Bund reformiert Einbürgerung: Kontroverse Debatte in sozialen Medien

Die Zustimmung des Bundestages zur Reform des Staatsbürgerschaftsrechts macht die Einbürgerung für nichtdeutsche Staatsangehörige in einigen Bereichen einfacher. Zugleich gibt es auch Verschärfungen – so etwa bezüglich des Bezugs von Sozialleistungen.
Eine Einbürgerungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland.
Eine Einbürgerungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland.Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa
Von 20. Januar 2024

Am Freitag, 19. Januar, hat der Bundestag die von der Ampelregierung angestrebte Reform des Staatsbürgerschaftsrechts beschlossen. Der Bund verspricht sich davon eine höhere Attraktivität Deutschlands für ausländische Fachkräfte und eine stärkere Bindung bereits länger hier lebender Nichtdeutscher an das Gemeinwesen. Bezüglich der Doppelstaatsbürgerschaft gilt bei der Einbürgerung künftig gegenüber Drittstaatsangehörigen der gleiche Standard wie bei EU-Bürgern.

Welche Neuerungen gibt es bei der Einbürgerung?

Die Wartezeit, bis ein Antrag auf Einbürgerung in Deutschland gestellt werden kann, verringert sich künftig von acht auf fünf Jahre. Im Fall sogenannter besonderer Integrationsleistungen ist bereits eine Einbürgerung nach drei statt nach bislang sechs Jahren möglich.

Kinder ausländischer Eltern erlangen künftig automatisch und ohne spätere Optionspflicht die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn zumindest ein Elternteil seit wenigstens fünf Jahren legal in Deutschland gelebt hat.

Außerdem wird die Mehrstaatigkeit künftig auch bei Angehörigen von Drittstaaten anerkannt. Bislang wurde bei EU-Bürgern keine Aufgabe der anderen Staatsangehörigkeit im Gegenzug zur Einbürgerung verlangt. Bei Angehörigen von Drittstaaten stand es vielfach im Ermessen der Behörde, den Nachweis einer Niederlegung der bisherigen Staatsangehörigkeit zu verlangen oder zu überprüfen.

Dies bedeutete nicht nur für in Deutschland lebende Staatsangehörige etwa der Türkei Probleme, die einen großen Anteil der im Land lebenden Einwanderer stellen. Auch Bewerber aus Ländern, die ihre Bürger grundsätzlich nicht aus der Staatsangehörigkeit entlassen, waren dadurch benachteiligt.

Lamya Kaddor: Deutschland „endlich attraktives Einwanderungsland“

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, sagte, die Bundesregierung erkenne mit der Neuregelung „endlich die Lebensrealität von Millionen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte an“. Zugehörigkeit und Heimat – das gehe „auch im Plural“, erklärte die SPD-Politikerin.

Die Grünen-Abgeordnete Lamya Kaddor sieht Deutschland aufgrund des reformierten Staatsbürgerschaftsrechts als „endlich attraktives Einwanderungsland“.

Aus der Wirtschaft war bereits im Vorfeld der Abstimmung Zustimmung zu den neuen Regeln gekommen. Der langjährige Geschäftsführer des Bundesverbandes mittelständischer Wirtschaft, Markus Jerger, erklärte im November 2022, der Abbau bürokratischer Hürden bei der Einbürgerung von Softwareingenieuren und Pflegekräften könne sich „langfristig als wichtiger Standortvorteil für Deutschland erweisen“.

Nach wie vor viele Auswanderer – und zahlreiche Fachkräfte bevorzugen andere Länder

In sozialen Medien entbrannte demgegenüber eine Debatte rund um das neue Staatsangehörigkeitsrecht. Diese bezog sich auf mehrere Teilaspekte. Während einige Nutzer es grundsätzlich in Zweifel zogen, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, verwiesen andere auf den Anteil der Einwohner mit sogenanntem Migrationshintergrund. Dieser liegt mittlerweile bei deutlich über 20 Prozent – wobei Personen mit und ohne deutschen Pass unter diesem Begriff erfasst sind.

Andere wiesen darauf hin, dass Deutschland zwar ein Einwanderungsland sei, aber nicht attraktiv – zumindest nicht für jene Einwanderer, die es benötige. Verwiesen wurde in diesem Kontext auf eine unzureichende Steuerung der Einwanderung, auf Faktoren wie hohe Inflation und Lebenshaltungskosten – aber auch auf eine hohe Zahl an Auswanderern.

Vonseiten der Union und der AfD hieß es, die Staatsangehörigkeit werde durch das reformierte Gesetz „verramscht“. Einige nach eigenen Angaben konservative Stimmen bemängeln, dass die Einbürgerung nicht von der Akzeptanz von Homosexualität und dem Verzicht auf religiös begründete Umgangsformen zwischen den Geschlechtern abhängig gemacht wird.

Deutscher Pass bietet für Bürger vieler Länder mehr Sicherheit und Reisefreiheit

Die rechte Kritik an der Reform der Einbürgerung überschätzt möglicherweise die Attraktivität des deutschen Passes für Nichtstaatsangehörige. Die deutsche Staatsangehörigkeit bietet zweifellos vor allem für Einwanderer aus Ländern mit instabilen Verhältnissen erhebliche Vorteile. Sie erhalten einen noch stärkeren Schutz vor Abschiebung als ihn bislang Duldungsbescheide bieten.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil dürfte sein, dass ein deutscher Pass eine visafreie Einreise in 151 Länder der Welt ermöglicht. Demgegenüber stellen die Pässe vieler Hauptherkunftsländer von Migranten in Deutschland schwache Reisedokumente dar, die eine visafreie Einreise nur in wenige Länder ermöglichen. Ein afghanischer Pass ermöglicht eine solche in 27 Länder, ein irakischer in 29 und ein syrischer in 30 Länder der Erde.

Der Anstieg bei den Einbürgerungsanträgen in den vergangenen Jahren dürfte vor allem mit diesem Umstand zu erklären sein. In der Zeit von 1998 bis 2008 war die Zahl der Einbürgerungen von 283.604 auf 94.470 gesunken. In den 2010er-Jahren lag sie im niedrigen 100.000er-Bereich, erst zwischen 2020 und 2022 wuchs sie wieder deutlich an – von 109.880 auf 168.545.

Aufenthaltsverfestigung vermindert die Vorteile einer Einbürgerung

Demgegenüber bietet der deutsche Pass kaum Vorteile für Bürger mit Reisedokumenten, die in ähnlich weitreichender Weise Reisefreiheit gewährleisten. Für dauerhaft in Deutschland lebende EU-Bürger gibt es sogar Fälle, in denen der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit mit Nachteilen verbunden wäre. So müssen beispielsweise Ehepartner nicht-deutscher EU-Bürger für ihren Nachzug keine Sprachkenntnisse nachweisen und dürfen bei einer Einreise ohne Visum nicht zurückgewiesen werden.

Der türkische Pass bietet visafreie Einreise in 63 Länder der Welt – und die Visafreiheit für die EU gilt als eine der Bedingungen für die Aufrechterhaltung des bilateralen Migrationspaktes von 2016. Viele türkische Staatsangehörige, vor allem Einwanderer der ersten und zweiten Gastarbeitergeneration, erfüllen zudem längst die Bedingungen zur Aufenthaltsverfestigung. Diese bieten ebenfalls einen Schutz vor willkürlicher Abschiebung.

Neuregelung enthält auch Verschärfungen und Vorsichtsmaßnahmen

Einige Kritiker der Ampelreform weisen auch darauf hin, dass der erleichterte Erwerb eines deutschen Passes nicht automatisch auch die Attraktivität Deutschlands als Einwanderungsland steigere. Vor allem unter jenen Fachkräften, die man in Berlin gerne für sich gewinnen möchte, sind andere potenzielle Zielländer wie die USA oder Großbritannien häufig beliebter.

Was die Neuregelung der Einbürgerung anbelangt, beinhaltet sie jedoch Verschärfungen dort, wo es um einen dauerhaften Bezug von Sozialhilfe geht. Voraussetzung für eine Einbürgerung ist demnach die Bestreitung des Lebensunterhalts aus eigenen Mitteln. Ausnahmen sind künftig nur noch in Härtefällen möglich.

Außerdem wird Bewerbern um die deutsche Staatsbürgerschaft ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zum Existenzrechts Israels abverlangt. Zwar ist es zum Zeitpunkt der Einbürgerung nicht immer nachweisbar, ob der Antragsteller ein solches Bekenntnis wirklich aufrichtig meint, allerdings hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2006 geurteilt, dass im Fall eines nachweislichen Betruges bei der Erlangung der Staatsangehörigkeit diese auch nachträglich wieder entzogen werden kann.



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