SPD-Fraktion will deutsche Industrie mit „Sechs-Punkte-Plan“ retten

Bundeskanzler Olaf Scholz soll sich zu einem mit Steuermitteln subventionierten Industriestrompreis in Höhe von fünf Cent pro Kilowattstunde durchringen – so will es die SPD-Fraktion im Bundestag. Doch Scholz sitzt zwischen den Stühlen: Der Ampelpartner FDP sieht ähnlich wie er keinen finanziellen Spielraum.
Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, gibt zu Beginn der Sitzung seiner Bundestagsfraktion ein Pressestatement.
Archivbild: Rolf Mützenich, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, will mit dem Kanzler über einen subventionierten Industriestrompreis sprechen.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 28. August 2023

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Mit dem „Grünen Wirtschaftswunder“ (Wahlwerbung der Grünen 2021) wurde der bundesdeutsche Industriestandort vorerst auf Talfahrt geschickt. Die Wirtschaft ist momentan gekennzeichnet von hohen Energiekosten, Deindustrialisierung, Abwanderung und Insolvenz von Unternehmen sowie Inflation. Nun will die SPD-Bundestagsfraktion während ihrer zweitägigen Klausurtagung in Wiesbaden unter dem Motto „Zukunft schaffen wir. Gemeinsam vor Ort.“ gegensteuern.

Der SPD-Fraktionsvorstand hatte mit einem Positionspapier am 24. August in Erlangen einen „Sechs-Punkte-Plan“ vorgestellt, der die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken und das Wirtschaftswachstum in Deutschland endlich wieder nach vorne bringen soll. Zentraler Punkt ist die Forderung nach einem staatlich subventionierten Industriestrompreis.

Fraktion will fünf Jahre lang 5,0 Cent/kWh garantieren

Nach Informationen des ZDF schwebt der SPD-Fraktion ein Preis von fünf Cent pro Kilowattstunde für besonders stark von hohen Energiekosten betroffenen Unternehmen vor – also nur für ausgewählte Branchen. Der Betrag bezieht sich nach Angaben des „Handelsblatts“  auf den Preis vor Steuern und Umlagen. Derzeit müssen die Betriebe laut „Handelsblatt“ an der Strombörse etwa 8,95 Cent für die Kilowattstunde zahlen.

Die Differenz soll nach den Vorstellungen der SPD-Fraktionsspitze also der Steuerzahler ausgleichen. Mindestens fünf Jahre lang sollen sich die Industriearbeitgeber darauf verlassen können – also weit über die Dauer der aktuellen Ampel-Legislatur hinaus.

SPD und Grüne dafür, FDP und Kanzler dagegen

Unter der Regie des Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich sollen im Lauf des 28. August erst die 206 Fraktionsmitglieder den Plänen zustimmen. Danach soll Bundeskanzler Olaf Scholz davon überzeugt werden, sich ebenfalls doch noch zu einem garantiert günstigen Strompreis für die Industrie durchzuringen. Scholz sitzt als Kopf der Ampelregierung zwischen den Stühlen: Die FDP hält angesichts der angespannten Haushaltslage nicht viel von Subventionen.

Die Grünen würden eine Unterstützung mit Steuermitteln allerdings begrüßen: Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte kürzlich einen Deckel von sechs Cent pro Kilowattstunde vorgeschlagen.

Scholz selbst neigte nach Informationen des ZDF zuletzt dazu, einen staatlich begrenzten Preis für Industriestrom abzulehnen. Erst vor wenigen Tagen hatte er noch einmal bei einer Rede auf dem Unternehmertag NRW in Düsseldorf klargestellt: „Eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten und wird es deshalb auch nicht geben“.

Strompreis für Investitionsentscheidungen „zentral“

Das ist nach Ansicht des Nationalökonomen Prof. Jens Südekum von der Universität Düsseldorf allerdings ein Fehler, denn der Strompreis sei für Investitionsentscheidungen „zentral“. Nach Angaben des ZDF plädiert Südekum sogar dafür, auch den Mittelstand in den Genuss subventionierter Strompreise gelangen zu lassen, nicht nur die bisher angedachten 2.000 potenziellen Empfänger. Ein zu teurer Strompreis hindere „zahlreiche Industriezweige, die noch mit fossilen Energien operierten“, daran, vollständig auf Strom als Energiequelle umzurüsten. Der Strombedarf würde sich dann „um das Zehnfache erhöhen“. Zu dieser „Transformation“ bedürfe es eines günstigen Strompreises.

Noch mehr Steuergeld für Industrieansiedlungen

Ein weiterer wichtiger Vorschlag des „Sechs-Punkte-Plans“ dreht sich ebenfalls um Subventionen: Die sollen ebenfalls großen, womöglich internationalen Industrieunternehmen zugutekommen, damit sie sich zur Ansiedelung in Deutschland entschließen. Hier müsse „massiv“ Geld ausgegeben werden, meint die SPD-Fraktionsführung.

So etwas hatte zuletzt zweimal geklappt: Die Bundesregierung hatte für eine neue Chipfabrik von Intel in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) annähernd zehn Milliarden Euro zugesagt. 10.000 Arbeitsplätze sollen mittelfristig entstehen. Somit wird jeder Arbeitsplatz schon jetzt mit einer Million Euro Steuergeld gestützt. Der Ökonom und Wettbewerbsexperte Justus Haucamp von der Universität Düsseldorf sprach von „Wahnsinn“.

Noch schlechter sieht die Kosten-Nutzen-Rechnung in Dresden aus: Der taiwanische Halbleiterspeziallist TSMC sagte zu, bis zum Jahr 2027 ein Werk vor Ort errichten zu wollen, das 2.000 Menschen Arbeit geben soll. Zuschuss aus dem deutschen Steuertopf: Fünf Milliarden Euro. Und das letztlich für Chips, die schon heute nicht mehr die Spitze des Machbaren am Markt repräsentieren.

„Aktuell hat sich Robert Habeck zwei Mal Beifall verdammt teuer erkauft, mit insgesamt 15 Milliarden Euro, die Millionen Selbständige und Arbeitnehmer vorher hart erarbeiten und dafür Steuern zahlen mussten“, fasste daraufhin der Wirtschaftsjournalist Claudio Kummerfeld seine Analyse für die Wirtschaftspolitik von Robert Habeck (Grüne) in einem Artikel des Onlineportals „Finanzmarktwelt“ zusammen.

Fraktion will auch Mietenstopp

Und noch ein Punkt auf der SPD-Sechserliste dreht sich um staatliche Eingriffe in den Markt: Ein „bundesweiter Mietenstopp“ soll garantieren, dass „Mieten in angespannten Wohngegenden in drei Jahren um maximal sechs Prozent und zudem nicht über die ortsübliche Vergleichsmiete steigen dürfen“, wie das ZDF berichtet.

Außerdem strebt das Papier eine Lockerung des EU-Beihilferechts und eine Importquote für grünen Wasserstoff an.

„Wir wollen nicht den Bundeskanzler zu einer anderen Meinung bewegen, sondern wir wollen zusammen etwas tun“, erklärte Fraktionschef Mützenich laut „Handelsblatt“ bereits vor dem vergangenen Wochenende mit Blick auf die Wiesbadener Klausurtagung. Immerhin stelle die SPD die größte Fraktion im Bundestag.

Ökonom Fratzscher: Bloß kein gestützter Industriestrompreis!

Während wirtschaftsliberale Denker die Hände über dem Kopf zusammenschlagen mögen, sieht Prof. Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin Licht und Schatten beim SPD-Vorschlag. Nach Angaben der „Wirtschaftswoche“ hält Fratzscher den Ansatz für gut, „bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen“ zu schaffen, „auch durch eigene Investitionen“. „Auch die Stärkung Europas ist ein wichtiges Element, das allerdings von der Bundesregierung bisher vernachlässigt wird“, habe Fratzscher gemahnt.

Gar nicht einverstanden sei der Ökonom und Regierungsberater dagegen mit einem subventionierten Industriestrompreis, weil dieser „die Stromkosten für Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger erhöhen und die Transformation verlangsamen würde“. Außerdem setze der SPD-Sechs-Punkte-Plan „zu viel auf eine Stärkung der staatlichen Intervention“ und lege stattdessen „zu wenig Gewicht auf Innovation und die Stärkung des Wettbewerbs“. Zudem sei unklar, woher das Geld für all die staatlichen Maßnahmen kommen solle: „Bei Einhaltung der Schuldenbremse wird dies schlichtweg nicht möglich sein oder nur durch Schattenhaushalte an der Schuldenbremse vorbei“, so Fratzscher.

Nächster Halt: Schloss Merseburg

Nach der Klausurtagung steht für Scholz schon die nächste richtungsweisende Konferenz im Terminkalender: Ab Dienstag, 29. August, kommen die Spitzen der Ampelregierung in Schloss Meseberg (Brandenburg) zu ihrer inzwischen fünften Klausurtagung zusammen. SPD, Grüne und FDP wollen dort neuen Schwung für die zweite Hälfte der Wahlperiode aufnehmen. Zuletzt hatte es hörbar im Gebälk der Regierungskoalition geknirscht – zum Beispiel wegen des gerade erst beigelegten Streits um die Kindergrundsicherung, um die Schuldenbremse oder um die Zukunft der Rentenversicherung.



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