Hat Deutschland jetzt doch ein Stromproblem?

Bis zu 30 Prozent des Stroms mussten deutsche Netzbetreiber bereits kurzzeitig importieren. Insgesamt wachsen die Defizite in der Energieversorgung des Landes – entgegen der damaligen Aussage aus der Politik, dass wir kein Stromproblem haben.
Stromproblem
Wie sicher ist Deutschlands Energieversorgung?Foto: iStock
Von 9. Juni 2023

Noch vor einem Jahr sagten mehrere Politiker aus der Bundesregierung, darunter auch Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne), dass Deutschland kein Stromproblem habe. Im Juli 2022 verkündete der Vizekanzler:

Wir haben ein Wärmeproblem beziehungsweise ein Industrieproblem, aber kein Stromproblem. Jedenfalls nicht im Durchschnitt des Landes.“

Spätestens jetzt stimmt diese Aussage nicht mehr, wie neueste Daten zeigen. Zwar macht die Stromversorgung derzeit einen stabilen Eindruck. Ein Blick hinter die Kulissen jedoch zeigt, dass Deutschland seit Mitte April kaum mehr ohne größere Stromimporte aus dem Ausland auskommt.

Vom Exporteur zum Importeur

In der Vergangenheit galt Deutschland in puncto Strom stets als Exportland. Laut Daten der Bundesnetzagentur lag im vergangenen Jahr der Netto-Exportwert bei insgesamt 26,28 Terawattstunden (TWh). Die Netzbetreiber konnten in Zeiten des Stromüberschusses 62,05 TWh exportieren. In Zeiten mit erhöhtem Strombedarf importierten die Versorger 35,77 TWh aus den benachbarten Ländern. Der Nettoexport stieg sogar im Vergleich zu 2021 an.

Das dürfte sich in diesem Jahr drastisch ändern. Die jüngsten Daten von Agora Energiewende zeigen deutlich, dass seit etwa Mitte April der Saldo der deutschen Im- und Exporte vom positiven in den negativen Bereich gekippt ist. Der Kipppunkt ist der Zeitraum des endgültigen deutschen Atom-Ausstiegs. Das bedeutet, dass Deutschland nun deutlich mehr Strom importieren muss, als es exportieren kann.

Deutsche Stromimporte und -exporte von März 2023 bis heute. Foto: Bildschirmfoto/Agora Energiewende

Vor dem 14. April lag die durchschnittliche Exportleistung bei rund 4 Gigawatt (GW). Jetzt liegt dieser Wert bei einer durchschnittlichen Importleistung von rund 5 GW. Das entspricht einem Verlust von 9 GW innerhalb weniger Wochen. In negativen Spitzenzeiten müssen die Netzbetreiber teilweise schon über 11 GW aus den Nachbarländern importieren. Allein mit dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke lässt sich diese Differenz nicht vollständig erklären. Diese leisteten zusammen rund 4,3 GW.

Deutsche Stromimporte und -exporte von Mai 2023 bis heute. Foto: Bildschirmfoto/Agora Energiewende

Immer mehr Defizite

Auch beim Vergleich der hierzulande erzeugten Strommenge und des Stromverbrauchs kann man erkennen, wann die Netzbetreiber Lücken in der Stromversorgung ausgleichen müssen, und auch in welcher Menge. Die folgende Grafik zeigt, dass die deutsche Stromerzeugung nur teilweise unseren Bedarf vollständig abdeckt. Die wellenförmige Linie (violett) stellt den Stromverbrauch dar, die bunten Flächen die Stromerzeugung aus den unterschiedlichen Quellen. Der weiße Bereich dazwischen ist das Defizit, das durch Stromimporte ausgeglichen werden musste.

Deutsche Stromerzeugung und Stromverbrauch von Mitte Mai bis heute. Foto: Bildschirmfoto/Agora Energiewende

Vom 24. Mai bis 8. Juni 2023 war Deutschland nahezu durchgehend von Stromimporten abhängig, wie das Analyseportal „Stromdaten“ zeigt. Sowohl am frühen Morgen des 28. Mai als auch am 4. Juni um 5:00 Uhr erreichte das Defizit in der Spitze kurzzeitig 30 Prozent. Das bedeutet, dass 30 Prozent unseres Stromverbrauchs durch Importe abgedeckt werden mussten, weil die fossilen Quellen und „erneuerbaren“ Energien nicht genügend Strom produzierten.

Wird das Stromnetz instabil?

Ein überwiegend mit Wind- und Sonnenstrom betriebenes Stromnetz ist instabil, sagte kürzlich Prof. Lüdecke. Etwa 40 Prozent des Stroms müsste demnach aus fossilen Quellen oder Kernkraftwerken, also Grundlastkraftwerken, kommen, wenn die Versorgung stabil bleiben soll.

Wiederholt führten Betreiber Versuche durch, um auf wind- und sonnenreichen Inseln eine Stromversorgung nur mit Energie aus Wind und Sonne zu etablieren. So etwa auf El Hierro (Spanien), Utsira (Norwegen) und Pellworm (Deutschland) – Epoch Times berichtete. All diese Versuche scheiterten letztlich. Auch die Energieversorgung der extrem sonnen- und windreichen kanarischen Inseln basiert immer noch zu 70 bis 100 Prozent auf Schweröl. Die deutschen Mainstram-Medien berichteten nichts darüber.

Kraftwerksleistung aus anderen Anlagen

Mitte April dieses Jahres äußerte sich die Bundesnetzagentur zur Sicherheit der deutschen Stromversorgung im Rahmen des Atom-Aus: „Es steht genügend gesicherte Kraftwerksleistung aus anderen Anlagen bereit, um die Stromnachfrage auch nach Abschaltung der Atomkraftwerke zu decken“, versicherte ein Sprecher. Auch das Bundeswirtschaftsministerium ging davon aus, dass die Versorgungssicherheit weiter gewährleistet sein werde. Aufgrund der neuesten Daten ist jetzt zu vermuten, dass mit „Kraftwerksleistung aus anderen Anlagen“ wahrscheinlich die Anlagen aus dem Ausland gemeint waren.



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