Finnland ist nun NATO-Mitglied

Finnland ist am Nachmittag des 4. April offiziell der NATO beigetreten. Das Land teilt mit Russland eine gemeinsame Grenze von 1.340 Kilometern. Damit rückt das westliche Militärbündnis noch näher an den Kreml. Moskau kündigte Gegenmaßnahmen an.
Finnland, das östlichste skandinavische Land, grenzt auf über 1.300 Kilometern an Russland.
Finnland, das östlichste skandinavische Land, grenzt auf über 1.300 Kilometern an Russland.Foto: Screenshot/OpenStreetMap.org
Von 4. April 2023

Knapp elf Monate nach seinem Beitrittsantrag ist Finnland am 4. April in Brüssel offiziell der NATO beigetreten. Das nordatlantische Verteidigungsbündnis wächst damit auf 31 Mitglieder.

Zum Zeichen der Aufnahme wurde am Nachmittag erstmals die finnische Flagge am NATO-Hauptquartier in Brüssel gehisst, nachdem Außenminister Pekka Haavisto die Beitrittsurkunde an den amerikanischen Außenminister Anthony Blinken übergeben hatte. Die Zeremonie fand vor dem Hintergrund des zweitägigen NATO-Außenministertreffens statt.

Finnlands Präsident Sauli Niinistö bezeichnete den Beitritt nach Informationen des „Münchener Merkur“ als den Beginn einer neuen Ära: „Es ist ein großartiger Tag für Finnland.“ Niinistö versprach, dass sein Land „ein zuverlässiger Verbündeter“ sein werde, der „die regionale Stabilität stärkt“.

Gemeinsame Grenzlinie zu Russland mehr als verdoppelt

Die Einkesselung Russlands geht damit weiter: Die Grenze zwischen NATO-Gebiet und russischem Territorium erweitert sich um rund 1.340 Kilometer auf nun etwa 2.550 Kilometer.

Finnland grenzt im Osten an Russland, im Norden an Norwegen und im Westen an Schweden. Die Hauptstadt Helsinki liegt mitten an seiner südlichen Ostseeküste, nur rund 80 Kilometer von der estländischen Hauptstadt Tallinn (Baltikum) entfernt. Mit Ausnahme Schwedens sind diese Länder, wie alle NATO-Staaten, laut „Handelsblatt“ zu gegenseitiger militärischer Hilfe verpflichtet, wenn auch nur ein Territorium angegriffen werden sollte.

Militärisch gut aufgestellt

Mit seiner Größe von 338.145 Quadratkilometern – das sind nur rund 19.000 weniger als Deutschland hat – gilt Finnland trotz seiner geringen Einwohnerzahl von 5,5 Millionen Menschen als militärisch und strategisch besonders interessant.

Nach Angaben des „International Institute for Strategic Studies“ (IISS) gibt die Regierung jedes Jahr zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus. Anders als beispielsweise Deutschland erfülle es damit den Soll-Wert innerhalb des Bündnisses. Und anders als hierzulande gilt laut „Tagesschau“ seit Jahrzehnten eine Wehrpflicht.

Im Dienst der finnischen Armee stehen nach Angaben der „Tagesschau“ mehr als „23.500 aktive Streitkräfte, die im Kriegsfall kurzfristig auf bis zu 280.000 hochgefahren werden können, sowie 900.000 Reservisten“. Das Land besitze zudem moderne Mehrzweck-Kampfflugzeuge vom Typ „Saab 39 Gripen“ , amerikanische „Tarnkappen-Jets des Typs F-35“ und „Hunderte Haubitzen und Raketensysteme[n]“. Nach Informationen des „International Institute for Strategic Studies“ verfügt Finnland außerdem über 100 Kampfpanzer von Typ Leopard 2A6.

Lob von Stoltenberg

Der norwegische NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte den Beitritt schon im Vorfeld als gut für die Sicherheit Finnlands, für die nordische Sicherheit und für die NATO als Ganzes bezeichnet. Das Land besitze gut trainierte und ausgebildete Streitkräfte und habe auch nach dem Ende des Kalten Kriegs seine Einsatzbereitschaft als einer von ganz wenigen Saaten nicht verringert. Auch jetzt wolle Finnland in mehr als 60 hochmoderne Kampfjets vom Typ F-35 investieren, lobte Stoltenberg.

Der Beitritt sei ein klares Zeichen für das Scheitern der Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der sich stets gegen eine weitere NATO-Erweiterung ausgesprochen habe, erklärte Stoltenberg. Mit seinem Angriff auf die Ukraine habe Putin das Gegenteil erreicht. Gleichwohl gebe es für Russland keinerlei Grund, sich durch die Norderweiterung bedroht zu fühlen.

Russland kündigt „Gegenmaßnahmen“ an

Das wertet der Kreml anders. Es handele sich um einen „Angriff auf die Sicherheit und nationale Interessen Russlands“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax nach Angaben der „Tagesschau“. Nun sei Moskau zu „Gegenmaßnahmen“ gezwungen. Details dazu habe er nicht genannt.

Trotz allem unterscheide sich „die Lage mit Finnland […] fundamental von der Lage mit der Ukraine“, denn Finnland sei nie zum „Antirussland“ geworden und es habe bislang keinen Streit gegeben. „Die Lage in der Ukraine ist genau andersherum und potenziell viel gefährlicher“, zitiert die „Tagesschau“ Peskow.

Schon kurz nach Bekanntwerden der Beitrittsabsichten im Mai 2022 hatte das russische Außenministerium erklärt, dass ein Beitritt Finnlands in die NATO den Beziehungen zu Helsinki schweren Schaden zufügen würde, wie unter anderen der ORF berichtete. „Russland wird gezwungen sein, entsprechend zu antworten – in militärisch-technischer und in anderer Hinsicht –, um den Gefahren mit Blick auf seine nationale Sicherheit Rechnung zu tragen“, zitierte der ORF seinerzeit das russische Ministerium.

Die NATO aber nimmt derartige Äußerungen nach Agenturangaben offenbar wenig ernst. Sie geht davon aus, dass Russland schon durch sein Engagement in der Ukraine gebunden und zum Teil stark geschwächt sei. Als denkbar betrachte man von westlicher Seite höchstens verstärkte Aktivitäten der Luftstreitkräfte oder Cyberangriffe gegen den neuen Bündnispartner. Womöglich mache Dmitri Medwedew, der Vizechef des nationalen Sicherheitsrats und Ex-Präsident, auch seine Ankündigung wahr, Atomwaffen an die russische Ostseeregion zu verlagern.

Türkei und Ungarn wegen Schweden unter Druck

Die Türkei hatte erst am 31. März den Weg zum NATO-Beitritt Finnlands frei gemacht. Vier Tage zuvor hatte Ungarn grünes Licht gegeben.

Sowohl Ankara als auch Budapest zögern allerdings noch, dem Beitritt Schwedens zuzustimmen. Stockholm hatte Mitte Mai 2022 vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges gemeinsam mit Finnland um Aufnahme in das Bündnis gebeten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bemängelt die aus seiner Sicht unzureichenden Anstrengungen der Schweden gegen „Terrororganisationen“ wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.

Dem ungarischen Präsidenten Viktor Orbán missfällt, dass Schweden sich kritisch zur Rechtsstaatlichkeit in seinem Land geäußert hatte. Ein Beitrittsersuchen muss allerdings einstimmig von allen NATO-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) will die Blockade gegen den Schweden-Beitritt nach Informationen der „Tagesschau“ nicht akzeptieren. „Beim NATO-Gipfel in Madrid im letzten Sommer haben wir gemeinsam die Grundlage für den Beitritt gelegt“, mahnte Baerbock in Richtung Türkei und Ungarn, „und wir erwarten natürlich von allen NATO-Mitgliedern, dass sie diesen Beschluss ohne weitere Verzögerung umsetzen.“

Nach Angaben der „Tagesschau“ geht auch der NATO-Generalsekretär Stoltenberg davon aus, dass Ankara „seine Blockade nach den Wahlen im Mai aufgibt und Schweden dann im Sommer der NATO beitreten kann“. Ohnehin sei Schweden bereits „jetzt in die militärischen und zivilen Strukturen der NATO integriert“, gab sich Stoltenberg zuversichtlich.

Sollte der Widerstand der türkischen und ungarischen Parlamente brechen, wird also ganz Skandinavien zur NATO gehören – den Interessen Russlands zum Trotz.

Seit 1999 fünfzehn Staaten neu in der NATO

Nach dem Ende des Kalten Krieges zwischen West und Ost im Jahr 1990 hatte die NATO unter Führung der USA immer mehr Länder zum Eintritt in das Militärbündnis bewegt, obwohl eine Osterweiterung 1990 in den Zwei-plus-Vier-Gesprächen zur deutschen Wiedervereinigung ursprünglich auch von amerikanischer Seite ausgeschlossen worden war, wie der MDR noch im September 2022 berichtete.

Damals erklärte Hans-Jürgen Misselwitz, dem Leiter der damaligen Verhandlungsdelegation der DDR:

[Der amerikanische Außenminister James] Baker hatte gefragt, ob Gorbatschow sich ein unabhängiges, starkes, nicht eingebundenes Deutschland vorstellen könne oder ob es eingebunden werden sollte in Sicherheitsstrukturen, explizit der Nato. Und da fiel das entscheidende Wort. Gorbatschow hatte im Blick auf die Vergangenheit gesagt: Ja, aber nur unter der Bedingung, dass die Nato nicht ausgedehnt wird. Das hatte Baker zugestanden: Keine Ausdehnung der Nato – „no inch forward!“. Das überliefern die Protokolle der Gespräche vom 7. bis 9. Februar 1990.“

1999 traten nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung trotzdem die ehemaligen Ostblockstaaten Tschechien, Ungarn und Polen der NATO bei. Estland, Lettland, Litauen, die Slowakei, Slowenien, Bulgarien und Rumänien folgten 2004. Fünf Jahre später war es für Albanien und Kroatien so weit. 2017 hielt die NATO es für geboten, auch Montenegro in den Verbund aufzunehmen. Vor Finnland war zuletzt Nordmazedonien Ende März 2020 beigetreten.

Georgien und die Ukraine gelten bereits seit 2008 als Beitrittskandidaten.



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