„Bürgergeld in dieser Höhe ist unsozial“: Palmer entsetzt über seinen errechneten Anspruch

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer machte die Probe aufs Exempel und ließ sich seinen Anspruch auf Bürgergeld ausrechnen. Das Ergebnis festigte seine Ansicht über die Sozialleistung.
Boris Palmer (parteilos) trat kürzlich bei den Grünen aus.
Boris Palmer (derzeit parteilos) kritisiert das Bürgergeld.Foto: Silas Stein/dpa
Von 17. Dezember 2023

Boris Palmer ist Oberbürgermeister von Tübingen und verdient entsprechend gut. Dennoch hat er vor Kurzem testweise im Internet beim Bürgergeld-Rechner von Caritas seinen möglichen Anspruch auf Bürgergeld ausgerechnet, falls er und seine ebenfalls berufstätige Frau sich entschließen würden, ihre Arbeit niederzulegen.

Was er als Ergebnis sah, teilte er in den sozialen Medien – ebenso seine Kritik zur geplanten Erhöhung des Bürgergeldes ab 2024, wie „Focus“ berichtet.

Palmer: „Bürgergeld in dieser Höhe unsozial“

Auf Facebook schrieb Palmer: „Wenn meine Frau und ich einfach in die Arbeitslosigkeit gehen würden, kämen wir auf 3.868 Euro im Monat. Da wird man nicht reich. Aber wenn ich Alleinverdiener wäre, müsste ich schon um die 4.500 brutto heim bringen, um dasselbe zu erreichen.“

Er fügte hinzu, dass er derzeit deutlich mehr verdiene, da er die höchste Besoldungsstufe von 2.000 Beschäftigten bei der Stadt habe. Da das Bürgergeld begrenzt ist, liegt sein endgültiger Anspruch bei 3.368 Euro.

Bürgergeld

Screenshot des Bildes, das Boris Palmer auf Facebook zu seinem Bürgergeldanspruch veröffentlichte. Foto: ET-Screenshot Facebook

Ebenso ist der ehemalige Grünen-Politiker und Kandidat für die Freien Wähler Vereinigung (FWV) der Ansicht, dass die Haushaltsentscheidungen der Ampelregierung entgegen ihrer eigenen Darstellung unsozial seien.

Palmer schreibt: „Wenn es sich kaum noch lohnt, Jobs im unteren bis mittleren Teil des Lohnsegements [sic] anzunehmen, dann ist ein Bürgergeld in dieser Höhe unsozial denen gegenüber, die mit eigener Arbeit ihr Leben finanzieren und kaum einen Vorteil denen gegenüber haben, die sich voll von der Gemeinschaft finanzieren lassen.“

Laut Palmer gebe es derzeit „fast vier Millionen erwerbsfähige Menschen in Deutschland“, die sich „von der Gemeinschaft finanzieren lassen“, berichtet die „Bild“. Palmer wies gleichzeitig darauf hin, dass momentan „nahezu alle Betriebe im Niedriglohnbereich händeringend nach Beschäftigten suchen“.

Ab 2024 soll das Bürgergeld deutlich auf bis zu 563 Euro monatlich für einen alleinstehenden Erwachsenen steigen. Das ist eine Anhebung um mehr als zwölf Prozent laut der „Wirtschaftswoche“. Miete, Energiekosten und Rundfunkbeitrag werden dabei ebenfalls vom Staat übernommen, sofern sie in einem für den Haushalt üblichen Rahmen bleiben. Binnen zwei Jahren steige damit die Auszahlungssumme beim Bürgergeld um 24 Prozent.

Lohnt sich Arbeiten noch?

Ob sich Arbeiten angesichts des Bürgergeldes überhaupt noch lohnt, ist eine viel umstrittene Frage.

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat laut der „Tagesschau“ ausgerechnet, dass es sich weiterhin lohne, arbeiten zu gehen. Demnach seien die Haushaltseinkommen von Erwerbstätigen mit Mindestlohn auch nach der anstehenden Bürgergelderhöhung deutlich höher als das Bürgergeld.

Dem widerspricht Palmer entschieden: „Das Gegenargument, Arbeit lohne sich immer, ist nicht richtig. Ein Gutachten für die Bundesregierung hat gezeigt, dass es Konstellationen gibt, wo man besser da steht, wenn man kündigt.“

Darüber hinaus würden Rechnungen häufig „300 Euro mehr am Monatsende in der Tasche durch Vollerwerbstätigkeit“ versprechen. Palmer gibt zu bedenken:

Ja, genau, und das soll sich lohnen? 170 Stunden arbeiten für 300 Euro mehr, das ist ein Nettolohn von zwei Euro die Stunde. Dafür muss ich den Arbeitsweg finanzieren.“

Das WSI kam in seiner Rechnung bei Alleinstehenden, die in Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten, auf durchschnittlich 532 Euro mehr. Familien mit drei Kindern und einem Mindestlohneinkommen hätten zwischen 429 und 771 Euro mehr am Monatsende – abhängig vom Alter der Kinder.

Mehrheit: Leistung lohnt sich in Deutschland nicht

Palmer kritisierte zudem direkt die Entscheidungen der Bundesregierung. „Die ganzen Haushaltsbeschlüsse der Ampel kranken daran, dass sie unserer Volkswirtschaft Leistungskraft entziehen, statt diese zu stimulieren“, so der Oberbürgermeister.

Auch die fünf Milliarden Mehrkosten für zwölf Prozent mehr Bürgergeld bei nur noch drei Prozent Inflation stufte der 51-Jährige als unsozial ein. Diese „werden durch verkappte Steuererhöhungen für Leistungsträger finanziert“.

Kritik am Bürgergeld äußerte auch die Union. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat das Bürgergeld in seiner jetzigen Form als ungerecht bezeichnet, wie der SWR berichtet.

Wie Palmer befürchtet auch er, dass Fälle eintreten könnten, in denen Arbeitnehmer am Ende des Monats weniger Geld hätten als Bürgergeldempfänger. Darauf würden zudem Studien hinweisen. Auch CDU-Chef Friedrich Merz bezeichnete die geplante Erhöhung um zwölf Prozent als „einfach zu viel“, wie der „Merkur“ berichtet.

Die FDP stellt derweil die Berechnungsgrundlage für das Bürgergeld infrage. FDP-Fraktionschef Christian Dürr bezeichnete die Berechnung kürzlich als „längst überholt“. Diese stamme noch aus Zeiten von Hartz IV. Daher sollte dringend geprüft werden, ob das Bürgergeld womöglich Gehälter bei geringen Lohnsätzen übersteigt. Damit sind sich Union und FDP einig in ihrer Kritik, dass das Bürgergeld Arbeitsanreize mindern könne.

Auch eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsportals Civey ergab, dass eine Mehrheit von 65,9 Prozent der Ansicht ist, dass sich Leistung in Deutschland „eher nicht“ oder „auf keinen Fall“ mehr lohnt. Auf der anderen Seite antworteten 25,2 Prozent mit „Eher ja“ oder „Ja, auf jeden Fall“ auf die Frage „Haben Sie das Gefühl, dass sich Leistung in Deutschland lohnt?“.

Bürgergeld

Eine Umfrage von Civey zeigt: Die Mehrheit der Menschen ist der Ansicht, dass sich Leistungserbringung hierzulande nicht oder kaum mehr lohnt. Foto: Maurice Forgeng/Epoch Times, Daten: Civey

An der Umfrage nahmen bis zum 17. Dezember 5.019 Menschen teil.



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