EU-Haushalt: Ungarn droht mit Veto gegen Finanzpaket

Wenn es ums ganz große Geld geht, braucht es in der EU einstimmige Entscheidungen. Das könnte nun wieder einmal zu einem Problem mit schwerwiegenden Konsequenzen werden - mitten in der Corona-Krise.
Titelbild
Ungarns Parlamentsgebäude.Foto: MARTIN BUREAU/AFP via Getty Images
Epoch Times12. November 2020

In der EU eskaliert der Streit über ein Instrument zur Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur teilte Ungarn am Mittwochabend (11. November) bei einer Sitzung der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten mit, dem gerade erst mit dem Europaparlament abgestimmten Finanzpaket für die kommenden sieben Jahre nicht zustimmen zu können. Grund sei, dass die zusätzlich geplante Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushalts gegen Absprachen der Staats- und Regierungschefs aus dem Monat Juli verstoße.

Sollte Ungarn den Ankündigungen Taten folgen lassen, könnten auch die geplanten europäischen Corona-Hilfen im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro nicht wie vorgesehen auf den Weg gebracht werden. Dies wiederum könnte für Länder wie Italien schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben.

Die von Ungarn kritisierte Konditionalitätsregelung soll es ermöglichen, im großen Stil EU-Gelder zu kürzen, wenn in einem Mitgliedsland der Rechtsstaat gefährdet ist und dadurch der Missbrauch von EU-Mitteln droht oder bereits stattfindet.

Vor allem den Regierungen in Ungarn und Polen wurde zuletzt immer wieder vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz auszubauen. Alle Versuche, sie mit politischen Mitteln zu einem Kurswechsel zu bewegen, blieben bislang aber erfolglos. Die Kritik wird aus Warschau und Budapest zurückgewiesen.

Ob auch Polen wegen des geplanten Instruments seine Zustimmung zum Finanzpaket verweigern will, war zunächst unklar. Nach dpa-Informationen ließ der ständige Vertreter des Landes am Mittwochabend nur wissen, dass noch eine Prüfung laufe.

Weil für die Kernelemente des Finanzpakets einstimmige Beschlüsse notwendig sind, würde aber ohnehin schon ein Veto Ungarns ausreichen, um die Umsetzung zu stoppen. Um die Konditionalitätsregelung zu beschließen, braucht es hingegen nur eine qualifizierte Mehrheit. Diese ist bereits erreicht, wenn 15 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.

Wie der Konflikt mit Ungarn gelöst werden könnte, ist derzeit völlig unklar. Denkbar ist, dass die Staats- und Regierungschefs sich bei einem Gipfel mit dem Thema beschäftigen müssen. Dass der Konditionalitätsmechanismus doch noch aufgegeben wird, gilt als nahezu ausgeschlossen. In diesem Fall dürften nämlich EU-Länder wie die Niederlande oder das Europaparlament das Finanzpaket aus Protest blockieren.

Michael Roth rät Ungarn und Polen von Veto gegen EU-Haushalt ab

Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), rät Ungarn und Polen ab, die mehrjährige Finanzplanung der EU durch ihr Veto zu blockieren. „Schließlich ist es unser aller Interesse und unsere gemeinsame Verantwortung, dass jetzt die dringend benötigten Wiederaufbau-Mittel rasch fließen und die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abmildern. Wer hier blockiert, schneidet sich doch ins eigene Fleisch“, sagte Roth der „Welt“ (Donnerstagausgabe).

„Ein zentrales Ziel der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist es, die Rechtsstaatlichkeit in der EU besser zu schützen und zu stärken. Mit dem neuen Mechanismus können wir Gelder dann kürzen, wenn Mitgliedsstaaten die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verletzen“, sagte Roth der „Welt“.

Dies könne für die betroffenen Regierung „finanziell durchaus schmerzhaft“ werden, so der Staatsminister: „Wenn die Kommission von ihren Möglichkeiten Gebrauch macht, dann wird dieses neue Instrument ein scharfes Schwert sein.“ Ohne den Rechtsstaatsmechanismus wäre die Zustimmung des Europäischen Parlamentes zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU und zum Corona-Wiederaufbaufonds in Höhe von insgesamt 1,8 Billionen Euro nicht möglich gewesen, so Roth.

Die Veto-Ankündigungen einzelner Staaten seien daher nicht zielführend. „Drohungen helfen uns jetzt überhaupt nicht weiter. Und wer unsere europäischen Spielregeln und Prinzipien beherzigt, hat ja ohnehin nichts zu befürchten“, sagte der SPD-Politiker der „Welt“.

Der EU sei mit der Einigung auf einen neuen Mehrjährigen Haushalt und das Wiederaufbaupaket ein „echter Durchbruch“ gelungen. „Die EU setzt damit ein klares Zeichen der Handlungsfähigkeit und Solidarität.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass jetzt irgendjemand ernsthaft ein Interesse daran haben könnte, diesen „Zug“ mit einer „Vollbremsung“ noch aufzuhalten. „Das wäre brandgefährlich“, sagte Roth. (dts/dpa/sza)



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