Kein vorzeitiges Kohle-Aus: Bundesnetzagentur legt Veto gegen Regierungsplan ein

Die Bundesregierung befindet sich in der Krise: Jetzt widerspricht auch noch die eigene Bundesnetzagentur dem Plan, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen. Was befürchtet die Energiebehörde?
Bundesnetzagentur
Das Braunkohlekraftwerk in Neurath. Auch über das Jahr 2030 hinaus werden diese Anlagen laufen, wie die Bundesnetzagentur jetzt entschied.Foto: iStock
Von 22. Dezember 2023

Die derzeitige Bundesregierung hatte bereits angedeutet, den Kohleausstieg „idealerweise auf 2030 vorzuziehen“. Doch daraus wird offenbar nichts. Denn gerade die Bundesnetzagentur verbietet jetzt mehreren Kraftwerksbetreibern, ihre Kohleblöcke vor dem 31. März 2031 stillzulegen.

Die Energiebehörde unter Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) reagierte mit ihrer Entscheidung auf die Anträge mehrerer Stromnetzbetreiber, wie die „Welt“ berichtet. Die Bundesnetzagentur begründet ihr Veto gegen das Vorhaben der Ampelregierung damit, dass Kohlekraftwerke auch noch nach 2030 „systemrelevant“ seien. Daher sei eine Stilllegung dieser Grundlastkraftwerke untersagt.

Eine stille Reserve

Konkret sagte ein Sprecher der Bundesnetzagentur: „Die Anlagen werden für die Netzstabilität benötigt.“ Angepeiltes Ziel sei jedoch, dass sie nur selten laufen sollten. Deswegen werden sie „keine spürbaren Auswirkungen auf unsere CO₂-Bilanz haben.“ Nach Angaben des Sprechers sollten die Kohlekraftwerke lediglich eine Reserve auf Abruf durch die Netzbetreiber sein. „Es ist weiter beabsichtigt, dass nach 2030 kein Kohlekraftwerk mehr am Markt tätig ist.“

Der baden-württembergische Netzbetreiber TransnetBW unterstrich im Gespräch mit der „Welt“ ebenfalls, dass eine langfristige Betriebsgenehmigung unabdingbar ist. Eine Unternehmenssprecherin erklärte dazu: „TransnetBW verlängert gerade auf Basis von Langfristanalysen der vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland einige Reservekraftwerke – zunächst bis März 2031.“ Weiter sagte sie: „Dies ist erforderlich, um die Systemstabilität heute und auch in den kommenden Jahren zu gewährleisten.“

Demnach müssen Kohlekraftwerke womöglich noch länger als nur bis März 2031 betriebsbereit bleiben. Für die Betreiber bedeute dies einen zusätzlichen Personal- und Planungsaufwand.

Bis spätestens 2038 – so die ursprünglichen Pläne der aktuellen Bundesregierung – sollte die Stromversorgung mit Kohle in Deutschland Geschichte sein. Dafür wurde die Leistung der Kraftwerke in den vergangenen Jahren schrittweise heruntergefahren. Wie in Jänschwalde wurde bundesweit die Kohlestromversorgung durch Stein- oder Braunkohle auf jeweils rund 15 Gigawatt reduziert.

Bis 2030 sollen die Steinkohlekraftwerke auf acht Gigawatt und die Braunkohlekraftwerke auf neun Gigawatt Leistung weiter reduziert werden. 2038 sollen dann alle Kohlekraftwerke vom Netz gegangen sein. Der Ampelkoalition wäre es lieber, diesen Ausstieg schon bis 2030 erreichen zu können.

Kann Wasserstoff unsere Kohle- und Atomkraft ersetzen?

Das von Habeck angepeilte Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 rund 40 große, wasserstofffähige Gaskraftwerke errichten zu lassen, wie „Regional Heute“ berichtet. Diese Anlagen sollten die dann stillgelegten Kohle- und Kernkraftwerke ersetzen und die Schwankungen des wetterabhängigen Solar- und Windstroms ausgleichen.

Das Veto könnte nun ein Hinweis darauf sein, dass Netzbetreiber und Bundesnetzagentur jetzt nicht mehr davon ausgehen, dass bis 2030 ausreichend Gaskraftwerke zur Verfügung stehen.

Das Verbot der Kohlestilllegung trifft unter anderem die Blöcke B und C des Steinkohlekraftwerks Scholven bei Gelsenkirchen. Der Betreiber Uniper ist wenig erfreut über das Verbot. Das verstaatlichte Unternehmen hatte vor, seine Stromproduktion bis 2029 komplett ohne Kohlekraft zu gestalten. Betroffen ist auch das Großkraftwerk Mannheim. Dieses darf seinen Block 8 jetzt nicht vorzeitig abschalten.

Misstrauensvotum an die Bundesregierung

Das Veto der Bundesnetzagentur reiht sich in eine Kette von Umständen ein, die die ursprünglichen Pläne der Ampelkoalition zu durchkreuzen scheinen. Erst vor etwa einer Woche kündigte Wirtschaftsminister Habeck selbst an, dass die Kaufprämie für Elektroautos vorzeitig endet. Branchenexperten erwarten jetzt, dass die Nachfrage nach E-Autos weiter sinken wird.

Auch stehen offenbar immer mehr Fachleute und Politiker der vom Bund angestrebten Energiewende kritisch gegenüber. So bezeichnete etwa jüngst Dr. Johannes Baare, stellvertretender Vorsitzender des FDP-Ortsverbandes Mölln in Schleswig-Holstein, Deutschlands Energiewende als „Geisterfahrt“.

Laut dem „Focus“ könnten einige Kritiker eine Salamitaktik beim ambitionierten Ziel, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuverlegen, bemängeln. In dem Bericht ist zudem die Rede von einem „Misstrauensvotum“, das die Bundesnetzagentur Habeck und seinem Energieplan stellt. Dahinter stehe bei der Energiebehörde die Furcht, dass es bis zum Ende des Jahrzehnts in Deutschland nicht mehr genügend Energiesicherheit gibt.

Strommix mit mindestens 40 Prozent Grundlast

Die Furcht ist nicht unbegründet. Denn schon mit dem Atom-Aus im April dieses Jahres war zu beobachten, dass die gesicherte Energieversorgung deutlich zurückging. Deutschland wurde mit der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke vom Stromexporteur zum Stromimporteur.

Hinzu kommt, dass der Strommix einer durchgehend funktionierenden Energieversorgung mindestens 40 Prozent grundlastfähige Kraftwerke besitzen muss. Das können – um den Strombedarf Deutschlands ausreichend zu decken – derzeit nur fossile oder Kernkraftwerke leisten.

Demnach wäre der Plan der Bundesregierung – vor allem der der Grünen –, einen Strommix mit mindestens 80 Prozent erneuerbaren Energien zu haben, ohnehin kaum bis gar nicht realisierbar.

Reaktionen: Die Wirklichkeit umzingelt Habeck

Auf dem Kurzbotschaftendienst X/Twitter reagierten bereits einige Nutzer auf das Veto der Bundesnetzagentur. An vielen Kommentaren ist zu erkennen, dass eine breite Skepsis gegenüber der momentanen deutschen Energiepolitik herrscht. Diese habe sich von der Wirklichkeit entfernt und würde nun von ihr eingeholt.

Ein Nutzer vermutet, dass die Entscheidungsträger der Ampelparteien mit ihrem Kurs ein Zusammenbrechen der Stromversorgung in Kauf genommen hätten.

Derweil scheinen die Rufe nach Neuwahlen immer lauter zu werden. Zuletzt appellierte auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt angesichts des anhaltenden Haushaltsstreits der Ampelkoalition für eine vorgezogene Neuwahl am 9. Juni 2024.

 



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