EU-Wahl: Karlsruhe gibt grünes Licht für Sperrklausel zwischen zwei und fünf Prozent

Die EU-Wahl 2024 wird die letzte in Deutschland ohne Sperrklausel sein. In fünf Jahren wird diese zwischen zwei und fünf Prozent angesiedelt sein. Das Bundesverfassungsgericht hat eine dagegen gerichtete Beschwerde von PARTEI-MdEP Martin Sonneborn verworfen.
Mitglied des Europäischen Parlamentes und Bundesvorsitzende der Partei «Die PARTEI»: Martin Sonneborn.
Mitglied des Europäischen Parlamentes und Bundesvorsitzender der Partei Die PARTEI: Martin Sonneborn.Foto: Gregor Fischer/dpa
Von 3. März 2024

Wird die bevorstehende Wahl der deutschen Abgeordneten zum EU-Parlament die letzte sein, bei der ein Ergebnis unter einem Prozent für den Gewinn eines Mandats ausreicht?

Vieles deutet darauf hin, seit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einer Beschwerde der Satire-Formation „Die PARTEI“ und ihres Vorsitzenden Martin Sonneborn verworfen hat. Am Donnerstag, 29. Februar, veröffentlichte das deutsche Höchstgericht in Karlsruhe seinen Beschluss bezüglich der Zulässigkeit einer Sperrklausel für die EU-Wahl.

BVerfG brachte auf nationaler Ebene zwei Gesetze zur Sperrklausel bei der EU-Wahl zu Fall

Die Entscheidung selbst war bereits am 6. Februar gefallen. Ursprünglich war es das BVerfG selbst, das 2011 die nationale Fünf-Prozent-Hürde bei der EU-Wahl für verfassungswidrig erklärt hatte.

Diese verstoße, so hieß es damals, gegen die Grundsätze der Chancengleichheit und Wahlrechtsgleichheit. Im EU-Parlament komme es – anders als bei den Sperrklauseln für Bundestag oder Landtage – weniger auf stabile Mehrheitsverhältnisse an.

Auch einen Anlauf für eine Drei-Prozent-Hürde im Jahr 2013 kippte das Bundesverfassungsgericht, weshalb die EU-Wahl 2014 ohne Sperrklausel stattfand. Im Rat der EU kam es jedoch auf Initiative der deutschen Bundesregierung 2018 zu einem Grundsatzbeschluss. Dieser sollte die Einführung einer Sperrklausel zwischen zwei und fünf Prozent in allen Mitgliedstaaten ermöglichen.

Die entsprechenden nationalen Zustimmungsgesetze wurden in weiterer Folge verabschiedet. Da es jedoch noch nicht zu einer konkreten Umsetzung kam, wird es auch 2024 noch keine Sperrklausel bei der EU-Wahl geben.

Unterschiedlicher Prüfungsmaßstab bei Rechtsakten der EU

Die PARTEI wollte gegen das Zustimmungsgesetz vorgehen, um weiterhin kleinen Parteien einen einfacheren Weg zum Einzug ins EU-Parlament zu ermöglichen. Sie beantragte die Durchführung eines Organstreitverfahrens und ihr Vorsitzender Sonneborn brachte eine Verfassungsbeschwerde ein.

Die Argumentation lautete im Kern, dass die Gründe für die Beseitigung der Sperrklausel von 2011 und 2013 nicht weggefallen seien. Zudem verletze der EU-Beschluss den Subsidiaritätsgrundsatz und die EU überschreite damit ihre Kompetenzen. Auch das Demokratieprinzip sei beeinträchtigt.

Diesmal blieb das Vorgehen jedoch erfolglos. Das BVerfG wies auf einen unterschiedlichen Prüfungsauftrag bei nationalen Gesetzen und EU-Recht hin. Im letztgenannten Fall sei dieser auf eine Ultra-vires- beziehungsweise Identitätskontrolle beschränkt.

Mit Initiative zur Sperrklausel bei EU-Wahl keine Hoheitsrechte abgegeben

Dies bedeutet im Kern, dass das BVerfG nur in Ausnahmefällen deutsches Verfassungsrecht gegenüber der EU behaupten dürfe. Dies sei dann der Fall, wenn diese ihre Kompetenzen überschreite oder die als unantastbar geltenden Grundsätze des Grundgesetzes verletze.

Beide Kontrollvorbehalte seien dabei „zurückhaltend und europarechtsfreundlich auszuüben“. Eine überzeugende Begründung, warum die von Deutschland selbst initiierte Rahmenregelung von 2018 die Voraussetzung für eine Geltendmachung der Vorbehalte schaffe, vermochte Karlsruhe nicht zu erkennen.

Deutschland habe mit der Regelung keine Hoheitsrechte auf die EU übertragen. Die Vorgabe zur Vereinheitlichung der EU-Wahlgesetze sei durch Art. 223 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) autorisiert.

Das EU-Parlament durch eine Sperrklausel arbeitsfähig zu halten, stehe im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Immerhin wähle dieses die EU-Kommission und sei an der Gesetzgebung und der Aufstellung des Haushaltsplans der Union beteiligt. Es bestehe daher ein relevantes Interesse an handlungsfähigen Mehrheiten. Eine zunehmende Anzahl von Kleinstparteien mit ein oder zwei Abgeordneten erschwere diese.

Anteil der Fraktionslosen derzeit bei 7,2 Prozent

Bei den ersten EU-Wahlen in Deutschland ohne Sperrklausel 2014 zogen 14 Parteien mit mindestens einem Abgeordneten ins EU-Parlament ein. Es war die 8. Wahlperiode des EP. Nur zwei der 96 gewählten deutschen Abgeordneten blieben fraktionslos – neben Sonneborn noch Udo Voigt von der rechtsextremistischen NPD (heute „Die Heimat“). Der frühere AfD-Politiker Markus Pretzell war es nur für einen kurzen Zeitraum, ehe er nach seinem EKR-Austritt in die damalige ENF wechselte.

Im Jahr 2019 zogen wiederum deutsche Abgeordnete von 14 unterschiedlichen Parteien ein. Fraktionslos wurden im Laufe der Legislaturperiode noch Ex-AfD-Chef Jörg Meuthen und der für die Tierschutzpartei gewählte Martin Buschmann.

Insgesamt sank der Anteil der Fraktionslosen im Laufe der 8. Wahlperiode von 52 auf 20 Abgeordnete. In der 9. Wahlperiode sind zurzeit 51 Abgeordnete ohne Fraktion. Damit ist zwar deren Anteil von 1979 bis jetzt von 2,2 auf 7,2 Prozent der Mandatsträger angewachsen. Der größte Teil der Vertreter von rund 200 nationalen Parteien hat sich dennoch in einer der sieben bestehenden Fraktionen gefunden. Diese Praxis bestätigt die Bedenken aus Karlsruhe gerade nicht – am Ausgang des Verfahrens änderte dies jedoch nichts mehr.



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