Energieversorgung der Zukunft: Kernfusion erreicht Temperaturen des Sonnenkerns

Die Kernfusion gilt als Königsweg der Energieerzeugung, ihre Umsetzung scheint, obgleich einer Vielzahl an Forschungsprojekten, immer 50 Jahre entfernt. Auch der aktuelle Durchbruch steht im Zeichen von „es ist noch viel Arbeit nötig.“
Das amerikanische Unternehmen Zap Energy Inc. forscht an der Kernfusion nach dem Z-Pinch-Prinzip. In ihrem Reaktor erreichten sie jüngst die Temperatur des Sonnenkerns.
Blick auf das Plasmagefäß des Fusion-Z-Pinch-Experimentes (FuZE).Foto: Zap Energy Inc.
Von 30. April 2024

Bis zu 37 Millionen Grad Celsius. Das ist in etwa die Temperatur des Sonnenkerns. So heiß sollen auch Protonen und Plasma in einem Versuchsreaktor für die Kernfusion gewesen sein. Dies verkündeten Forscher um Ben Levitt von der amerikanischen Betreiberfirma Zap Energy Inc. Anfang April in den „Physical Review Letters“ der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft.

Zap Energy verfolgt dabei einen Forschungsansatz, der auf verhältnismäßig kleinem Raum und mit deutlich weniger Energie die Fusion nutzbar machen soll. Die jetzt erreichte Temperatur ist bisher einmalig für diese Art Reaktoren.

„Wir haben noch viel Arbeit vor uns“

In ihrer Forschungsarbeit beschreiben Levitt und Kollegen das sogenannte Fusion-Z-Pinch-Experiment (FuZE) mit ein bis drei Kiloelektronenvolt. Das entspricht etwa 11 bis 37 Millionen Grad Celsius. Diese Schwelle sei eine wichtige Hürde für Fusionssysteme. Ihr Experiment sei indes das „einfachste, kleinste und kostengünstigste Gerät, das dies erreicht hat“.

Im Gegensatz zu den multinationalen Forschungsprojekten mit Großreaktoren wie ITER arbeite man mit „für herkömmliche Fusionsstandards unglaublich bescheidenem“ Gerät, erklärte der stellvertretende Abteilungsleiter für Forschung und Entwicklung. Dennoch könne Zap Energy mit der Leistung der „Großen“ mithalten, „mit großer Effizienz und zu einem Bruchteil der Komplexität und Kosten.“

Im Gegensatz zu anderen Ansätzen erfordert die Technologie von Zap keine teuren und komplexen supraleitenden Magneten oder leistungsstarken Laser. „Die Zap-Technologie ist um Größenordnungen billiger und schneller zu bauen als andere Geräte, sodass wir […] die billigsten thermischen Fusionsneutronen auf dem Markt produzieren können“, sagte Benj Conway, CEO und Mitbegründer von Zap Energy.

Die Technologie biete daher das Potenzial „für einen viel kürzeren und praktikableren Weg zu einem kommerziellen Produkt, das in der Lage ist, auf Abruf reichlich kohlenstofffreie Energie für den Globus zu produzieren“. Konkret arbeiten die Forscher bereits am Nachfolger, dem FuZE-Q. Dieses Gerät verfüge über zehnmal mehr gespeicherte Energie und könne „auf viel höhere Temperaturen und Dichten skaliert werden.“ Parallel dazu laufe die Entwicklung von Kraftwerkssystemen.

„Wir haben noch viel Arbeit vor uns“, fasst Levitt den Stand der Dinge zusammen. Sein Chef ergänzte: „Wir haben sicherlich große Herausforderungen vor uns, aber wir haben alle Voraussetzungen, um sie zu lösen.“

Keine Eiswürfel in heißer Suppe

Der erste Schritt zur Schaffung der Voraussetzungen für die Fusion ist die Erzeugung eines Plasmas, jenem Zustand, der auch als „vierter Zustand der Materie“ oder vierter Aggregatzustand bezeichnet wird. Darin sind Atomkerne und Elektronen nicht mehr in Atomen gebunden, sondern fließen frei in einer subatomaren Suppe. Die Kerne sind jeweils positiv geladen und stoßen sich eigentlich ab. Werden sie jedoch weit genug verdichtet, kann es zur Kollision und Fusion kommen.

Das Z-Pinch-Experiment geht zudem auf eine Zufallsentdeckung im Jahr 1950 zurück, als australische Physiker entdeckten, dass ein Blitzableiter bei einem Einschlag deutlich zusammengedrückt worden war. Wie sich später herausstellte, sind dafür Magnetfelder verantwortlich, die sowohl einen Metallstab als auch ein Plasma komprimieren können.

In letzterem Fall besteht dasselbe Problem wie bei anderen Fusionsanordnungen: die Instabilität des Plasmas. Zap Energy nutzt statt eines Blitzableiters aus Metall eine Kette aus Deuterium-Atomen. Die Instabilität konnte man teilweise durch einen dynamischen Prozess lösen. Das leitende Plasma erzeugt dabei seine eigenen elektromagnetischen Felder, die es sowohl erwärmen als auch komprimieren. Sprich, das Plasma stabilisiert sich in Teilen selbst. Der so erzeugte Plasmafaden war etwa 50 cm lang und etwa einen Millimeter dick.

Da die Atomkerne mehr als das Tausendfache schwerer sind als die Elektronen, können sich die beiden Komponenten des Plasmas unterschiedlich schnell erwärmen und abkühlen. Letztendlich sollen die Atomkerne fusionieren und müssen auf Temperatur gebracht werden, es kann jedoch Situationen geben, in denen kalte Elektronen die Erhitzung begrenzen wie Eiswürfel in einer heißen Suppe. Im konkreten Fall konnten die Forscher zeigen, dass die Elektronen im Plasma genauso heiß sind wie die Ionen.

Die lange Geschichte der Kernfusion

Die Kernfusion selbst ist keine „neue Erfindung“. Nach diesem Prinzip erzeugen Sterne, einschließlich unserer Sonne, seit Milliarden Jahren ihre Energie. Vor rund 90 Jahren hat auch der Mensch erstmals Fusionsreaktionen erzeugt. Seither fasziniert ihre Wirkung nicht nur im Rahmen der Energieerzeugung.

So zeigen militärische Überlegungen, welche Kraft dem Konzept Fusion innewohnt: Eine einzige Kernwaffe könnte die gesamte Erdatmosphäre auf Jahre verstrahlen oder das Eis der Arktis schlagartig zum Schmelzen bringen und eine riesige Welle freisetzen. Mehrere Detonationen vor der kalifornischen Küste könnten ihrerseits „einen Tsunami auslösen, der den Westen der USA bis zu den Rocky Mountains überschwemmen würde.“

Spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges wird versucht, diese Energie zugunsten der Menschen einzusetzen und nicht zu ihrer Zerstörung. In den letzten Jahrzehnten entstanden unter anderem mit Wendelstein, JET und ITER mehrere große und viele kleinere Versuchsanlagen, in denen die Vorgänge im Inneren der Sonne nachgeahmt und für die Energiegewinnung nutzbar gemacht werden sollen.

Grundsätzlich geht die Kernkraft auf die Einstein’sche Formel E = m · c² zurück. Sie besagt, dass Masse (m) und Energie (E) zwei Seiten derselben Medaille sind. Die Formel besagt auch, dass die Masse in dieser Gleichung mit der Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat (c²) zu multiplizieren ist.

Kernfusion und die Erschaffung der irdischen Sonne

Nun kann man aber Masse nicht einfach in Energie umwandeln. Man kann sie nur erlangen, wenn man sich die sogenannte „Bindungsenergie“ nutzbar macht. Max Planck sagt dazu: „Alle Materie entsteht und besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zum winzigsten Sonnensystem des Alls zusammenhält.“

Dieses Wort „zusammenhält“ erinnert an die Bindungsenergie. Sie ist jedoch alles andere als winzig: Die Energie aus einem Gramm Bindungsenergie entspricht dem Energiegehalt von über zwei Millionen Litern Benzin. Mit fünf Kilogramm Bindungsenergie könnte man bereits 45 Kubikkilometer Wasser um einen Meter anheben – das entspricht in etwa dem Bodensees.

Die Kernfusion gilt als der Königsweg zu unendlicher und sauberer Energie. Es gibt jedoch ein Problem, denn die benötigten Wasserstoffprotonen sind beide positiv geladen und stoßen sich – wie die gleichen Pole zweier Magneten – mit aller Kraft ab. Diese abstoßende Kraft, die sogenannte „Coulombbarriere“, ist bei Atomen nahezu unendlich und kann nur durch die rund 15 Millionen Grad Celsius und den ungeheuren Druck der Sonnenmasse erzwungen werden. Da auf der Erde ein geringerer Druck herrscht, müssen die Temperaturen noch weit höher sein. Großanlagen experimentieren mit über 100 Millionen Grad heißem Plasma.

Wirklich erfolgreich war man bei der Umsetzung bisher nicht. So sind alle Fusionsreaktoren auf der Welt Versuchsanlagen und haben bisher nur Energie verbraucht, aber nie mehr produziert, als die Fabrikhallen voller Versuchseinrichtungen erfordern. Ein großes Fusionskraftwerk, das die Energieprobleme der Menschheit lösen könnte, bleibt Zukunftsmusik. Kleinere Anlagen – von Kühlschrank- bis Kaffeetassen-Größe – soll es bereits geben, ohne dass es diese bis zur Markteinführung geschafft haben.



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