung von Filterblasen beklagt. Dieser Beobachtung lässt sich in jedem Fall zustimmen, und sie hat einen narzisstischen Charakter. Die andere Meinung wird nicht mehr als falsch bewertet. Es wird nicht mehr versucht, sie sachlich mit Argumenten zu widerlegen.

Allerdings wird die andere Meinung zunehmend als böse empfunden. Deshalb werden nicht mehr die Positionen angegriffen und infrage gestellt, sondern die Personen, die sie äußern, als böse empfunden. Man versucht dann, sie zu bekämpfen und daran zu hindern, ihre Meinung zu äußern. Es scheint, dass Diffamierung seit einiger Zeit als legitimes Mittel des Diskurses gilt.

Ethische Werte verschieben sich zunehmend in Richtung identitärer Diskurse und Bestrebungen. Im Kern geht es dabei immer darum, dass einzelne Menschen oder Gruppen nicht ausreichend anerkannt werden. Die Selbstdarstellung in den sozialen Medien wird immer wichtiger. Besonders die Grandiosität wird oft betont, erkennbar an Selfie-Kultur und dem sich rasant entwickelnden Influencertum. Eine Parallele zu narzisstischen Tendenzen ist hier mehr als deutlich.

Das allzeit verfügbare Kreditgeld hat zu einer Präferenz der schnellen narzisstischen Befriedigung geführt. Wie vor der Subprime-Krise in den USA kauft man lieber sofort auf Pump, statt sich die Dinge des Begehrens langsam zu erarbeiten und genau zu prüfen, ob man seine Schulden auch abtragen kann.

Auch das zeigt einen gewissen Größenwahn, seine finanziellen Möglichkeiten konsequent zu überschätzen. Die Krise der Entwertung wird aufgrund fortschreitender wirtschaftlicher Probleme auch aus psychologischer Perspektive immer deutlicher.

Narzisstische Entwicklungen in ökonomischen und politischen Feldern

Im Bereich der Ökonomie lässt sich durchaus die Frage aufwerfen, ob der Siegeszug der Modern Monetary Theory nicht auch eine Konsequenz um sich greifender narzisstischer Grandiosität ist: Sie vermittelt den Akteuren den Eindruck, dass Zentralbanken und die angeschlossenen Staaten unendlich viel Geld drucken können. Die damit verbundene Wissensanmaßung, dass eine unendliche Geldproduktion keine negativen Konsequenzen haben soll, erscheint ebenfalls als narzisstisch.

In politischen Diskursen entstehen oft Spannungsfelder aufgrund der Nichtanerkennung vorhandener Grenzen. Meistens geht es dabei um die Finanzierbarkeit von zentralistischen Staatsprojekten. Aber auch in anderen Bereichen gibt es eine Entgrenzung, die als narzisstische Grandiosität verstanden werden kann.

Zentralisierung und zunehmende Überwachung und Kontrolle lassen sich ebenfalls narzisstisch deuten: Im pathologischen Narzissmus kann die Differenz zwischen dem eigenen Ich und anderen Positionen nicht ertragen werden. Deshalb müssen die Äußerungen und Handlungen der Mitmenschen unbedingt kontrolliert werden.

Prominente Projekte des gesellschaftlichen Umbaus und des Social Engineerings sind beispielsweise Zero-Carbon-Projekte, 15-Minuten-Städte und andere zentralistische Großvorhaben. Diese Projekte lassen sich als narzisstisch begreifen.

Wo aber findet sich die mit dem Narzissmus verbundene erhebliche Kränkbarkeit? Wir können sie in den zunehmend beleidigten Reaktionen vieler Politiker beobachten: Kritik an ihnen in den sozialen Medien führt immer häufiger zu Anzeigen gegen die Kritiker. Dies erinnert an die „Majestätsbeleidigung“ früherer Tage.

Die fortschreitende Unfähigkeit aller Seiten und Gruppierungen in der Gesellschaft, kontroverse politische Diskurse auf faire Art und Weise und ohne Diffamierung zu führen, ist ein Hinweis auf narzisstische Kränkung. Die andere Meinung kränkt das fragile narzisstische Selbstwertgefühl und daher muss die sie äußernde Person „vernichtet“ werden. Jeannette Fischer, eine Schweizer Psychoanalytikerin, bezeichnet das als „Auslöschung der Differenz“.

Ein gesellschaftlicher narzisstischer Kreislauf

Die Beobachtungen werfen die Frage auf, ob wir uns in einem gesellschaftlichen Teufelskreis des Narzissmus befinden. Es ist auch wahrscheinlich, dass dieser Teufelskreis nicht der Einzige ist, welcher Einfluss auf unsere Gesellschaft ausübt. Schwierig zu beantworten ist auch, ob eine narzisstische Dekompensation der Gesellschaft bevorsteht. Im Folgenden werden einige Gedanken dazu dargelegt.

Die unbewusste Prägung durch das narzisstische Geld führt zu einer fortschreitenden narzisstischen Prägung der Menschen, die damit täglich in Berührung kommen. Dadurch bildet sich allmählich eine zunehmend narzisstisch geprägte Gesellschaft. Von den vermehrt narzisstisch geprägten Menschen in der Gesellschaft gehen mehr und mehr narzisstische Menschen in die Politik.

Sie halten dann mit allen Mitteln am Fiat-Geld fest, da es am besten ihrer narzisstischen Grandiosität entspricht. Die Prägung durch das narzisstische Fiat-Geld setzt sich so weiter in der Gesellschaft fort. Der Teufelskreis ist geschlossen.

Zuversicht auf eine gesellschaftlich psychische Stabilität

Abschließend bleibt die Frage nach der narzisstischen Dekompensation zu stellen. Kann es auch gesellschaftlich dazu kommen? Wir können das natürlich noch nicht wissen. Wenn wir jedoch die Parallelen zum pathologischen Narzissmus weiterziehen, lassen sich zwei Ausgänge der Dekompensation annehmen. Die Grandiosität führt in jedem Fall aufgrund von mangelndem Realismus und Kompromissfähigkeit zu einer immer extremeren Fehlanpassung an die Umwelt.

Das erste Szenario wäre die depressive Dekompensation. Sie äußert sich in zunehmendem Rückzug, Leistungsunwillen und -unfähigkeit sowie negativen Zukunftsperspektiven und -ängsten. Wir können dies bereits bei wachsenden Anteilen der jungen Generationen beobachten, die an der Schwelle zum Erwachsenenalter stehen. Studien zur Gen-Z liefern Anhaltspunkte dazu.

Das zweite Szenario wäre die Entladung der narzisstischen Wut bei Dekompensation in Ausbrüchen gesellschaftlicher Gewalt. Hier lassen sich Tendenzen erkennen, die an der zunehmenden Spaltung gesellschaftlicher Partikulargruppen sowie der erschwerten sachlichen Diskussion miteinander liegen. Glücklicherweise ist die Entwicklung bislang jedoch positiver und friedlicher verlaufen als befürchtet.

Zum Schluss noch ein Wort: Man sollte die Hoffnung keinesfalls aufgeben, dass wir rechtzeitig zu einem gedeckten Geld mit intrinsischem Wert zurückkehren können. Dies wäre auch gut für unsere kollektive psychische Stabilität.

Über den Autor:

Johannes Heim ist Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut sowie Dozent und Supervisor für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und Co-Gründer des Hermes Instituts für private Bildung.

Dieser Text wird in Benjamin Mudlacks Nachfolgewerk zu seinem Buch „Geldzeitenwende“ erscheinen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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