„Unheilbar Queer?“ – Novellierung fordert Strafe für Eltern bei Konversionsbehandlung

Tim fühlt sich wie Tina, aber seine Eltern wollen das nicht akzeptieren und unterziehen ihren Sohn einer sogenannten Konversionstherapie. Dieses hypothetische Beispiel könnte zukünftig für Eltern gravierende Folgen haben.
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(Symbolbild).Foto: iStock
Von 31. März 2024

Ob schwul, lesbisch oder transsexuell – für Akteure queerer Netzwerke ist die Frage nach dem Geschlecht nicht nur eine persönliche Entscheidung. Es handelt sich vielmehr um ein Thema, das in der Öffentlichkeit breit diskutiert und vor allem gesetzlich neu geregelt werden muss.

Mitte 2020 wurde das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen (KonvBehSchG) beschlossen. Das Gesetz gilt für alle am Menschen durchgeführten Behandlungen, „die auf die Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbst empfundenen geschlechtlichen Identität gerichtet sind“. Man spricht auch von Konversionsbehandlung. Für Personen unter 18 Jahren sowie für Volljährige, die einer solchen unter „Willensmangel“ wie Täuschung oder Zwang zugestimmt haben, ist eine derartige Therapie verboten.

Zuwiderhandlungen können mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet werden. Bislang gilt diese Regelung jedoch gemäß § 5 Absatz 2 des Gesetzes nicht für Fürsorge- oder Erziehungsberechtigte, sprich Eltern, „sofern sie durch die Tat nicht ihre Fürsorge- oder Erziehungspflicht gröblich verletzen“.

Eine Gruppe „von unabhängigen Expert_innen aus unterschiedlichen Fachorganisationen“ fordert nun ein Umdenken. Sie haben in den vergangenen Monaten ein Forderungspapier erarbeitet, das an die Bundesregierung gesandt und am 25. März auf der Website „Umfrage unheilbar queer“ veröffentlicht wurde. Die Website wird von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums gefördert.

In dem Dokument sind 15 Forderungen aufgelistet zu den Bereichen effektiver rechtlicher Schutz vor Konversionsmaßnahmen, umfassende und rechtlich abgesicherte Unterstützung von Betroffenen sowie Bildung, Forschung und Aufklärung zu Konversionsmaßnahmen.

Konversionsmaßnahmen meistens  innerhalb von Familien

Zur Untermauerung ihrer Forderungen nehmen die Akteure Bezug auf die Studie „Konversionsbehandlungen: Kontexte. Praktiken. Biografien“ vom Mosaik Deutschland e. V. unter der Leitung von Dr. Klemens Ketelhut. Demnach würden die meisten Konversionsmaßnahmen von Eltern und anderen Mitgliedern der eigenen Familie durchgeführt.

„Genau hier macht das Gesetz 2020 aber eine Strafausnahme“, kritisiert die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die an dem Forderungspapier mitgewirkt hat und als Erstunterzeichner aufgelistet ist. Sie fordert laut Papier:

„Die in Absatz 2 vorgesehene Ausnahme für Fürsorge- und Erziehungsberechtigte ist ersatzlos zu streichen. Die Fürsorge- und Erziehungspflicht wird bei Durchführung von Konversionsmaßnahmen stets verletzt.“

Außerdem müsse schon das Vermitteln einer entsprechenden Therapie als eigener Straftatbestand aufgenommen werden. „Organisationen, die diese menschenrechtswidrigen Angebote machen oder gar durchführen, muss die Gemeinnützigkeit aberkannt werden können“, so ein weiterer Punkt in den Forderungen.

Durchführungsverbot auch für Erwachsene

Das Durchführungsverbot soll zudem auch bei Volljährigen gelten, ohne dass es auf einen Willensmangel ankommt.

„Die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität einer Person können durch Konversionsmaßnahmen nicht verändert werden; diese Interventionen sind grundsätzlich unethisch und menschenrechtswidrig“, da ist sich das Gremium einig – trotz zahlreicher Berichte, die das Gegenteil beweisen.

Eine weitere Änderung betrifft den Begriff „Behandlung“. Dieser in § 1 Absatz 1 des Gesetzes verwendete Terminus müsse überdacht und gegebenenfalls durch den Oberbegriff „Maßnahme“ ersetzt werden. „Andernfalls droht eine Umgehung des Verbots durch subversive und vermeintlich ‚ergebnisoffene‘ Maßnahmen“, heißt es zur Begründung. Welche konkreten Fälle damit verbunden sind, bleibt offen.

Die Gruppe fordert auch die Einrichtung eines Ausgleichsfonds, um Betroffenen den Zugang zu speziellen Therapien, Heil- und Hilfsmitteln zu gewährleisten.

Queere Bildung gewünscht

Bereits im November 2022 hat die Bundesregierung einen 22-seitigen Aktionsplan „Queer leben!“ herausgegeben. Die Expertengruppe fordert, die darin geregelte „queere Bildung“ zügig umzusetzen und als Querschnittsthema in Ausbildungs-  und Studiengängen zu integrieren. „Dies trägt langfristig zur Ächtung von und damit zum Schutz vor Konversionsmaßnahmen bei“, so die Akteure des Fachbeirats.

In dem Aktionsplan ist aufgeführt: „Es gehört zum Bildungsauftrag der Schule und außerschulischer Einrichtungen, Diskriminierungen entgegenzuwirken und allen Kindern und Jugendlichen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen.“

Dem Bund obliege es im Rahmen seiner Aufgaben, „Maßnahmen zum Abbau struktureller und individueller Diskriminierungen (zum Beispiel aufgrund der sexuellen Orientierung, der geschlechtlichen Identität) zu unterstützen“.

Hierfür setzt die Regierung auf Aufklärung, nicht nur an Schulen und in der Jugendarbeit. Auch andere Personen wie Beteiligte in Asylverfahren – von Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bis zu Juristen, Dolmetschern und anderen –, sie alle müssten für das Thema sensibilisiert werden.



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