AfD nimmt neuen Anlauf für ein Oberbürgermeisteramt

In der sachsen-anhaltischen Stadt Bitterfeld-Wolfen wird am Sonntag ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Erneut heißt es im Wahlkampf „alle gegen einen“: Mit dem früheren Polizisten Henning Dornack hat es ein AfD-Mitglied in die Stichwahl geschafft.
Armin Schenk (CDU) stellt sich zur Wiederwahl.
In Bitterfeld-Wolfen stellt sich Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU) am Sonntag zur Stichwahl. Beim ersten Durchgang lag AfD-Kandidat Henning Dornack vorne.Foto: Jan Woitas/dpa
Von 5. Oktober 2023

Am Sonntagabend, 8. Oktober, blickt das politische Deutschland nicht nur zu den Landtagswahlen nach Bayern und Hessen, sondern auch in den Südosten Sachsen-Anhalts. Denn dort hat die „Alternative für Deutschland“ (AfD) erneut die Möglichkeit, zum ersten Mal einen hauptamtlichen Oberbürgermeistersessel zu erobern.

Schauplatz der Stichwahl ist die 37.000-Einwohner-Stadt Bitterfeld-Wolfen. Ins Duell gehen der amtierende Oberbürgermeister Armin Schenk (62, CDU), ein studierter Diplom-Ingenieur, und sein Herausforderer Henning Dornack (61, AfD), ein pensionierter Kriminalhauptmeister.

Dornack fast fünf Punkte vorn

Beim ersten Wahldurchgang am 24. September hatte der AfD-Kandidat Dornack rund 33,8 Prozent der Stimmzettel für sich verbucht – mehr als jeder seiner drei Konkurrenten. OB Armin Schenk qualifizierte sich mit 29,1 Prozent als Zweiter für die Stichwahl. Die beiden parteilosen Kandidaten André Krillwitz und Katrin Kuhnt schieden aus dem Rennen. Für Krillwitz, nach Angaben des MDR Ortsbürgermeister von Wolfen, hatten sich 21,4 Prozent der Wähler entschieden. Kuhnt, hauptberuflich Referatsleiterin bei der Stadtverwaltung von Dessau-Roßlau, holte 15,6 Prozent.

Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der „Mitteldeutschen Zeitung“ (MZ) bei 49,74 Prozent. Zum Vergleich: Bei der jüngsten Oberbürgermeisterwahl davor im Jahr 2017 hatten noch nicht einmal 40 Prozent der knapp 32.000 Wahlberechtigten am Urnengang teilgenommen. Laut MZ sind bereits Bürgerinnen und Bürger im Alter von 16 Jahren wahlberechtigt.

Ein Wahlplakat des AfD-Kandidaten Dornack hängt vor dem Rathaus.

Ein Wahlplakat des AfD-Kandidaten Henning Dornack vor dem Rathaus in Bitterfeld-Wolfen. Foto: Jan Woitas/dpa

Erneut breites Bündnis kontra AfD

Das lokale „Bündnis für Demokratie & Toleranz“, zu dem sich Privatpersonen, Vereine, Kirchen und andere Institutionen zusammengeschlossen hatten, will die Bürger dazu mobilisieren, „das Kreuz an der richtigen Stelle“ zu setzen, wie es in einem „Offenen Brief“ heißt. Eine direkte Wahlempfehlung ist darin nicht zu finden, doch es ist offensichtlich, dass das Bündnis den AfD-Kandidaten unbedingt verhindern will. Stand 5. Oktober, 10:00 Uhr, hatten bereits knapp 800 Menschen die Petition unterschrieben. Für den Facebook-Auftritt des Bündnisses konnte sogar „Prinzen“-Frontmann Sebastian Krumbiegel gewonnen werden, der nun ausnahmsweise für einen „Kandidaten der christlich-demokratischen Union“ die Werbetrommel rührt.

Unterstützung für Schenk leistete auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU): Agenturinformationen zufolge sprach er von einer „entscheidenden Wahl“ und forderte eine „klare Position aller demokratischen Kräfte“ in Abgrenzung zur AfD. Immerhin gehe es um die „Reputation Sachsen-Anhalts“.

Schenk verweist auf Erfolge

Auch Amtsinhaber Schenk selbst will nach Informationen der MZ möglichst viele Bitterfeld-Wolfener zur Stichwahl bewegen. Wie die MZ bereits am 22. September berichtete, hatte der Christdemokrat die städtischen „Kassenkredite von 80 auf 15,6 Millionen Euro“ gesenkt und die Gewerbesteuereinnahmen „von 20 auf 30 Millionen“ erhöht. In der nächsten Amtszeit wolle er die „Konsolidierung“ schaffen.

Besonders stolz ist Schenk offenbar auf die Neuanschaffungen während seiner vergangenen Amtszeit: „Es hat noch nie so viele Investitionen in die Feuerwehr für Gebäude, Fahrzeuge und Bekleidung gegeben wie in diesen sechs Jahren.“ Mit der schrittweisen Sanierung des Innenstadtrings liege aber noch eine große Aufgabe vor ihm. Eine weitere Herausforderung sehe Schenk in der Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Stadtrat und den Ortschaften, so die MZ.

Dornack will mehr Familien und Investoren begeistern

Die Kontrahenten Henning Dornack und Armin Schenk kennen sich seit Jahren aus der Stadtpolitik: Dornack bekleidet nach MZ-Informationen im Stadtrat die Ämter des stellvertretenden Vorsitzenden und des Chefs der AfD-Stadtratsfraktion.

Laut MZ will Dornack vor allem die städtische Infrastruktur voranbringen, junge Familien und Unternehmen ansiedeln, „Filz und Korruption“ bekämpfen und höhere Steuern von Unternehmen verlangen, die ihren Sitz nicht vor Ort haben. Dornack sei 2015 in die AfD eingetreten, um etwas gegen die Flüchtlingskrise zu tun, so die MZ.

„Ich bin sehr optimistisch, dass Bitterfeld-Wolfen einen AfD-Oberbürgermeister bekommt“, meinte der AfD-Kreisvorsitzende Daniel Roi nach Informationen der „ZEIT“ gegenüber der „Deutschen Presse Agentur“ (dpa): „Bitterfeld-Wolfen ist nicht Nordhausen“. Damit spielte Roi auf die Stichwahl-Niederlage des Nordhausener AfD-Kandidaten Jörg Prophet am 24. September an. Prophet hatte sich damals im zweiten Wahlgang dem parteilosen Amtsinhaber Kai Buchmann geschlagen gegeben müssen, nachdem Buchmann im ersten Durchgang noch klar zurück gelegen hatte. In den zwei Wochen vor der entscheidenden Wahl hatte auch in Nordhausen ein breites Bündnis von AfD-Gegnern Stimmung gegen den AfD-Kandidaten gemacht.

AfD: Bislang zwei Ämter auf Kommunalebene

Seit Ende Juni 2023 gewann die AfD zwei Wahlen auf Kommunalebene: Robert Sesselmann wurde im thüringischen Sonneberg nicht nur der erste Landrat Deutschlands mit AfD-Parteibuch, sondern auch der erste mit amtlich bescheinigter „Verfassungstreue“. Sesselmann hatte sich nach seiner Wahl einem Check beim Landesverwaltungsamt unterziehen müssen, weil die Thüringer AfD vom Landesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft und beobachtet wird.

Hannes Loth gewann eine Woche später das Rennen um den Bürgermeisterposten in der sachsen-anhaltinischen Kleinstadt Raguhn-Jeßnitz. Es handelte sich um die erste hauptamtliche Bürgermeisterstelle für einen AfD-Kommunalpolitiker.

AfD in Sachsen-Anhalt zweitstärkste Kraft

Die jüngste Meinungsumfrage zur „Sonntagsfrage“ in Sachsen-Anhalt ist schon ein gutes Vierteljahr her: INSA stellte Ende Juni 29 Prozent für die AfD und damit Platz zwei im Parteienspektrum fest. Die CDU lag damals mit 31 Prozent vorn. Sie stellt seit Juni 2021 mit Reiner Haseloff auch den Chef der schwarz-rot-gelben Landesregierung.

In Sachsen, Brandenburg und Thüringen wird schon im Herbst 2024 ein neuer Landtag gewählt. In Sachsen rangiert die Alternative für Deutschland mit Umfragewerten bis zu 35 Prozent derzeit auf Platz eins. 32 Prozent würden ihre Stimme in Brandenburg der AfD geben, falls am nächsten Sonntag Landtagswahl wäre. In Thüringen werden derzeit ähnliche Zustimmungswerte für die Blauen gemessen.

Nach wie vor gilt bei der CDU der Unvereinbarkeitsbeschluss: Auf keiner Ebene – weder im Bund noch in einem Bundesland noch auf kommunaler Ebene – will die CDU mit der AfD zusammenarbeiten oder gar koalieren. Das Thüringer Landespräsidiumsmitglied Michael Brychcy (CDU) aber plädierte bereits im Juni für mehr Differenzierung bei der Zusammenarbeit mit der AfD. Er selbst binde schon AfD-Abgeordnete bei Sachfragen im Stadtrat mit ein. Am 14. September stimmten CDU und FDP Seit an Seit mit der AfD für eine Senkung der Grunderwerbssteuer.

Im Hinblick auf den Höhenflug der Partei und die anstehenden Wahlen könnte es also spannend werden: Womöglich bilden sich in Mitteldeutschland bald Minderheitsregierungen oder Allparteienkoalitionen ohne die „Alternative“.



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